Atelier Setzer-Tschiedel
48° 12' 18.98" N, 16° 21' 22.22" E zur Karte im Wien Kulturgut
Der für das Attribut „Bildname“ des Datentyps Seite angegebene Wert „Datei:“ enthält ungültige Zeichen oder ist unvollständig. Er kann deshalb während einer Abfrage oder bei einer Annotation unerwartete Ergebnisse verursachen. Das Atelier Setzer-Tschiedel (7., Museumstraße 5) besteht seit 1909.
Geschichtlicher Überblick
Franz Xaver Setzer
Im Jahr 1909 gründete Franz Xaver Setzer (1886-1939), ausgebildet an der Kaiserlich-Königlichen Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt, im Dachgeschoß der ehemaligen Hofstallstraße (heutige Museumstraße) 5 in Wien 7 sein Fotoatelier.
Setzer betrachtete seine Bildnisse stets als Kunstwerke. Der von ihm geprägte Stil der Porträtaufnahmen vor schmucklosem Hintergrund galt damals als sehr modern. Dass die im Atelier Setzer entstandenen Porträts von höchster künstlerischer Qualität waren, hatte sich im Wien der Zwischenkriegsjahre rasch herumgesprochen. Das lichtdurchflutete Fotostudio galt als eine der ersten Adressen für Porträtaufnahmen. Auch das Ambiente bei "Setzer - Photographische Bildnisse, hinter dem deutschen Volkstheater" - wie eine Werbekarte aus frühen Jahren den Standort beschreibt - entsprach den hohen Anforderungen - selbstverständlich bereits damals mit „Lift und Fernsprecher“. In Anerkennung der hohen Qualität der Arbeiten wurde Setzer 1917 die Voigtländer Medaille der Photographischen Gesellschaft verliehen.
Im Jahre 1920 heiratete Franz Xaver Setzer die berühmte Opernsängerin Marie Gutheil-Schoder, wodurch seine gesellschaftliche Stellung weiter ausgebaut wurde. Setzer unternahm wiederholt Reisen nach Salzburg. Die Salzburger Festspiele waren einerseits Gelegenheit Aufnahmen vor Ort anzufertigen als auch Aufträge für das Atelier in Wien zu erhalten.
Mit nur 52 Jahren verstarb Franz Xaver Setzer im Jänner 1939 in Folge einer schweren Krankheit. Die letzte Aufnahme von Setzer ist im Plattenbuch mit der Nummer 18.448 eingetragen.
Marie Karoline Tschiedel
Im April 1920 trat die damals zwanzigjährige Marie Karoline Tschiedel (1899-1980) eine Stelle als Assistentin im Atelier an. Sie hatte ebenfalls an der K. u. K. Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt studiert und sich in den Gebieten der Porträtfotographie und Negativretusche spezialisiert. Tschiedel avancierte 1934 zur technischen Leiterin des Atelierbetriebes, legte 1935 die Meisterprüfung ab und führte das Fotostudio in Wien, während Setzer die Kunden des Ateliers akquirierte.
Nach Setzers Tod erwarb sie das Atelier von seinen Erben und führte es unter dem Namen Setzer-Tschiedel nahtlos weiter. 1945 wurde der straßenseitige Teil des Dachgeschoßes durch einen Bombentreffer stark beschädigt. Das Atelier wurde dabei zwar nicht unmittelbar getroffen, die Arbeiten mussten jedoch eingestellt werden. Unmittelbar nach Kriegsende wurde das Atelier und das Archiv zunächst von der russischen und in weiterer Folge von der amerikanischen Besatzungsbehörde beschlagnahmt. Durch intensive Verhandlungen konnte Tschiedel die Rückgabe erwirken und den Betrieb bereits 1946 wieder aufnehmen.
Marie Karoline Tschiedel hielt den Atelierbetrieb an diesem Standort zeitlebens aufrecht. Erst im Dezember 1979 stellte sie - gezeichnet von schwerer Krankheit - die Tätigkeit ein und verstarb ein halbes Jahr später. Damit hatte der exakt 70 Jahre bestehende Atelierbetrieb sein vorläufiges Ende gefunden.
