Allgemeine Schulordnung (1774)
Vorgeschichte
Im Jänner 1774 wandte sich Maria Theresia an Friedrich II. von Preußen mit dem Ersuchen, den aus Glogau stammenden Schulreformer Johann Ignaz Felbiger zu erlauben, einige Zeit beratend in Wien tätig zu werden. Der Preußenkönig stimmte zu und Felbiger, Abt des Augustiner-Chorherrenstiftes Sagan in Schlesien, reiste nach Wien und verfasste auf Ersuchen Maria Theresias eine allgemeine Schulordnung.
Erlass der Schulordnung
Am 6. Dezember 1774 trat die "Allgemeine Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen" (Theresianische Schulordnung) in Kraft. Die Ordnung regelte die Schulpflicht (sechstes bis zwölftes Lebensjahr), die Schulorganisation und die Schulaufsicht. Sie definierte drei Arten von Pflichtschulen: ein- bis zweiklassige Normalschulen, drei- bis vierklassige Hauptschulen und Trivialschulen. Die Wiener Normalschule am Churhaus der Pfarre St. Stephan auf dem Stephansplatz sollte als Vorbild für die gesamte Monarchie gelten. Sie wurde in das Novizenhaus der Jesuiten in der Annagasse verlegt. Trivialschulen wurden ab 1775 eingerichtet. 1780 gab es bereits 76 staatliche Schulen dieser Art.[1] Hauptschulen entstanden in der Josefstadt, auf der Wieden und in der Ungargasse.
Da die Schule Staatssache geworden war, hatten in der obersten leitenden Körperschaft, der Studienhofkommission, besonders in Fragen der Reform der Elementarschule auch politische Persönlichkeiten Einfluss (darunter Fürst Kaunitz, Gerhard van Swieten und Kardinal Migazzi). Im Zuge der Theresianischen Schenkung wurden auch die Unterrichts- und Lehrmittel neu gestaltet (vergleiche Johann Ignaz Felbiger, Schulbuch, Schulbuchverlag, Theresianische Schulreform).
Unterricht
Die bereits bestehende Niederösterreichische Schulkommission war das Aufsichtsorgan mit umfassenden Kompetenzen. Sie gab die Lehrinhalte vor, bestimmte die Lehrer und einheitliche Schulbücher. Der Einzelunterricht wurde abgeschafft, er erfolgte nun koedukativ, Buben und Mädchen saßen in getrennten Sitzreihen. Die Schulaufseher entschieden über den möglichen Übertritt in ein Gymnasium. Für Schülerinnen und Schüler mit mangelndem Lernerfolg konnte der Schulbesuch verlängert werden. Die Lehrausbildung wurde reformiert. Das sture Auswendiglernen blieb jedoch integraler Teil des Unterrichts.[2]
Der Unterricht sollte im Winter um 8 Uhr morgens beginnen und bis 11 Uhr andauern, im Sommer (zumindest auf dem Land) von 7 bis 10 Uhr. Der Nachmittagsunterricht war ganzjährig von 14 bis 16 Uhr festgesetzt. In Städten sollte der erste „Schulkurs" am 3. November beginnen und am Samstag vor dem Palmsonntag enden. Darauf folgte der zweite „Schulkurs" vom Montag nach dem ersten Sonntag nach Ostern bis Michaelis (29. September).
Außerhalb von Städten, „auf dem Land", sollte die „Winterschule" von 1. Dezember bis mindestens 31. März andauern. Die Allgemeine Schulordnung hielt fest, dass die Winterschule vor allem von Schülerinnen und Schülern zwischen dem 9. und 13. Lebensjahr zu besuchen sei, da diese in den Sommermonaten bei landwirtschaftlichen oder sonstigen Arbeiten mitarbeiten konnten. Daher waren sie in den übrigen Monaten auch nicht zum Schulbesuch angehalten. Die Sommerschule hat auch auf dem Land am Montag nach dem ersten Sonntag nach Ostern anzufangen und bis Michaelis (29. September) anzudauern. Während der Erntezeit wurde der Unterricht aber für 3 Wochen ausgesetzt. Die Schulordnung hielt fest, dass die Sommerschule in erster Linie von den 6 bis 8-jährigen Kindern zu besuchen sei, da diesen im Winter aufgrund von schlechter Witterung und Kleidung der Weg in die Schule nicht zuzumuten war.
Quellen
Literatur
- Ernst Gerhard Eder: Schüler/innen, Schulen und Bildungspolitiken seit 1770. In: Andreas Weigl / Peter Eigner / Ernst Gerhard Eder [Hg.]: Sozialgeschichte Wiens 1740-2010. Soziale und ökonomische Ungleichheiten, Wanderungsbewegungen, Hof, Bürokratie, Schule, Theater. Innsbruck/Wien/Bozen: StudienVerlag 2015 (Geschichte der Stadt Wien, 8), S. 585-780
- Helmut Engelbrecht: Geschichte des österreichischen Bildungswesens. Erziehung und Unterricht auf dem Boden Österreichs. Band 3. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1984
- Josef Alexander von Helfert: Die österreichische Volksschule. Geschichte, System, Statistik. Teil 1. Wien: F. Tempsky 1860
Einzelnachweise
- ↑ Josef Alexander von Helfert: Die österreichische Volksschule. Geschichte, System, Statistik. Teil 1. Wien: F. Tempsky 1860, S. 65, S. 582.
- ↑ Helmut Engelbrecht: Geschichte des österreichischen Bildungswesens. Erziehung und Unterricht auf dem Boden Österreichs. Band 3. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1984, S. 103-118.