Waisenhaus (3)
48° 11' 24.83" N, 16° 23' 52.86" E zur Karte im Wien Kulturgut
Waisenhaus (3., Rennweg 89-93). 1742 kaufte der Besitzer einer Baumwollspinnerei, Johann Michael von Kienmayer, auf Ersuchen des Domherrn Anton Marxer ein neben seiner Fabrik auf dem Rennweg gelegenes Haus und stiftete es als Waisenhaus für 20 verwaiste Mädchen (bald wurden auch Waisenknaben aufgenommen). Ab 1745 wurde das mit seiner Fassade zum Rennweg liegende Waisenhaus eingerichtet. Als 1759 der Jesuit Dr. Ignaz Parhamer als Superintendent dessen Leitung übernahm ("Parhamersches Waisenhaus"), ließ er das Waisenhaus bis 1763 durch Matthias Franz Gerl samt einer Kapelle (Waisenhauskirche) neu erbauen. Die strenge militärische Erziehung, der die Knaben unter Parhamer unterworfen waren, führte dazu, dass man ihn oft als "Pater Kindergeneral" bezeichnete (er leitete die Anstalt bis 1785).
1761 kaufte Maria Theresia den ganzen Kienmayerschen Besitz und überließ ihn 1763 den Waisenkindern. 1767-1771 wurde das Waisenhaus nach der Vereinigung mit der Chaosschen Stiftung durch Leopold Grossmann und Johann Ferdinand Mödlhammer (Bau des westlichen Trakts) erweitert.
Joseph II. hob das Waisenhaus am 14. Oktober 1785 auf und verlegte die Zöglinge in das aufgelassene Spanische Spital (siehe Waisenhaus). Die Realität auf dem Rennweg übernahm die Militärökonomie, die hier 1797 das Zweite Artillerie-Regiment und 1799 außerdem das Bombardierkorps unterbrachte (Rennweger Kaserne, 3., Rennweg 89-93, Landstraßer Hauptstraße 146-148A, Oberzellergasse 1); der Waisenhauskomplex wurde 1832 stadtseitig durch zwei neue Höfe und 1854 durch eine nach Entwürfen von Eduard van der Nüll und August Sicard von Sicardsburg errichtete Reithalle erweitert. Stadtauswärts wurde 1880-1882 von der Gemeinde Wien an der Ecke zur Landstraßer Hauptstraße als Ersatz für die 1880 abgebrochene Salzgrieskaserne eine Infanteriekaserne angebaut (die erste, die den neu erlassenen Kasernenbaurichtlinien entsprach).
Entlang der Oberzellergasse lag das Militärgarnisonshauptspital II. Nach dem Ersten Weltkrieg fand das Gebäude als Gendarmeriekaserne Verwendung. In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde mit der Errichtung einer Wohnhausanlage begonnen.
Literatur
- Felix Czeike: III. Landstraße. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1984 (Wiener Bezirkskulturführer, 3), S. 58
- Ricarda Oettinger: III. Bezirk. Beschreibung der nicht mehr bestehenden Profanbauten. (Archivalische Vorarbeiten zur Österreichischen Kunsttopographie, 6), S. 71 f.
- Hans Pemmer: Das Parhamersche Waisenhaus auf dem Rennweg. In: Rupert Feuchtmüller: Die Herrengasse. Wien [u.a.]: Zsolnay 1982 (Wiener Geschichtsbücher, 28), S. 33 ff.
- Justus Schmidt / Hans Tietze: Dehio Wien. Wien: A. Schroll 1954 (Bundesdenkmalamt: Die Kunstdenkmäler Österreichs), S. 69 ff.
- Treuconsult 12/1994, Finanzierungsprospekt der Bank Austria (Wohnpark Rennweg)