KZ-Außenlager Floridsdorf
48° 16' 11.72" N, 16° 23' 33.01" E zur Karte im Wien Kulturgut
Neben dem Stammlager des Konzentrationslagers Mauthausen gründeten die nationalsozialistischen SS-Institutionen im Verlauf des Zweiten Weltkriegs eine große Zahl von Außenlagern, die ab 1943 die Bezeichnung "Arbeitslager der Waffen-SS" führten.
Die Gründung des KZ-Außenlagers Floridsdorf
Nachdem das KZ-Außenlager Schwechat-Heidfeld aufgrund anhaltender Bombenangriffe evakuiert werden musste, wurden von dort am 13. Juli 1944 die 2.000 Zwangsarbeit leistenden KZ-Häftlinge zuerst in das KZ-Außenlager Wien‐Floridsdorf und später zum Teil weiter in die KZ-Außenlager Hinterbrühl beziehungsweise "Santa" bei Schwechat deportiert. Die in Floridsdorf verbliebenen Häftlinge wurden auf die Kommandos Hofherr & Schrantz, AFA beziehungsweise Jedlesee aufgeteilt.
Standort Hopfengasse 8
Die Häftlinge der Kommandos Hofherr & Schrantz sowie AFA wurden in einem eigenen Lager auf dem Firmengelände Hofherr & Schrantz, getrennt von jenem des Kommandos Jedlesee, untergebracht, wobei AFA ein eigenes Sub-Kommando des Kommandos Hofherr & Schrantz gewesen sein dürfte. Es ist davon auszugehen, dass die Häftlinge dieser beiden Kommandos in einem einzigen Lager untergebracht waren. Dieses befand sich auf dem Gelände des heutigen FAC-Sportplatzes in 21., Hopfengasse 8, nur knapp 500 Meter entfernt von der Arbeitsstätte der Häftlinge bei Hofherr & Schrantz in 21., Shuttleworthstraße 8.
In der Hopfengasse 8 wurde zur Unterbringung der Häftlinge ein Barackenlager errichtet. Bis zu seiner Fertigstellung wurden die Heinkel-ZwangsarbeiterInnen, die sich ebenfalls im KZ-Außenlager Schwechat-Heidfeld befunden hatte, in den Kellern des Brauhauses Mautner (21., Prager Straße 20) in Jedlesee untergebracht, die AFA-ZwangsarbeiterInnen dagegen auf dem Werksgelände der AFA.
Nach Zerstörung des Barackenlagers in der Hopfengasse 8 durch einen alliierten Luftangriff wurden die für Heinkel arbeitenden KZ-Häftlinge zunächst ebenfalls bei den AFA-Werken und dann neuerlich in den Braukellern untergebracht. Die Abgrenzung zum KZ-Außenlager Jedlesee ist nicht immer ausreichend möglich.
Häftlingszahlen und Zwangsarbeit
Aufgrund der Quellenlage lässt sich der jeweilige höchste Häftlingsstand für die einzelnen KZ-Lager dieses Komplexes nicht genau rekonstruieren. Inklusive der zum Komplex Wien‐Floridsdorf gehörenden KZ-Außenlager Schwechat "Santa", Hinterbrühl und Jedlesee betrug er 2.737 Häftlinge. Die meisten Häftlinge des Komplexes Wien‐Floridsdorf stammten aus Polen und der Sowjetunion. Über die nationale Zugehörigkeit der am 13. Juli 1944 aus dem aufgelösten Außenlager Schwechat-Heidfeld überstellten Häftlinge ist nichts Genaues bekannt, da alle an den verschiedenen Heinkel-Standorten im Großraum Wien eingesetzten Gefangenen als Häftlinge des KZ-Außenlagers Wien-Floridsdorf registriert wurden. Polen und Sowjets bildeten aber auf jeden Fall die größten Gruppen. Die Haftbedingungen waren wesentlich besser als in Schwechat-Heidfeld. Mindestens 80 Häftlinge starben in allen unter dem Namen Wien-Floridsdorf zusammengefassten Lagern.
Die Häftlinge arbeiteten bei Heinkel und AFA und wurden für die Produktion von Flugzeugteilen, Akkumulatoren für U‐Boote sowie Steuerkomponenten für „V2“‐Raketen eingesetzt.
Bewacht wurde das KZ-Außenlager Floridsdorf hauptsächlich von Soldaten der Luftwaffe bewacht, die unter dem Kommando von SS‐Obersturmführer Anton Streitwieser standen, dem auch Hinterbrühl und Schwechat (Santa) unterstanden. In der Nähe der ehemaligen St. Georgsbrauerei (21., Prager Straße 20) befand sich der Sitz der Kommandantur sämtlicher Lager des Komplexes Wien‐Floridsdorf (21., Hopfengasse 22).
Evakuierung und Schließung
Die Kommandos Hofherr & Schrantz und AFA wurden ebenso wie das Kommando Jedlesee am 1. April 1945 evakuiert, wobei der über das Außenlager Steyr führende Evakuierungsmarsch, am 11. April 1945 das Konzentrationslager Mauthausen erreichte. Insgesamt sind laut einer Aufstellung der Lagerschreibstube auf diesem Marsch 121 Häftlinge getötet worden, 22 blieben vermisst oder sind geflüchtet. Die Zahl der Toten allein im Lager Floridsdorf dürfte sich auf 45 Häftlinge belaufen.
Gedenken und Erinnern
An das ehemalige KZ-Außenlager erinnert heute eine Gedenktafel vor dem nahe gelegenen Bezirksmuseum Floridsdorf (21., Prager Straße 33), bei der jährlich eine Gedenkveranstaltung vom Verein "Niemals vergessen" organisiert wird.
Siehe auch: Außenlager des KZ Mauthausen, KZ-Außenlager Jedlesee, Zwangsarbeit, Zwangsarbeiterlager, Lager in Wien
Literatur
- Roman Fröhlich: Außenlager des KZ Mauthausen in Wien an den Standorten der Ernst Heinkel Aktiengesellschaft. Eine Bestandsaufnahme. In: KZ-Gedenkstätte Mauthausen Memorial 2012. Wien: Bundesministerium für Inneres 2012, S. 31-42
- Fabian Hümer: Der 'Volksjäger' Heinkel He 162. Forcierte Ressourcenmobilisierung im Angesicht der Niederlage. Masterarbeit, Univ. Wien. Wien 2013
- KZ-Gedenkstätte Mauthausen Memorial 2012. Wien: Bundesministerium für Inneres 2012
- Hans Maršálek: Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen. Wien: Österreichische Lagergemeinschaft Mauthausen 1980
- Hans Maršálek: Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen. Dokumentation. Wien: Edition Mauthausen 2006
- Bertrand Perz: Wien Schönbrunn. In: Wolfgang Benz / Barbara Distl [Hg.]: Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 4: Flossenbürg, Mauthausen, Ravensbrück. München: C. H. Beck 2006, S. 448-453 (Wien-Floridsdorf), S. 453-455 (Wien-Floridsdorf [AFA-Werke])
- Gisela Rabitsch: Konzentrationslager in Österreich 1938-45. Diss. Univ. Wien. Wien 1967
Weblinks
- Austria Guides: KZ-Außenlager Floridsdorf [Stand 13.11.2019]
- Mauthausen Memorial: KZ-Außenlager Floridsdorf [Stand 13.11.2019]
- Geheimprojekte.at: Lager Wien-Floridsdorf I [Stand 13.11.2019]
- Erinnern.at: Erinnerungszeichen an KZ und Zwangsarbeit in Wien [Stand 15.10.2019]