Wiener Eislauf-Verein
48° 12' 3.30" N, 16° 22' 41.32" E zur Karte im Wien Kulturgut
Der Wiener Eislauf-Verein (WEV) ist eine der ältesten Sportvereinigungen Wiens und wurde am 3. Februar 1867 gegründet. Siehe auch: Eislauf, Eislaufplatz, Eislaufvereine.
Gründung
Der Buchhändler Franz Gräffer, selbst ein passionierter Eisläufer, erwog bereits 1810 den Betrieb einer Schlittschuhlaufanstalt. Diese wurde von der Polizeioberdirektion mit dem Argument abgewiesen, dass sie „weder in politischen noch militärischen Bildungs-Ansichten Nutzen schaffen" könne und sich die Polizei nur „unnötiger Weise neue lästige Aufsicht" zuziehen würde.
Erst am 7. Februar 1867 war es dann schließlich so weit: Eine der frühesten Sportvereinigungen Wiens, der Wiener Eislauf-Verein, wurde gegründet. Die Gründungsväter waren:
- Artur Freiherr von Löwenthal
- Dr. Karl (Carl) Korper von Marienwert
- Dr. Erwin Franz Freiherr von Sommaruga
- Constantin von Marguerite
- Dr. Heinrich von Bach
- Rudolf Grimm Ritter von Grimburg
- Dr. Cäsar Ranzi
- Leon Schmidt
- Friedrich Böhmers
- L. Mohr
- Friedrich Klezl
- Rudolf von Ponzen
- Florian Mollo
- Demeter Diamantidi
Das Areal des WEV vor der Jahrhundertwende lag in der Gegend des heutigen Bahnhofs Wien Mitte im 3. Wiener Gemeindebezirk. Am 26. Dezember des Gründungsjahres konnte der Natureislaufplatz eröffnet werden.
Wettbewerbe und Veranstaltungen
Im Jahr 1869 fand das erste Eisschnelllaufen der Vereinsgeschichte statt, im Jahr 1882 das erste internationale Preis-, Figuren- und Wetteislaufen.
Der Verein gelang rasch zu internationalem Ansehen: "Die winterlichen Feste des Wiener Eislaufvereins haben seit Jahr und Tag einen wohlbegründeten guten Ruf. Der Verein pflegt seine großen Kostümfeste [...] glänzend auszustatten. Vorzügliche Läufer und Läuferinnen sind stets in großer Zahl bereit, dabei mitzuwirken, und die Wettlaufen (Kunst- wie Schnelllauf) erfreuen sich stets zahlreicher Konkurrenz. Wien ist für den Kunstlauf auf dem Eise die Hochschule, deren Satzungen fast alle Eislaufvereine Europas in jüngster Zeit als Richtschnur angenommen haben."[1]
Zur Würdigung der Verdienste des noch jungen Vereins für den Eislaufsport wurde dem WEV in der Saison 1892/1893 zum ersten Mal die Durchführung der Europameisterschaften im Eiskunstlaufen und Eisschnelllaufen durch die Internationale Eislauf-Vereinigung (heute Internationale Eislaufunion, ISU) übertragen.
Die größte Kunsteisbahn der Welt
Aufgrund städtebaulicher Maßnahmen um die Jahrhundertwende übersiedelte der Verein auf das Areal des Wiener Heumarktes im 3. Wiener Gemeindebezirk, wo am 6. Jänner 1901 der neue Eislaufplatz in Betrieb genommen wurde. Nach dem Vorbild der im Jahr 1909 weltweit ersten Freiluftkunsteisbahn von Eduard Engelmann in Hernals, eröffnete der WEV am 18. Dezember 1912 eine Kunsteisbahn in einem Ausmaß von 4.000 m².
In der Saison 1913/14 erfolgte die Gründung der Eishockeysektion im Verein
Während des Ersten Weltkrieges kämpfte der WEV um seine Existenz. Die Kunsteisbahn sowie die Beleuchtung der Anlage konnten aufgrund des Kohle- und Strommangels in Wien nicht betrieben werden. Für einen sportlichen Aufschwung des Vereins nach dem Krieg sorgten Eiskunstläufer und -läuferinnen wie etwa Herma Szabó und Willy Boeckl. Bald setze auch ein wirtschaftlicher Aufwärtstrend ein. Im Jahr 1924 wurde die Kunsteisbahn von 4.000 m² auf 6.000 m², im Jahr 1927 von 6.000 m² auf 10.000 m² vergrößert – der WEV betrieb zu dieser Zeit die größte Kunsteisbahn der Welt. In der Saison 1929/1930 verzeichnete der WEV mit 9.521 Mitgliedern den höchsten Mitgliederstand in der Vereinsgeschichte.
Die Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre traf auch den WEV. Der Verein musste Sparmaßnahmen durchsetzen und den Betrieb der Kunsteisbahn einschränken. Die Eiskunstläufer und -läuferinnen blieben trotz der erschwerten Trainingsbedingungen weiterhin international höchst erfolgreich, Fritzi Burger und Felix Kaspar holten Welt- und Europameistertitel sowie Olympiamedaillen nach Wien.
