Union Kino
48° 13' 32.75" N, 16° 21' 7.27" E zur Karte im Wien Kulturgut
Das Union Kino (9., Sechsschimmelgasse 16) bestand von 1912 bis 1945. 1914 fasste der breite Saal mit Galerie und Souterrain 229 Personen.
Geschichtlicher Überblick
Ab 15. April 1915 war das Union Kino im Besitz von Arthur und Margarete Koch (geborene Wilka, 1883−1944), die das Kino gemeinsam führten. Die Lizenz lief jedoch zunächst lediglich auf den Namen des 1883 in Wien geborenen Arthur Koch. Da sich dieser allerdings von 1915 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs im Kriegsdienst befand, gab Margarete Koch in einem späteren Schreiben an, das Kino deshalb und aufgrund der „im Wehrdienst erlittenen Krankheit“ ihres Mannes allein geführt zu haben. Die Lizenz lief ab 1922 auf beide Namen, ab 1933 auf Margarete Koch allein. Nach dem Ableben Arthur Kochs 1931 war Margarete Koch Alleininhaberin des Kinos und führte es bis zu ihrem Tod im Jahr 1944. Kurz vor Kriegsende wurde das Gebäude in der Sechsschimmelgasse 16 bei einem Bombenangriff zerstört und während des Wiederaufbaus zur Sprengung freigegeben.
Das Gebäude
Die Kinoarchitektur
Das Union Kino war ein kleines Hofkino, welches in das Wohnhaus in der Sechsschimmelgasse 16 nachträglich eingebaut wurde. Der Innenhof des Wohnhauses wurde dabei mit einem Holzdach überbaut, um den benötigten Raum für den neuen Wiener Kinosaal zu schaffen. Der Innenaufbau des Kinos war einfach gehalten. Es bestand aus einem Kinosaal, einem Warteraum mit Kassa und einem Kinobuffet. Es gab aufgrund der sicherheitstechnischen Vorgaben von Beginn an eigene Ein- und Ausgänge sowohl in den Kinosaal als auch in das Kinogebäude selbst, sodass die Kinobesucherinnen und Kinobesucher das Kino nach der Filmvorstellung verlassen konnten, ohne den Eingangsbereich mit Buffet und Warteraum noch einmal zu passieren. Beide Gebäude-Zugänge waren zur Straße ausgelegt.
Bei Renovierungsarbeiten im April 1923 kam es zu einem Einsturz der morsch gewordenen Holzdecke des Kinos. Verletzte gab es bei diesem Vorfall keine, und das Kino konnte nach einer vollständigen Erneuerung des Daches im August 1923 wiederöffnen.
Der Kinosaal
Die Innenarchitektur und Ausstattung des Kinosaals erinnerten sehr an die eines Theaters. Die Sitzplätze waren auf zwei Ebenen verteilt. Es gab ein Parterre und eine Galerie, welche allerdings nur auf der rechten Längsseite für die Zuschauerinnen und Zuschauer zugänglich und zum Saal hin geöffnet war. Des Weiteren waren einige wenige Logenplätze sowohl in der Galerie als auch im Parterre eingebaut. Der Zutritt in den Vorführraum erfolgte über einen Eingang an der Frontseite des Saals, an der sich auch die Bildprojektionsfläche befand. Auf der Ebene der Galerie ließen sich außerdem das Kinoorchester und ein Operateurraum finden. Auch das Saaldekor griff den erhaltenen Kinoplänen zufolge Elemente auf, die aus dem Theater bekannt waren. Beispielsweise wurde die Galerie mit Rundbögen zwischen den Stützpfeilern gegliedert, die Pfeiler mit Kanneluren verziert und die Wand mit eleganten Lampen und Details geschmückt.
Fassungsraum und Umbauten
Der Fassungsraum des Union Kinos veränderte sich im Laufe seiner Bestandszeit mehrmals. Zum Zeitpunkt der Übernahme von Margarete und Arthur Koch hatte das Kino einen Fassungsraum von 229 Besucherinnen und Besuchern. 1922 lag der Fassungsraum bei 248 Personen, 1924 vergrößerten die Eigentümer den Kinosaal durch weitere Umbauten auf 266 Plätze. So wurden unter anderem die Balkonsitze in Logenplätze umfunktioniert und weitere Sitzplätze im Parterre hinzugefügt. Außerdem wurde um Genehmigung zur Vergrößerung des Apparatenraums gebeten, um einen zweiten Apparat aufstellen zu können. Das Ansuchen wurde allerdings vom Magistrat mit der Begründung abgelehnt, dass zur Aufstellung eines zweiten Apparates eine Raumtiefe von mindestens drei Metern bestehen müsste. 1931 wurde schließlich, nachdem auch dieses Kino zu einem Tonkino umgebaut werden musste, eine Vergrößerung des Apparatenraums zur Aufstellung eines Klangfilm-Apparates genehmigt. Von 1934 an hatte das Kino einen Fassungsraum von 256 Plätzen.
