Nikolaus Lenau
Nikolaus Lenau (Pseudonym für Nikolaus Franz Niembsch von Strehlenau), * 13. August 1802 Csatád (Ungarn, heute Rumänien), † 22. August 1850 Oberdöbling, Schriftsteller.
Biografie
Lenau wuchs in Ungarn auf: Der Vater war Beamter, genau genommen „Rentamtsschreiber“, also in der Finanzverwaltung tätig, in der „königlichen Cameralherrschaft“ in der kleinen Ortschaft Csatád. Aus gesundheitlichen Gründen musste er seinen Dienst aufgeben, die Niembschs übersiedelten nach Budapest zur Familie der Mutter, wo der Vater 1807 verstarb. Die Mutter heiratete 1817 erneut, Lenau verbrachte daher zwei Jahre in Tokay. Nach dem Schulabschluss bestand der Großvater darauf, dass Lenau seine Ausbildung in der Reichshauptstadt fortsetzt. (Der Großvater Joseph Niembsch war es auch, der als Militärbeamter in Stockerau als „Edler von Strehlenau“ in den Adelsstand erhoben worden war.)
Lenau begann in Wien, Jus (ungarisches Recht) zu studieren, er war – in Familientradition – für die Beamtenlaufbahn auserkoren. Nach dem Tod des Großvaters 1822 gab er das wenig geliebte Studium auf und begann eine landwirtschaftliche Ausbildung an der Ackerbauschule in Ungarisch-Altenburg (Mosonmagyaróvár). Nach einem Jahr kehrte er allerdings wieder nach Wien und zur Rechtswissenschaft, diesmal zur „deutschen“, zurück, die Mutter begleitete ihn. Zu dieser Zeit begann er zu schreiben und bald das Studium zu vernachlässigen, er suchte in Kaffeehäusern wie dem Silbernen Kaffeehaus Anschluss an Dichterkreise. Sein bekanntester zeitgenössischer Dichterfreund in Wien war zweifelsohne Anastasius Grün. 1826 bis 1830 studierte er Medizin, bevor er die universitäre Ausbildung endgültig aufgab und vom Erbe der Großeltern lebte.
Inzwischen war der Schriftsteller Anton Schurz, der 1821 Lenaus Schwester Therese geheiratet hatte, zu einem wichtigen Bezugspunkt geworden. (Schurz war es auch, der das Nachleben Lenaus mit seinem 1855 erschienenen zweibändigen Werk „Lenau’s Leben“ stark beeinflusste.) Mit seinem Schwager unternahm er immer wieder Reisen, die auch der Vernetzung mit anderen Literaten dienten – etwa mit der Schwäbischen Dichterschule um Gustav Schwab. Eine Zeit lang lebte Lenau in Stuttgart und Heidelberg, bevor er 1832 für ein knappes Jahr nach Amerika aufbrach. Lenau versprach sich von der Neuen Welt wohl auch ökonomische Fortüne, er kaufte sich in Pennsylvania ein großes Waldstück, das landwirtschaftlich genutzt werden sollte und das er verpachtete. Der Roman „Der Amerika-Müde“ (1855) von Ferdinand Kürnberger stilisiert diesen Amerika-Aufenthalt.
Nach der Rückkehr nach Europa lebte Lenau abwechselnd in Stuttgart und Wien. In Wien pflegte er neben Anastasius Grün Austausch mit Schriftstellern wie Friedrich Halm, Ernst von Feuchtersleben, Eduard von Bauernfeld, Ludwig August Frankl oder Franz Grillparzer. In Wien lernte er 1834 Sophie von Löwenthal kennen, die mit ihrem Mann, einem hohen Ministerialbeamten, einen literarischen Salon betrieb. Über zehn Jahre lang bestand eine wechselvolle Beziehung zwischen Lenau und Löwenthal, die sich in einem ausführlichen Briefwechsel, den 1906 der Wiener Germanist Eduard Castle im Rahmen seiner Lenau-Gesamtausgabe publizierte, niederschlug. (Die Wienbibliothek im Rathaus erwarb 2024 die Originaldokumente.)
1844 brach bei Lenau eine schwerwiegende Geisteskrankheit aus. Die These, dass Lenaus „unerfüllte“ und „tragische“ Liebe zu Sophie von Löwenthal an seiner geistigen Zerrüttung mitschuldig war, hielt sich nachhaltig.[1] Es spricht einiges dafür, dass die Symptome seiner Geisteskrankheit mit einer Syphilis-Erkrankung zusammenhängt.[2] Er wurde in Stuttgart in eine Heilanstalt eingewiesen, 1847 wurde er nach Wien in das Sanatorium Görgen überführt, wo er 1850 verstarb.
