Marcus-Curtius-Loch
Marcus-Curtius-Loch (1, Lugeck). Auf dem Stadtplan von Augustin Hirschvogel (1547) ist auf dem Lugeck ein Kreis zu sehen, der als Marcus-Curtius-Loch bezeichnet wird (siehe Bild).
Es war dies der Standort eines früheren Ziehbrunnens, der sich auf dem Platz vor dem Hof, der den Fleischhauern (die hier ihre Stände hatten) diente, stand. Der Brunnen wird bereits 1397, 1399 und 1405 erwähnt und bestand noch 1516 (Grundbuch 1/32, fol. 73; Quellen zur Geschichte der Stadt Wien 3/2, Nr. 2330, 2457; 2/4, Nr. 6098). Als wenig später die Fleischbänke, die sich von alters her auf dem Lugeck befanden, entfernt wurden, verschwand auch der Brunnen. Sein Schacht wurde zugeschüttet, der Rand jedoch durch eine Steineinfassung markiert. Mit der ersten Pflasterung Wiens (1558) verschwanden der Brunnen, nur ein mit Stein ausgelegte Kreis blieb weiterhin erhalten und war noch 1770 zu sehen. Erst bei einer Neupflasterung des Platzes 1788 verschwand die letzte Erinnerung an den Brunnen.
Herkunft des Namens
Die Bezeichnung Marcus-Curtius-Loch war offenbar ein von den Studenten der nahen Universität geprägter Scherzname, der an den römischen Helden Marcus Curtius erinnerte. Dieser hatte sich, wie Livius (Ab urbe condita 7, 6) sowie Marcus Terentius Varro (De lingua latina 5, 32, 148) überliefern, 363 vor Christus mitsamt seinem Streitross in einen auf dem Forum in Rom entstandenen Erdschlund gestürzt (daher: Lacus Curtius), um die Götter zu versöhnen und seinen Landsleuten ein Exempel höchster Tapferkeit zu geben.
Verbreitete Deutungen im 17. und 18. Jahrhundert
Der Brunnen war damals schon eingestürzt und verschüttet, und nur ein runder, mit Steinen ausgelegter Kreis, vielleicht die ehemalige Umfassung, war davon übrig geblieben, der später erfindungsreichen Chronisten Stoff für Märchen bot. Nach Testarello (1685) habe das Marcus-Curtius-Loch 1472 einem Glockenguss gedient (was Fischer [Band 4, 12, Nr. 173] noch 1770 übernahm). Es gab sogar die Spekulationen, dass die große Glocke von St. Stephan, die Pummerin, hier gegossen worden wäre. Der Anblick der rauchenden und flammensprühenden Grube während des Gusses hatte die Erinnerung an den sagenhaften Opfertod des römischen Jünglings Marcus Curtius (362 vor Christus) wachgerufen, und als nach vollbrachtem Werke der Schlund wieder geschlossen wurde, sei der Steinzirkel zum Andenken an den Glockenguss gezogen worden. Nicht beachtet wurde dabei, dass die berühmte Glocke von St. Stephan erst 1711 (und nicht hier sondern in der Leopoldstädter Werkstätte des Meisters Aichhammer) gegossen wurde, während Hirschvogel das Marcus Curitus Loch schon mehr als 250 Jahre vorher erwähnte. Auch die Erklärung, dass sich hier einst ein Luftschacht der Katakomben von St. Stephan befunden habe, deren Räume später abgemauert, bis zum Donaukanal gereicht haben soll, ist falsch. Popowitsch dachte um 1750 an die Markierung einer früheren Richtstätte, Gugitz (1950, 1962) hielt sogar die Erinnerung an eine römische Kultstätte für denkbar. All diese Erklärungsversuche sind nicht haltbar. Die einfache Annahme, dass die Erinnerung an den Curtiussprung Studenten genügend Veranlassung bot diese merkwürdige Vertiefung im Erdboden so zu benennen, ist naheliegend und berechtigt.
Literatur
- Gustav Gugitz: Das Marcus-Curtius-Loch. In: Wiener Geschichtsblätter 5 (1950), S. 1 ff.
- Gustav Gugitz: Ist das Marcus-Curtius-Loch ein entscheidendes Denkmal für die Stadtgründung von Wien? In: Wiener Geschichtsblätter 17 (1962), S.108 ff.
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 4, 1. Teil. Wien ²1954 (Manuskript im WStLA), S. 26-32
- Titus Livius: Römische Geschichte. Leipzig: Reclam 1884, S. 602 f.