Kunden des Ateliers
Bereits in frühen Jahren ließen sich viele berühmte Persönlichkeiten aus dem Adel, der Theater-, Oper- und Kulturszene, so wie dem Großbürgertum von Setzer porträtieren. Neben jenen noch heute geläufigen Namen, wie Stefan Zweig, Arthur Schnitzler, Max Reinhardt, Giacomo Puccini, Richard Strauss, Maria Jeritza, Bundespräsident Wilhelm Miklas, Ernst Rüdiger Fürst Starhemberg, Julius Meinl II. um nur einige zu nennen, wurden noch circa 4.100 weitere Personen porträtiert. Alle Porträtierten zählten zum Adel und Großbürgertum und haben die Geschichte der Stadt Wien maßgeblich geprägt.
In den 1920er und 1930er Jahren zählten auch viele Personen jüdischer Abstammung zum Großbürgertum und somit zum Kundenkreis des Ateliers. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ist dieser Kundenkreis völlig weggebrochen.
Auch in den Nachkriegsjahren zählten Künstler und Schauspieler zum Klientel des Ateliers – die Fotographie wurde jedoch zunehmend breiteren Bevölkerungskreisen zugänglich und verlor dadurch ihre Exklusivität.[1]
Das Atelier heute
Im Zuge der Erbfolge übernahm Marie Karoline Tschiedels Neffe, Dipl.-Ing. Walter Tschiedel, die Geschäftsräume, welche in der Folge ohne wesentliche Umbaumaßnahmen als Büro dienten. Der Archivbestand blieb unverändert bestehen. Im Jahr 2002 wurde das gesamte Archiv sowie die Räumlichkeiten im Familienverband an seinen Sohn, Ing. Mag. Wolfgang Tschiedel, weitergegeben.
Das Atelier ist seit der Gründung stets im Familienbesitz geblieben. Ab dem Jahr 2000 erfolgte schrittweise eine Restaurierung der Räumlichkeiten und die weitestgehende Rückführung in den Originalzustand. Das Atelier Setzer-Tschiedel ist somit das einzige namhafte Fotostudio aus der Pionierzeit der Fotographie, das in seinem Gesamtbestand noch existiert.
Forschungsprojekt zum Bildbestand
Der Bildbestand des Ateliers umfasst über 20.000 Glasnegative sowie die handschriftlichen Plattenbücher und Namensregister. Diese historischen Aufnahmen stellen einen weltweit einzigartigen Bestand an Porträtaufnahmen der Wiener Gesellschaft von 1911 bis 1979 dar. Nahezu alle vergleichbaren Glasplattenarchive wurden im Zweiten Weltkrieg oder in den 1960er und 1970er Jahren vernichtet.
Die in den originalen, handschriftlichen Aufzeichnungen vorhandenen Informationen zu den porträtierten Personen sind aber oftmals nicht vollständig. Neben dem Nachnamen wurden oft nur Zusätze wie Baron, Herr, Frläulein, Kinder, etc. vermerkt.
In einem Forschungsprojekt unter dem Titel „Wer Wien prägte - Das (jüdische) Großbürgertum im Portrait - Wiedererstandene Bilder aus dem Atelier Setzer-Tschiedel“ wird aktuell eine biographische und genealogische Aufarbeitung des Kundenkreises des Fotoateliers Setzer-Tschiedel durchgeführt. Unter diesen Personen finden sich naturgemäß auch viele, die nach dem März 1938 aufgrund ihrer jüdischen Abstammung oder anderer Gründe entweder emigrieren mussten oder dem NS-Regime zum Opfer fielen. Mit der Vernichtung eines ganzen Segmentes der Wiener Gesellschaft gerieten auch Namen und Bilder in Vergessenheit. Durch die wissenschaftliche Erarbeitung werden auch jene Kunden des Ateliers identifiziert, die einst das gesellschaftliche Leben Wiens prägten und später zu NS-Opfern wurden.
Diese Daten, Fakten und genealogischen Zusammenhänge – in Kombination mit den vorhandenen Bildern – werden durch dieses Projekt zugänglich und liefern somit einen wichtigen Beitrag zur Dokumentation der Wiener Gesellschaft am Beginn des 20. Jahrhunderts.
Das Projekt gliedert sich in die Arbeitsschritte die Digitalisierung der Handschriften und der Glasnegative mit anschließender genealogischer Aufarbeitung.[2]
Links
Einzelnachweise
- ↑ Der vollständige Namensindex aller porträtierten Persönlichkeiten zum Download: Namensindex.
- ↑ Weitere Informationen zum Projektstand auf der Projekthomepage.