Der Standort
Der Standort des Union Kinos im 9. Bezirk lag in unmittelbarer Nähe zur Währinger Straße und Nußdorfer Straße. Zu den Kinos der engeren Nachbarschaft gehörte das Kolosseum Kino (9., Nußdorfer Straße 4), das Schubert Kino – das heutige Schubert Theater (9., Währinger Straße 46) – und die Mozart Lichtspiele (9., Schubertgasse 5). Die große Kinodichte des Bezirks führte mehrmals zur Idee einer Verlegung des Union Kinos von Seiten der Inhaberin und des Inhabers, so auch 1926 anlässlich der Eröffnung des Kolosseum Kinos. Margarete und Arthur Koch ersuchten damals um die Verlegung ihrer Lizenz auf eine andere Adresse im 1. Bezirk an, wobei sie als geplanten Standort 1., Kohlmarkt 8 angaben. Als Begründung führten sie ihre Sorge an, sonst dem „Ruin preisgegeben“ zu sein. Die Verlegung wurde mit der Begründung, dass das Union Kino trotz der vorhandenen Konkurrenz sehr gut besucht sei, vom Magistrat abgelehnt.
Das Union Kino im Dritten Reich: die Union Lichtspiele
Mit dem „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland im März 1938 wurden die Kinos in Wien unter Aufsicht der Reichsfilmkammer gestellt und mussten ihren Namenszusatz „Kino“ auf „Lichtspiele“ ändern, sodass das Kino in den letzten Monaten seines Bestehens Union Lichtspiele hieß. Margarete Koch erhielt eine „vorläufige Spielerlaubnis“ zur Aufrechterhaltung ihres Betriebs und beantragte 1939 die „Eingliederung“ in die Reichsfilmkammer, ihre Aufnahme wurde jedoch zunächst mehrmals abgelehnt, da ihr Mann Arthur Koch jüdischer Abstammung gewesen war. Zudem wurde ihr vorgeworfen, die NSDAP nicht ausreichend mit Spenden zu unterstützen und der Partei in ihrer illegalen Zeit nicht positiv gegenübergestanden zu haben. Das Verfahren um ihre Aufnahme in die Reichsfilmkammer zog sich über mehrere Jahre und ging mit einer Vielzahl von Untersuchungen zu ihrer Person einher, zu der auch eine Untersuchung der geheimen Staatspolizei zählte. 1941 wurde Margarete Koch schließlich die Aufnahme in die Reichsfilmkammer doch in Aussicht gestellt, jedoch infolge eines denunzierenden Schreibens eines „Kriegsgeschädigten“ an Baldur von Schirach erneut aufgeschoben und erst 1942 offiziell bestätigt.
Die kriegsbedingt erschwerte Materialbeschaffung führte dazu, dass von der Reichsfilmkammer ein „Pendelverkehr“ zwischen den Kinos eingerichtet wurden. So standen die Union Lichtspiele ab 1941 im Pendelverkehr mit den Savoy Lichtspielen (16., Thaliastraße 28) und den Mozart Lichtspielen. In der Bezirksrangfolge stand das Kino damals an zweiter Stelle.
Am 6. Oktober 1944 starb Margarete Koch im Alter von 61 Jahren. Das Kino ging in Erbfolge an ihren Neffen Otto Wilka und dessen Frau Wilhelmine Wilka. Nur wenige Monate später wurde das Kino bei einem Bombenangriff vollständig zerstört.
Nachkriegszeit: Schließung
Nach Kriegsende wurde Dr. Alfred Migsch als öffentlicher Verwalter für das Union Kino eingesetzt. Eine Ausführung seines Amtes hielt dieser allerdings nach eigenen Angaben nicht für nötig, da Gebäude und Kino völlig zerstört worden waren. 1948 wurde die öffentliche Verwaltung schließlich offiziell aufgehoben, da es de facto kein verwaltbares Vermögen gab und das Kino nicht mehr aufgebaut wurde.
Heute befindet sich an dieser Stelle ein schlichtes Wohnhaus, das nach dem Krieg errichtet wurde.
Fassungsraum
Siehe auch: Kino
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 104, A11: 9. Union-Kino
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A27 - ÖV Kino: K134 Union-Kino
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Reichsfilmkammer, Außenstelle Wien, A1 – Kinoakten: 136 Union-Kino
Literatur
- Werner Michael Schwarz: Kino und Kinos in Wien. Eine Entwicklungsgeschichte bis 1934. Wien: Turia & Kant 1992, S. 236