Dichterisches Schaffen
Lenaus erste Veröffentlichung war 1827 das Gedicht „Jugendträume“ in dem Jahrbuch „Aurora“ seines Freundes Johann Gabriel Seidl. Erst 1830 folgte die zweite Publikation, ein Gedicht in der „Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode“. Dass Lenau zu einem der bekanntesten und meistgelesenen Dichter seiner Zeit werden konnte, verdankt er den Veröffentlichungen in einem der damals führenden Verlagsunternehmen im deutschsprachigen Raum, der Cotta’schen Verlagsbuchhandlung. 1831 führte Lenaus erster Aufenthalt in Stuttgart zu einer Gedichtpublikation („Der Gefangene“) im „Morgenblatt für gebildete Stände“, womit sein Entree in den Literaturbetrieb fixiert war: Noch während dieses Aufenthalts schloss er mit Cotta einen Vertrag für die Buchausgabe seiner Gedichte ab, die Ausgabe erschien 1832. Bei Cotta wurden in der Folge seine wichtigsten Werke verlegt: „Faust. Ein Gedicht“ (1836); „Savonarola. Ein Gedicht“ (1837); „Die Albigenser. Freie Dichtungen“ (1842).
Lenau wird gerne als „Dichter des Weltschmerzes“ oder Melancholiker sowie „Gedanken- und Naturlyriker“ bezeichnet (vgl. Heinecke, S. 22). Er stellt zweifelsohne einen der sprachmächtigsten, wichtigsten Lyriker Österreichs im 19. Jahrhundert dar, wobei sein Werk natürlich nicht auf seine Naturlyrik zu beschränken, sondern etwa auch seine politische Dichtung zu berücksichtigen ist. Sein Einfluss war weitreichend, sein Werk fand vielerlei Weiterbearbeitungen. So legte etwa Richard Strauss seiner Tondichtung „Don Juan“ (1888) Lenaus gleichnamiges „dramatisches Gedicht“ zugrunde.
Wiener Lenau-Gedenkstätten
Lenaus kleiner ungarischer Geburtsort Csatád, 1920 an Rumänien gefallen, wurde 1926 in „Lenauheim“ umbenannt, die Mehrzahl der Bewohner*innen war deutschsprachig. Lenau wurde am Döblinger Ortsfriedhof bestattet und 1917 in ein Ehrengrab auf dem Friedhof Weidling bei Klosterneuburg umgebettet. In Wien war die erste Initiative des öffentlichen Gedenkens an Lenau die Umbenennung der Josefstädter Johannesgasse in Lenaugasse im Jahre 1862. 1892 wurde am Schillerplatz das Lenaudenkmal eingeweiht, ausführender Bildhauer war Karl Schwerzek. Von seinen zahlreichen Wiener Wohnadressen sind 18 überliefert (Lenau-Wohnungen), so wohnte Lenau wiederholt bei seiner Schwester im Schwarzspanierhaus (Schwarzpanierstraße 15), dem Sterbehaus Beethovens und Weiningers. Ein Porträtmedaillon Lenaus (links, rechts Beethoven) ist über dem Eingang angebracht.
Werke
- Nikolaus Lenau: Gedichte. Stuttgart: J. G. Cotta’sche Buchhandlung 1832
- Nikolaus Lenau: Faust. Ein Gedicht. Stuttgart: J. G. Cotta’sche Buchhandlung 1836
- Nikolaus Lenau: Savonarola. Ein Gedicht. Stuttgart: J. G. Cotta’sche Buchhandlung 1837
- Nikolaus Lenau: Die Albigenser. Freie Dichtungen. Stuttgart: J. G. Cotta’sche Buchhandlung 1842
- Karl Mayer (Hg.): Nicolaus Lenau’s Briefe an einen Freund. Stuttgart: Mäcken 1853
- Eduard Castle (Hg.): Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe (6 Bde). Leipzig: Insel 1910–1923
- Werner Freudel (Hg.): Nikolaus Lenau: Ausgewählte Dichtungen. Leipzig: Reclam 1982
- Nikolaus Lenau: Werke und Briefe. Historisch-kritische Gesamtausgabe (7 Bde). Wien: Deuticke 1990–2004
Quellen
- Wienbibliothek Digital: Nikolaus Lenau
- Wienbibliothek im Rathaus: Sammlung Nikolaus Lenau - Anton Schurz
- Wienbibliothek im Rathaus: Sammlung Nikolaus Lenau - Sophie von Löwenthal
Literatur
- Anja Schonlau: Syphilis in der Literatur. Über Ästhetik, Moral, Genie und Medizin (1880–2000). Würzburg: Königshausen & Neumann 2005, S. 140–153
- Michael Ritter: Zeit des Herbstes. Nikolaus Lenau. Wien: Deuticke 2002
- Gudrun Heinecke (Hg.): Nikolaus Lenau heute gelesen. Wien: Braumüller 2000
- Norbert Otto Eke, Karl Jürgen Skrodzki: Lenau-Chronik 1802–1851. Wien: Deuticke 1992
- Renate Wagner: „… ist’s Entsagung nur und Trauer …“. Sophie von Löwentahl (Reihe „Die Österreicherin“, 119). In: Volksblatt-Magazin, 15.9.1989, S. 2–3
- Eduard Castle (Hg.): Lenau und die Familie Löwenthal. Briefe und Gespräche, Gedichte und Entwürfe. 2 Bände. Leipzig: Hesse 1906
Nikolaus Lenau im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.