Das heute neutral Regierungsgebäude genannte Gebäude (1. Bezirk, Stubenring 1) wurde 1909-1913 für das Reichskriegsministerium errichtet. Dieses wurde ab 1911 auf ungarischen Wunsch k.u.k. Kriegsministerium genannt. Zuvor hatte sich das Ministerium im historischen Hofkriegsratsgebäude Am Hof 2 befunden.
Bauwerk
1907 wurde ein Architekturwettbewerb zur Erlangung eines Bauplanes ausgeschrieben, an welchem sich insgesamt 16 Architekten mit Eingaben von Entwürfen beteiligten. Unter ihnen befanden sich Otto Wagner (Projekt "Pallas"), Adolf Loos, (Projekt "Homo"), Max von Ferstel (Projekt "Eugenio von Savoy") sowie ein Projekt von Leopold Bauer. Den ersten Preis erhielt jedoch Ludwig Baumann mit seinem Entwurf "Maria Theresia". Baumann stand in der besonderen Gunst des Thronfolgers Franz Ferdinand von Österreich-Este, der vom Kaiser beauftragt wurde, sich des Vorhabens der Errichtung eines neuen Kriegsministeriums anzunehmen und der sich somit auch massiv in gestalterische Fragen einmischte. Der 200 m lange Bau ist eines der größten Amtsgebäude Wiens (9632 Quadratmeter Grundfläche, rund 1000 Räume) Die Baukosten betrugen ohne Baugrund exakt 12.726.000 Kronen. Beim Bau waren 238 Firmen beschäftigt. Schon vor der Fertigstellung wurde das Gebäude vernichtender Kritik unterzogen, die sich besonders auf die mangelhafte Gliederung der Front bezog. Andererseits sah sich die Militärbauleitung mit einer Fülle von Sonderwünschen konfrontiert, wonach die Wiederverwendung von Türen, Öfen, Wandtäfelungen und anderem Mobiliar aus dem alten Ministerium im neuen Gebäude erbeten wurde. Mit Ausnahme von vier besonders schön ausgestatteten Räumen, die auf „hohen Auftrag“ im neuen Ministerium kopiert bzw. wiedereingerichtet wurden, wurde diesen Wünschen nicht weiter nachgegangen.
Künstlerische Ausstattung
An der künstlerischen Ausstattung des Gebäudes waren Hans Bitterlich (Reliefs der Plastiken der Giebelfelder „Kampf und „Sieg") und Emanuel Pendl (Adler mit Trophäen als Bekrönung des Dachgeschosses, in Kupfer getrieben) beteiligt. Eine Besonderheit bilden die Soldatenköpfe rund um das Gebäude. Es handelt sich dabei um sogenannte Schlusssteinköpfe, die von Wilhelm Hejda ausgeführt wurden. Die Soldatenköpfe sollten die Vielfalt der Uniformen der Armee in ihrer ruhmreichen Zeit darstellen. Obwohl ursprünglich nur 23 Köpfe ausgeschrieben wurden, zierten nach Vollendung 48 Köpfe die Fassade. Da vom Künstler nur 23 auftragsgemäß geschaffen wurden, mussten einige der Köpfe zwei- bzw. sogar dreifach ausgeführt werden. Die Köpfe zeichnen sich durch besonders ausgeprägte Mimik aus. Der Künstler scheute sich dabei nicht, auch tote, verwundete, schreiende oder schmerzverzerrte Gesichter darzustellen.
Auf Wunsch von Franz Ferdinand wurde in der Mitte des Gebäudes ein 40 Tonnen schwerer bronzener Doppeladler mit einer Spannweite von 16 m aufgesetzt, wofür eigens eine Attikazone geschaffen werden musste. Auf dem Doppeladler befand sich angeblich eine überdimensionale Nachbildung der Kaiserkrone; von ihr existieren keine Fotos, außerdem hätte nach den staatsrechtlichen Bestimmungen der Bauzeit die ungarische Königskrone gleichwertig mit der österreichischen Kaiserkrone angebracht werden müssen. Auf der Rückfront des Gebäudes (zum Wienfluss) wurde der Schriftzug "Si vis pacem para bellum" ("Wenn Du den Frieden willst, so rüste zum Krieg") angebracht; die Inschrift wurde nach 1945 entfernt.
Mit der feierlichen Schlusssteinlegung in Gegenwart des Kaisers fand am 8. Juni 1913 die Einweihung des Kriegsministeriums statt. Ludwig Baumann schuf mit dem Kriegsministerialgebäude das modernste Gebäude seiner Zeit.
