Siemens & Halske
Die Anfänge des Unternehmens: 1858-1864
Im Jahr 1847 wurde das Unternehmen Siemens & Halske in Berlin von Ernst Werner von Siemens (1816-1892) und Johann Georg Halske (1814-1890) als multinationales Unternehmen gegründet, welches vor allem im Telegraphengeschäft verankert war (Firmenname: Siemens & Halske. Erste deutsche Telegrafenbauanstalt). 1858 eröffnete Siemens & Halske in der Vorstadt Erdberg in der Kirchengasse 45-46 (heute Apostelgasse 12) ein kleines Büro und eine Werkstatt. Die Filiale erhielt jedoch nur kleinere Aufträge von Eisenbahngesellschaften, Laboratorien und Gemeinden und musste 1864 mit einem Verlust von 30.000 Talern geschlossen werden. Die Lokalitäten wurden jedoch nicht verkauft, sondern nur vermietet.
Neuanfang: 1879
Erst 1879 gelang die dauerhafte Errichtung einer Wiener Filiale unter der Leitung von Arnold von Siemens in der Magdalenenstraße 12. Die Installation von Beleuchtungskörpern und elektrischen Kraftübertragungsanlagen in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie bildeten ein großes Hoffnungsgebiet des Unternehmens. Tatsächlich sorgten Aufträge für die Beleuchtung der Spanischen Hofreitschule, des Südbahnhofs und des Westbahnhofs mit Differenziallampen für ein positives Image.[1]
Aufstieg zum führenden Elektroindustrieunternehmen der Monarchie
1883 wurde das Büro in die Apostelgasse 12 verlegt und eine eigenständige Produktion aufgenommen. Hergestellt wurden Blockapparate und kleine Dynamos. Der Fabrikationsbetrieb umfasste Eisenbahnsignalanlagen, Beleuchtungssysteme, Dynamomaschinen, Bogenlampen und ganze Elektrizitätswerke. Ab 1885 kam es zu einem systematischen Ausbau der Fabrikanlagen, sodass Siemens & Halske um 1890 zum größten Elektroindustrieunternehmen der Monarchie aufstieg. Ab 1888 wurde die Allgemeine österreichische Elektrizitätsgesellschaft als Kunde gewonnen. Im 1890 eröffneten Kabelwerk in der Apostelgasse wurden 1896 bereits circa 500 Kilometer Straßenkabel, 100 Kilometer Telefon- und Telegraphenkabel und 220 Kilometer Installationsdrähte produziert.[2]
Beschäftigt waren anfangs 50 Mechaniker und Schlosser. 1890 waren bereits rund 1.100 Personen im Betrieb beschäftigt, bestehend aus 900 Arbeitern und 200 Angestellten. 1896 stieg die Beschäftigtenzahl auf 2.000 Arbeiter und 400 Angestellte. Mitte der 1890er Jahre erfolgte der Übergang zur Akkordarbeit.[3]
Die Kabelfabrikation in Leopoldau
Die nunmehr bestehende Kabelfabrikation wurde 1897 nach Floridsdorf verlegt, wo in Leopoldau ein Kabelwerk und 1900 eine Maschinenfabrik errichtet wurden. Als Eigenentwicklung des Unternehmens wurden Stationssicherungsanlagen mithilfe von Elektromotoren entwickelt. Für Industriebetriebe wurden Anlagen unter anderem für die Leipnik-Lundenburger-Zuckerraffinerie und die Drehersche Brauerei in Budapest installiert.[4] Im Jahr 1899 meldete Siemens & Halske Österreich das erste eigenständig entwickelte Patent für eine "elektrische Druckknopfsperre im Blockstromkreis" an.
Abspaltung von Starkstromabteilung und Kabelwerk
Ab 1903 spaltete sich jedoch die gesamte Starkstromabteilung und das Kabelwerk als Österreichische Siemens-Schuckert-Werke ab und es verblieb lediglich die Schwachstromtechnik bei Siemens & Halske.
In den 1920er Jahren kam es zu einer sehr starken Expansion auf etwa 2.600 Mitarbeiter, der allerdings während der Weltwirtschaftskrise auf etwa die Hälfte sank.
