48° 10' 21.72" N, 16° 22' 33.46" E zur Karte im Wien Kulturgut
Die Mittelschule Leibnizgasse 33 ist eine öffentliche Mittelschule im 10. Wiener Gemeindebezirk, Favoriten.
Schulgründung
Im Jahr 1892 wurde der Bau und die Einrichtung einer Doppelvolksschule, also einer Volksschule für Knaben und Mädchen, in der Leibnizgasse 33 vollendet, sodass das Schulgebäude bereits am Beginn des Schuljahres 1892/1893 der Benützung übergeben worden konnte.
Die beiden Volksschulen, die gemeinsam in der Leibnizgasse 33 untergebracht waren, hatten jeweils eine eigene Leitung. Im Schuljahr 1895/1896 beispielsweise stand die fünfstufige Volksschule für Knaben unter der Leitung von Oberlehrer Franz Iser und beherbergte eine Gesamtzahl von 743 Schülern, die auf zwölf Klassen aufgeteilt waren. 13 Schüler gehörten der evangelischen Konfession an, zwölf Schüler waren jüdisch, ein Schüler gab an konfessionslos zu sein. Die Mehrheit der Schulkinder war römisch-katholisch. Unter der Lehrerschaft befanden sich auch zwei evangelische Lehrer.
Die Volksschule für Mädchen hingegen wurde von Oberlehrer Josef Kubiček geleitet und beherbergte im gleichen Schuljahr 777 Schülerinnen, die auf 13 Klassen aufgeteilt waren. Drei Schülerinnen waren altkatholisch, 18 evangelisch, neun Schülerinnen jüdisch und der Rest wiederum römisch-katholisch. Dem Lehrkörper gehörten auch zwei jüdische Lehrerinnen an. Das Schulgebäude schien von Beginn an ausgelastet zu sein, da alle verfügbaren Klassenzimmer in Benützung waren.
Schulausstattung
Das Schulgebäude wurde auf drei nebeneinander liegenden Baustellen erbaut und bestand aus einem dreistöckigen, dreifachen Gassentrakt mit insgesamt 25 Lehrzimmern, sechs Direktionslokalen, zwei Oberlehrerwohnungen und einer Schuldienerwohnung. Die Schulleiterwohnung war den Vorschriften entsprechend von den Schullokalen isoliert. Ferner befanden sich in einem einstöckigen Hofseitentrakt zwei Turnsäle (jeweils für die Knaben und die Mädchen) sowie die dazugehörigen Garderoben. Der Knabenturnsaal wurde darüber hinaus in den Wintermonaten zur Ausspeisung armer Kinder benützt. Einen Sommerturnplatz besaß die Schule nicht, weswegen auf den Schulhof zurückgegriffen wurde.
Das Schulhaus war hauptsächlich für die Kinder der in der Wienerberger Ziegelfabrik beschäftigten und wohnenden böhmischen Arbeiter, deren Zuzug gerade durch den Bau der Ringstraße angetrieben wurde, bestimmt. Die Eröffnung einer neuen Schule stellte somit eine Entlastung für die anderen Schulen des 10. Bezirks dar.
Erster Weltkrieg
Der Erste Weltkrieg wirkte sich wie an vielen anderen Schulen auch auf die Mitbenützung der Räumlichkeiten durch andere Schulen, Organisationen und sonstige kriegsbedingte Einrichtungen aus. Zwei Lehrzimmer der Mädchenvolksschule wurden beispielsweise von Beginn des Kalenderjahres 1915 bis Ostern für den Vorbereitungsunterricht zur österlichen Beichte und Kommunion benützt. Im zweiten Kriegsjahr 1915/1916 kam außerdem der städtische Knabenhort in den Räumlichkeiten der Knabenvolksschule unter. Der Mädchenturnsaal wurde außerdem von den Knaben der Leibnizgasse 33 sowie von der Doppelvolksschule vom Hebbelplatz 1-2, die in der Leibnizgasse untergebracht war, mitbenützt.
Die Veränderungen des Lehrkörpers durch die Kriegssituation lassen sich ebenfalls leicht herauslesen. Von den 14 männlichen Lehrern der Knabenschule waren bereits im zweiten Kriegsjahr neun eingezogen worden, die durch sechs weibliche Lehrerinnen ersetzt werden sollten. Im Laufe des Krieges stieg die Zahl der eingezogenen Lehrer an.