Technik
Radio, Telefon und Telegraf entwickelten sich in Zeiten latenter Kriegsgefahr als wichtige Kommunikationsmittel für die Armee. Beim Bau des Kriegsministeriums wurde darauf Rücksicht genommen. Die Telefonanlage wurde nach Vorgaben der Bauleitung von der Firma Siemens & Halske ausgeführt. Nachträglich angeordnet wurde die Errichtung einer Radiotelegraphieanlage. Die Notwendigkeit ergab sich schon daraus, dass von hier aus nicht nur die Landstreitkräfte geführt wurden, sondern auch die Kriegsmarine. Unter dem Putz sämtlicher Außenfassaden wurde ein dichtes Netz von Siliziumbronzedrähten gespannt. Dieses System dürfte problemlos funktioniert haben, da die Verbindung zu allen Kriegsschiffen anstandslos aufrechterhalten werden konnte. Vom 25. November 1918 bis 1. Februar 1919 war der Sender im Kriegsministerium der einzige betriebsbereite Telegrafiesender in Österreich.
Vor den Neubau wurde auf den Stubenring das Radetzkydenkmal gesetzt, das 1912 vom Platz Am Hof hierher transferiert wurde; zu beiden Seiten wurden die Ministerienbrunnen errichtet.
Nachnutzung
In einem unbenutzten Raum des ehemaligen Kriegsministeriums führte ab 1920 Oskar Czeija auf Einladung von General Otto Redlich von Redensbruck erste Versuche zum Betrieb eines Radiosenders durch. 1924 - 1926 befand sich hier die Radio-Verkehrs-AG (RAVAG). In der Ersten Republik war im Gebäude das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Verkehr untergebracht. Das Regierungsgebäude war auch der Ort, an dem am 25. Juli 1934 die Minister des Kabinetts Dollfuß zusammenkamen, nachdem das Bundeskanzleramt von NS-Putschisten gestürmt worden war. Hier erfuhr Kurt von Schuschnigg telefonisch von Bundespräsident Wilhelm Miklas seine Ernennung zum Bundeskanzler und von hier aus koordinierte die Ständestaatsdiktatur die Niederschlagung des NS-Putsches in Österreich.
1936 befand sich der Sitz dreier Ministerien im Gebäude: des Landwirtschaftsministeriums, des Ministeriums für Handel und Verkehr und des Landesverteidigungsministeriums.
Nach dem "Anschluss" 1938 wurde dass ehemalige Kriegsministerium Sitz des Wehrkreiskommandos XVII und auch von diversen Wehrmachtsgerichten genutzt (Gericht des XVII. Armeekorps, Gericht der Division 177, der Oberstkriegsgerichtsrat des Dienstaufsichtsbezirks 4). Die zentrale Dienstaufsicht über die Militärgerichte der Wehrkreise XVII und XVIII hatte hier ihren Sitz. Am 20. Juli 1944 wurden hier die wichtigsten NSDAP-, Gestapoleitstelle Wien- und SS-Führer im Zuge der "Operation Walküre" vorübergehend festgesetzt.
1945 wurde das Gebäude schwer beschädigt. Gleich nach dem Krieg wurde das Objekt dem Bundesheer für das Verteidigungsministerium angeboten. Angeblich war es für die Bedürfnisse des Bundesheeres zu groß, daher wurde die Übernahme abgelehnt. Nach der Wiederherstellung "Regierungsgebäude" benannt, nahm das Gebäude (Bezug ab 22. Oktober 1951) die Bundesministerien für Arbeit und Soziales, Land- und Forstwirtschaft, Bauten und Technik, Handel, Gewerbe und Industrie sowie Gesundheit und Umweltschutz auf.
Heute befinden sich hier folgende Ministerien:
- Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW)
- Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK)
- Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW)
- Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT)
Literatur
- Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer. Band 3/1: Wien. 1. - 12. Bezirk. Salzburg: Residenz-Verlag 1990, S. 24
- Eugen Ceipek: Der Wiederaufbau des Regierungsgebäudes in Wien. In: Der Aufbau 9 (1954), S. 533 f.
- Mathias Lichtenwagner: Leerstellen. Zur Topografie der Wehrmachtsjustiz in Wien vor und nach 1945. Wien: Mandelbaum 2012.
- Neue Freie Presse, 12.03.1909
- Emerich Schaffran: Wien. Ein Wegweiser durch seine Kunststätten. Wien : Steyrermühl [1930], S. 58, S. 146
- Justus Schmidt / Hans Tietze: Dehio Wien. Wien: A. Schroll 1954 (Bundesdenkmalamt: Die Kunstdenkmäler Österreichs), S. 79
- Rolf M. Urrisk-Obertyński: Wien - 2000 Jahre Garnisonsstadt, Band 3 Innere Stadt, Weishaupt-Verlag, Graz 2012, S. 326 ff.
- Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Wiener Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. Band 1: Das Kunstwerk im Bild. Wiesbaden: Steiner 1969, S. 187
- Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Wiener Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. Band 4: Alois Kieslinger: Die Steine der Wiener Ringstraße. Ihre technische und künstlerische Bedeutung . Wiesbaden: Steiner 1972, S. 325 ff.
- Burkhardt Rukschcio / Roland Schachel: Adolf Loos. Leben und Werk. Salzburg: Residenz Verlag 1987, S. 654 ff.