Stadtentwicklungsplan 1984
Kontext
Durch Suburbanisierung, Deindustrialisierung und Geburtenknick verursachte grundlegende Veränderungen der Stadtentwicklung sorgten ab den späten 1970er Jahren für Debatten nach dem Konzept von Roland Rainer aus dem Jahr 1961 ein neues räumliches Leitbild zu erarbeiten. Er sollte konzeptionelle Leitlinien für die Stadtplanung der 1980er und 1990er Jahre beinhalten. Im Jahr 1977 beauftragte Bürgermeister Leopold Gratz die Geschäftsgruppe Stadtplanung im Magistrat der Stadt Wien mit der Ausarbeitung eines Stadtentwicklungsplans der federführend von der Magistratsabteilung 18 - Stadtentwicklung und Stadtplanung erarbeitet wurde. Als zu behandelnde Themenblöcke wurden definiert: Überörtliche Raumordnung, Bevölkerung, Wirtschaft und Finanzen, Wohnungswesen, Arbeitsmarkt, Verkehr, Technische Dienstleistungen, Sozial- und Gesundheitswesen, Stadterneuerung und Bodenordnung, Bildung, Natürliche Lebensgrundlagen, Grünraum, Freizeit und Erholung, Siedlungsstruktur. Auf Basis umfangreicher Vorarbeiten, die in den Planungsatlas von Wien einflossen, führte dies unter der Ägide des Raumplaners Stadtrat Rudolf Wurzer zur Veröffentlichung des Stadtentwicklungsplans 1984 (STEP 1984).
Inhalte
Der STEP 1984 orientierte sich an den Prinzipien "Verteilungsgerechtigkeit", "sozialer Ausgleich", "Umweltschutz".
In Abkehr von den streng funktionalistischen Konzepten der Vergangenheit stand der STEP 1984 ganz im Zeichen der "Stadterneuerung". Er betont die Erhaltung des historisch gewachsenen Stadtkörpers durch kleinräumige Reintegration verschiedener Funktionen im dichtverbauten Gebiet, um die stadtgestalterische Geschlossenheit zu erhalten. Der Hinwendung zur Stadterhaltung dient der Schutz kulturhistorisch wertvoller Gebäude und städtebaulicher Ensembles. Eine Auflockerung der dichtverbauten Gebiete soll durch Verringerung der Gebäudehöhe, des Bebauungsgrades und Schaffung von mehr Grünflächen erzielt werden.
Die Teile des STEP 1984 die sich mit der Stadterweiterung befassen, tragen die Handschrift des Planers Wilhelm Kainrath. In Abkehr vom radial-konzentrischen Wachstumsmodell wird eine Aufwertung der Stadtrandbezirke durch axiale Entwicklung mit Grünkeilen anvisiert. Die Stadterweiterung ist auf das notwendigste zu beschränken und ohne Ausweitung des Autoverkehrs und Zersiedlung der Landschaft in und um Wien durchzuführen. Das Schwergewicht der Siedlungsentwicklung in den äußeren Randgebieten wird vor allem in Form von „Siedlungsachsen“ angestrebt. In diesen Zonen ist eine Durchmischung mit wichtigen städtischen Daseinsfunktionen und die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel (=bandförmige Siedlungsstrukturen) erforderlich.
Eine Fortsetzung der Randwanderung der Bevölkerung wird erwartet. Der Ausbau der Haupt- und Bezirkszentren soll im polyzentrischen Sinn erfolgen. Die Hauptzentren sind an höherrangige öffentliche Verkehrsmittel (U-Bahn, S-Bahn) anzubinden. Siedlungsgebiete die nicht im Kernbereich von Siedlungsachsen liegen sollen nicht auf Kosten der Grünkeile ausgedehnt werden. Großflächige Betriebe sollen in Betriebsgebieten nahe von Siedlungsachsen angesiedelt und umgesiedelt werden.
Im Sinn der Grünbewegung wird keine Ausweitung der Bebauung des Naherholungsgebietes „Wienerwald“, der Donaulandschaft mit Alter Donau, Prater, Lobau angestrebt. Angrenzende Grünflächen sind von jeder Besiedlung freizuhalten.[1]
Vom STEP 1984 zum STEP 1994
Auf Grund der grundlegenden Veränderungen der geopolitischen Lage nach dem Fall des "Eisernen Vorhangs" 1989 und der Anbahnung der Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union erfolgte die Erarbeitung des Stadtentwicklungsplans 1994 in Nachfolge des STEP 1984 unter erheblich geänderten Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung.
Weblinks
Literatur:
- der aufbau 2/3 1982
- Peter Eigner / Andreas Resch: Die wirtschaftliche Entwicklung Wiens im 20. Jahrhundert, in: Franz X. Eder / Peter Eigner / Andreas Resch / Andreas Weigl (Hg.): Wien im 20. Jahrhundert. Wirtschaft, Bevölkerung, Konsum. Querschnitte 12, Innsbruck / Wien / München / Bozen: StudienVerlag 2003, S. 8-140.
- Georg Kotyza: Die Entstehung des Stadtentwicklungsplanes 1977 bis 1981, in: Der Aufbau 37 (1982), S. 113-115.
- Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 18: Stadtentwicklungsplan Wien. Wien 1985
- Siegfried Mattl: Wien im 20. Jahrhundert. Geschichte Wiens VI. Wien: Pichler Verlag 2000
- Gerhard Meißl: Ökonomie und Urbanität. Zur wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Entwicklung Wiens im 20. Jahrhundert und zu Beginn des 21. Jahrhunderts. In: Peter Csendes/Ferdinand Opll [Hg.]: Wien. Geschichte einer Stadt. Band 3. Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2006, S. 651-737
Einzelnachweise:
- ↑ Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 18, Stadtentwicklungsplan Wien. Wien 1985, S. 51-54.