Zwischenkriegszeit: Tschechische Schule
Ab 1920/1921 befand sich in der Leibnizgasse 33 eine Volksschule für Knaben und Mädchen mit tschechischer Unterrichtssprache. Als provisorischer Leiter wurde Karl Salawa bestellt. Es gab zwei Knabenklassen, zwei Mädchenklassen sowie eine gemischte Klasse. Insgesamt waren 134 Schüler und 157 Schülerinnen eingeschrieben. Zeitweise war die tschechische Schule in der Laaer Straße 1 untergebracht, von wo aus sie im Jahr 1934/1945 wieder in die Leibnizgasse 33 umsiedelte. In den 1920er Jahren wurde auch die Mitbenützung der Räumlichkeiten von tschechischen Organisationen angegeben. So wurde beispielsweise der Turnsaal von einem tschechischen Arbeiterturnverein "Lasalle" im Jahr 1922/1923 benützt. Die tschechische Schule existierte bis 1938/1939.
NS-Zeit und Zweiter Weltkrieg
Während des Zweiten Weltkriegs blieb das eigene Schulgebäude in der Leibnizgasse 33 von den Bombenangriffen verschont. Nichtsdestotrotz hatten die Kriegsereignisse vorerst die Mitbenützung der eigenen Räumlichkeiten durch zahlreiche nationalsozialistische Vereinigungen, dann schlussendlich eine Unterbringung an anderen Schulen zur Folge. Im Schuljahr 1939/1940 belegten beispielsweise die Hitlerjugend, der NSDAP-Kreis IV, die Nationalsozialistische Frauenschaft sowie die NSV-Kindergruppe den Turnsaal und weitere Klassenzimmer.
Bereits im darauffolgenden Jahr musste die Knabenvolksschule dann in die Alxingergasse 82 umsiedeln, während die Mädchen der Leibnizgasse 33 in der Mädchenvolksschule Herzgasse 87 unterkamen. Das eigene Gebäude in der Leibnizgasse 33 wurde nämlich vom Militär belegt und in zwei Räumen befanden sich außerdem zwei Kartenstellen (Nummer 74 und 75, beziehungsweise später Nummer 72 und im Jahr 1944/1945 dann Nummer 73) zur Vergabe von Lebensmittelkarten. Im folgenden Schuljahr 1942/1943 musste die Mädchenvolksschule dann an der Mädchenvolksschule am Keplerplatz 7 untergebracht werden.
Bedingt durch die Abwanderung der Bevölkerung wegen der Bombengefahr, aber vermutlich auch aufgrund der zahlreichen Umsiedlungen sank die Zahl der Schulkinder in beiden Schulen auf weniger als ein Drittel, sodass im Jahr 1944/1945 nur noch 199 Schüler und 152 Schülerinnen die Volksschulen besuchten.
Zweite Hälfte 20. Jahrhundert
Nach dem Schulgesetzwerk von 1962, mit dem die Einführung der neunjährigen Schulpflicht und die Schaffung des Polytechnischen Lehrgangs erfolgte, kam es auch in der Leibnizgasse 33 zu Veränderungen. Die Knabenhauptschule (frühere Bürgerschule vor dem Hauptschulgesetz 1927) aus der Pernerstorfergasse 30-32 zogen in die Knabenabteilung der Leibnizgasse 33. Die Mädchenhauptschule (ebenfalls frühere Bürgerschule) aus der Erlachgasse 91 wurde mit ihrem Einzug in die Leibnizgasse 33 zur Volksschule.
Auch wenn sich bereits ab Mitte der 1970er Jahren das Prinzip der Koedukation (gemeinsame Erziehung von Knaben und Mädchen) durchsetzte, dauerte es bis ins Jahr 2001, um die beiden bis dato als gemischt geführte Schulen in der Leibnizgasse 33 zu einer gemeinsamen Schule zusammenzufassen.
Gegenwart
Heute wird die MS Leibnizgasse 33 von über 430 Schülerinnen und Schülern besucht, welche sich auf 19 Klassen aufteilen und von rund 45 Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet werden. Die Schule legt einen wirtschaftlich-mathematischen Schwerpunkt. So wird ab der ersten Klassen Informatik gelehrt. Außerdem wird eine enge Zusammenarbeit mit den Schulen des Bildungsinstituts BFI sowie mit dem Österreichischen Gewerbeverein gepflegt.
Entsprechend den Schwerpunkten an der MS Leibnizgasse 33 existieren Sonderunterrichtsräume wie etwa ein Physiksaal, ein Raum für textiles Werken, zwei Werkstätten und zwei Informatiksäle.
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, A9/1 - Standesausweise: Öffentliche Schulen 1916-1945
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, B4 - Standesausweise 1876-1915
- Verwaltungsbericht der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien in den Jahren 1889-1893. Bericht des Bürgermeisters Dr. Raimund Grübl. Wien: Wilhelm Braumüller, k. u. k. Hof- und Universitäts-Buchhändler 1895
- Handbuch der Stadt Wien 2002. 116. Jahrgang (amtlich redigiert). Wien: Jugend & Volk [2002]