Das Unternehmen im Zweiten Weltkrieg
Fusionierung mit dem deutschen Mutterkonzern Siemens AG
Nach dem "Anschluss" gingen die Österreichischen Siemens-Schuckert-Werke in Floridsdorf und Siemens & Halske 1939 in den vollständigen Besitz der deutschen Muttergesellschaft, die Siemens AG über, mit Ausnahme des Kabelwerkes in Floridsdorf, welches in die neugegründete Wiener Kabel- und Metallwerke AG eingebracht wurde.[5] Auch das Vermögen der Wiener Siemens & Halske wurde an das Berliner Stammhaus übertragen.
Durch den ab Frühjahr 1944 zunehmend spürbaren Bombenkrieg kam es zur Errichtung von Zweigbetrieben. In der Hainburger Straße wurde ein Neubau der Wernerwerke errichtet, ebenso am Laaer Berg und in den gepachteten Austria Tabakwerken in Ottakring. Produziert wurden Funkgeräte, Röhren, Messgeräte.[6]
Zwangsarbeit
Ab Ende 1940 kamen in allen Betriebsstellen der Siemens AG, so auch bei Siemens & Halske, ausländische Arbeitskräfte zum Einsatz, mehr und mehr in Form von Zwangsarbeit, schließlich auch Kriegsgefangene und KZ-Insassen. Ende 1944 waren von den circa 22.000 Personen, die in Siemens-Betrieben der "Ostmark" tätig waren etwa 4.400 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, darunter rund 400 KZ-Häftlinge.
Sowohl bei Siemens & Halske, den Österreichischen Siemens-Schuckert-Werken und der Wiener Kabel- und Metallwerke AG waren die eingesetzten Zwangsarbeiter in Zwangsarbeiterlagern untergebracht. So befand sich auf dem Firmengelände in 21., Siemensstraße 88 ein Lager der Wiener Kabel- und Metallwerke AG. Ein Lager der Siemens-Schuckert-Werke, das auch als Arbeiterlager Nr. III bezeichnet wurde, befand sich in 2., Nordportalstraße 156. Zwei Lager betrieb Siemens & Halske in der Nähe des Firmensitzes (3., Apostelgasse 12), nämlich ein als "Siemens-Lager" bezeichnetes Lager in 3., Landstraßer Hauptstraße 173 und ein als "Arbeitslager Siemens" in 3., Schlachthausgasse 39.
Nachkriegszeit und Fusionierung
Nach dem Krieg wurde das Unternehmen verstaatlicht, auf Wiener Schwachstromwerke umbenannt und setzte seine Expansion fort. Zweigbetriebe entstanden außerhalb Wiens. Zu Beginn der 1970er Jahre wurde Siemens & Halske mit der Siemens AG Österreich fusioniert.
Literatur
- Die Gross-Industrie Oesterreichs. Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Oesterreichs 1898, Bd. 3, Wien: Leopold Weiss 1898, S. 215-223
- Julia Kleindienst: Siemens in Österreich. Der Zukunft auf der Spur. Eine Unternehmensbiographie. Wien: Ueberreuter 2004
- Franz Mathis: Big Business in Österreich. Österreichische Großunternehmen in Kurzdarstellungen, Wien: Verlag für Geschichte und Politik 1987, S. 277-279
Einzelnachweise
- ↑ Julia Kleindienst: Siemens in Österreich. Der Zukunft auf der Spur. Eine Unternehmensbiographie. Wien: Ueberreuter 2004, S. 26-36.
- ↑ Julia Kleindienst: Siemens in Österreich. Der Zukunft auf der Spur. Eine Unternehmensbiographie. Wien: Ueberreuter 2004, S. 40 f.
- ↑ Julia Kleindienst: Siemens in Österreich. Der Zukunft auf der Spur. Eine Unternehmensbiographie. Wien: Ueberreuter 2004, S. 38, 40.
- ↑ Die Gross-Industrie Oesterreichs. Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Oesterreichs 1898. Band 3. Wien: Leopold Weiss 1898, S. 215-223.
- ↑ Franz Mathis: Big Business in Österreich. Österreichische Großunternehmen in Kurzdarstellungen, Wien: Verlag für Geschichte und Politik 1987, S. 279-282.
- ↑ Julia Kleindienst: Siemens in Österreich. Der Zukunft auf der Spur. Eine Unternehmensbiographie. Wien: Ueberreuter 2004, S. 129-143.