Zweiter Weltkrieg
Mit dem sogenannten "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 erfolgte eine drastische Umstrukturierung des österreichischen Sport- und Vereinswesens. Die Folge war die Überführung des WEV in den Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen. Die durch das Nationalsozialistische-Regime als "nicht-arisch" definierten Funktionäre, Mitglieder sowie Sportler und Sportlerinnen wurden unmittelbar nach dem Anschluss Österreichs aus dem Verein ausgeschlossen. Einige Athleten und Athletinnen, wie etwa Eva Pawlik, Edi Rada oder das Eishockeyteam, konnten auf Reichsebene sportlich reüssieren.
Nachkriegszeit
Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Areal des WEV durch Bomben und Schützengräben beschädigt, die Kunsteisbahn konnte jedoch nach kurzer Zeit wieder in Betrieb genommen werden. Maßgeblichen Anteil an der raschen Wiederbelebung des WEV in sportlicher, gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht hatte die nach dem Zweiten Weltkrieg im Winter 1945 gegründete Wiener Eisrevue. Die Revue wurde zum Kassen- und Exportschlager und bescherte dem WEV ein Millionenpublikum. Auch in sportlicher Hinsicht erlebte der WEV in den 1950er und 1960er-Jahren einen Höhepunkt. Zu den international erfolgreichen Eiskunstläufer und -läuferinnen dieser Zeit zählten Hanna Eigel, Ingrid Wendl, Hanna Walter, Regine Heitzer, Emmerich Danzer, Wolfgang Schwarz sowie die Paarläufer Sissy Schwarz und Kurt Oppelt.
Zusatzangebote
In den späten 1950er-Jahren stand für den Verein die Schaffung neuer Freizeit- und Kulturangebote fernab dem Eislaufbetrieb im Mittelpunkt. So richtete der WEV in den Sommermonaten zahlreiche internationale Ring- und Boxkämpfe aus, beheimatete eine Tennissektion und veranstaltete Musikkonzerte. Insbesondere in den 1970er-Jahren lockte „Catchen am Heumarkt“ Tausende Fans an und Wien wurde zu einer europäischen Kampfsportmetropole.
Jüngere Geschichte
Am 26. Februar 1960 wurde der Pachtvertrag um 99 Jahre - bis zum 31. Dezember 2058 - verlängert.
In den 1970er- und 1980er-Jahren wurde es mit wenigen Ausnahmen stiller um die Sportsektionen des Vereins. Trixi Schuba, in den Jahren 1971 und 1972 jeweils zweimalige Welt- und Europameisterin im Eiskunstlauf, krönte 1972 ihre Karriere mit Olympiasieg in Sapporo. Die österreichische Seriensiegerin Claudia Kristofics-Binder feierte im Jahr 1982 mit dem Gewinn des Europameistertitels der Eiskunstläuferinnen den letzten internationalen Erfolg für den Verein.
Seit 2007 wird das Areal des Vereins in den Sommermonaten an den Beachclub "Sand in the City" vermietet. Am 14. November 2013 veranstaltete der Verein den ersten Wiener Eisball.
Heute betreibt der Verein eine Kunsteisfläche von 6000 Quadratmetern und zählt 305 Mitglieder.
Der Wiener Eislaufverein zählt zu den ältesten, größten und erfolgreichsten Sportvereinen der Welt. Die Vereinsgeschichte wurde 2014-2017 im Rahmen eines Projektes am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien wissenschaftlich aufgearbeitet.
Videos
Literatur
- Franz Biberhofer: Chronik des Wiener Eislaufvereins. Verfaßt zur Feier seines 40jährigen Bestandes, Wien 1906 (Verlag des Wiener Eislauf-Vereins)
- Festschrift des Wiener Eislauf-Vereins anlässlich seines 80jährigen Bestandes 1867 – 1947. Wien 1947 (Verlag des Wiener Eislauf-Vereins)
- Franz Heinlein: 100 Jahre Wiener Eislaufverein. Wien 1967 (Verlag des Wiener Eislauf-Vereins)
- 100 Jahre Wiener Eislauf-Verein 1867-1967. Tätigkeitsbericht über das 100. Vereinsjahr, Wien 1967 (Verlag des Wiener Eislauf-Vereins)
- Über Land und Meer, 1890/91 (Fragmente erhalten unter Wiener Stadt- und Landesarchiv, Archivbibliothek, K - Broschüren, Sonderdrucke: K 2569/1)
Weblinks
- Wiener Eislaufverein
- Institut für Zeitgeschichte: Abgeschlossene Projekte Detailansicht ("150 Jahre Wiener Eislauf-Verein"), abgerufen am 29. Juni 2023
- Ausstellung "Ein Platz für alle. 150 Jahre Wiener Eislauf-Verein" (2019), abgerufen am 29. Juni 2023
Einzelnachweise
- ↑ Über Land und Meer, 1890/91 (fragmentarisch erhalten unter Wiener Stadt- und Landesarchiv, Archivbibliothek, K - Broschüren, Sonderdrucke: K 2569/1), Seite 811