Straßentafeln (Stadt und Vorstädte)
Regelung bis Mitte 19. Jahrhundert
Im Mittelalter und bis weit in die Neuzeit erfolgte die Orientierung ausschließlich nach Hausschildern; es gab weder Hausnummern noch Straßentafeln; 1701 wurde das erste Häuserverzeichnis gedruckt (Häuserschematismen). Als die Vielzahl kleiner Gässchen nicht nur die Orientierung für Einheimische und Fremde sowie die Briefzustellung (Kleine Post) erschwerte, sondern auch die militärische Konskription behinderte, wurde am 10. März 1770 die Häusernummerierung sowie auf Anordnung Josephs II. von 4. Februar 1782 beziehungsweise Dekret der Niederösterreichischen Regierung von 9. September 1782 die Beschriftung der Straßen, Gassen und Plätze, beginnend in den Vorstädten angeordnet: die Namen waren am Anfang und am Ende der Verkehrsfläche schwarz an die Mauer zu schreiben (wie dies auch bei den Hausnummern vorgesehen war). Die mit Dekret von 25. Oktober 1783 erfolgende Erneuerung der Anordnung galt auch für die Stadt selbst. Die Anbringung der Aufschrift an den Hauswänden wurde noch in der allerhöchsten Entscheidung vom 12. Oktober 1827 (Hofkanzleidekret von 15. Oktober 1827, Dekret der Niederösterreichischen Regierung vom 20. Oktober 1827) aufrechterhalten, allerdings mit der zusätzlichen Vorschrift, dass auch der Name der Vorstadt anzubringen war.
Regelung 1850/1862
Die Eingemeindung der Vorstädte (Gesetz vom 6. März 1850) machte eine Änderung erforderlich, weil die Stadt nunmehr in Bezirke gegliedert war. Am 3. April 1860 beschloß der Gemeinderat die gassenweise Nummerierung der Häuser; die gleichzeitig beschlossenen allgemeinen Richtlinien wurden am 16. Oktober 1861 durch Benennungsgrundsätze ergänzt. Am 11. August 1860 genehmigte die Niederösterreichische Statthalterei einen Antrag des Magistrats, betreffend die Häusernummerierung, wobei gleichzeitig angeordnet wurde, dass auf diesen neben dem Namen der Straße oder des Platzes und der Hausnummer auch der Gemeindebezirk anzugeben sei; dasselbe galt nun auch für die Straßentafeln. Mit Gemeinderats-Beschluss vom 2. Mai 1862 wurde für die Straßentafeln eine bestimmte Form vorgeschrieben (in Längsgassen rechteckig, in Quergassen oval); die Tafeln waren aus Zinkguß und wurden weiß lackiert, die Beschriftung erfolgte in Fraktur (wobei merkwürdigerweise das Wort Gasse beziehungsweise Straße oder Platz ohne Bindestrich angefügt wurde [beispielsweise Bogner Gasse]), in den Gassen schwarz, auf den Plätzen rot (mit roter Umrandung). Außerdem erhielten die Tafeln in den Bezirken verschiedenfarbige Umrandungen: zweiter Bezirk violett, dritter Bezirk grün, vierter Bezirk rosa, fünfter Bezirk schwarz, sechster Bezirk gelb, siebter Bezirk blau, achter Bezirk grau, neunter Bezirk braun. Den Auftrag erhielt die Eisen- und Metallgießerei Michael Winkler (6., Millergasse 42-44); Winkler hatte das System der Häusernummerierung nach dem noch heute gültigen System erdacht (Übergang von der Conscriptions-Nummer [C.-Nummer] zur Orientierungsnummer [O.-Nummer]; außerdem wurde ab 1874 [Neuanlage der Grundbücher] eine Grundbuchs-Einlagezahl [E.Z.] vergeben) und gab 1862/1863 auch ein „Orientierungsschema" samt „Orientierungs-Plänen" heraus (Häuserschematismen, Stadtpläne).
Regelung 1907
Mit Stadtrats-Beschluss vom 19. Juni 1907 kam es einerseits zu neuen Bestimmungen hinsichtlich der Schreibweise der Verkehrsflächennamen, andererseits beschäftigte man sich auch mit den Straßentafeln; sie sollten zwar weiterhin in Zinkguss hergestellt werden, doch hielt man in „mehr oder weniger entrückten Bezirkteilen" Zinkblech für ausreichend; an der Frakturschrift wurde festgehalten.
Regelung 1923/1926
Am 19. September 1923 beschloss der Gemeinderatsausschuss für Kultur eine Änderung im Aussehen der Stadttafeln; sie waren nunmehr einheitlich länglich-viereckig, blau emailliert mit weißer Schrift in lateinischen Schriftzeichen und weißer Umrandung. Am 11. Februar 1926 entschloss man sich jedoch, im Sinne der ursprünglichen Unterscheidung die Stadttafeln der Querstraßen an den Enden halbkreisförmig abzurunden. Eine Eingabe des „Deutschen Schriftvereins Wien" (einer Ortsgruppe des „Deutschen Schulvereins Südmark"), man möge „den deutschen Charakter der Stadt Wien durch die Schrift zum Ausdruck bringen" und wieder zur Frakturschrift zurückkehren, wurde vom Magistrat abgelehnt (wobei auch auf die Interessen des Fremdenverkehrs verwiesen wurde).
NS-Zeit
Ein Zurückgehen auf die Frakturschrift wurde nach dem "Anschluss" Österreichs (1938) sogleich erwogen, doch kam es infolge des Zweiten Weltkriegs zu keiner Realisierung; lediglich von der Unterscheidung der Quergassen ging man am 8. Mai 1944 wieder ab.
Nomenklatur 1981
Historische Tafeln
Seit den 80er Jahren werden ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung in Altstadtensembles Stadttafeln in der Ausführung von 1862 in Imitation (Plastik) angebracht.
Zusatztafeln ab 1993
Obwohl schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bei Neubennenungen Texte für Erläuterungstafeln beschlossen wurden, kamen solche nicht in Anwendung; nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ausnahmsweise eine Erläuterungstafel am Dr.-Karl-Renner-Ring angebracht. Durch Bürgermeister Helmut Zilk wurde die Frage 1989 aktualisiert; nach mehrjährigen Vorbereitungen wurden am 16. September 1993 die ersten drei Straßen-Zusatztafeln enthüllt (2., Engerthstraße-Machstraße-Kafkastraße), die der Erläuterung der Namen von Straßen, Gassen und Plätzen dienen; die Beziehung der Bevölkerung zu ihrem unmittelbaren Lebensbereich soll damit vertieft, das Interesse an der historischen Entwicklung gefördert werden.
Siehe auch: Kommission zur Prüfung der Wiener Straßennamen.
Literatur
- Hertha Wohlrab, Felix Czeike: Die Wiener Häusernummern und Straßennamen. Ein Beitrag zu ihrer historischen Entwicklung. In:
Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 27 (1972), 333 ff.