Harry Glück
Harry Glück, * 20. Februar 1925 Wien, † 13. Dezember 2016 Wien, Architekt.
Biografie
Harry Glück wuchs als Sohn eines Bankbeamten und einer Schneiderin im 7. Bezirk auf. Nach der Kriegsmatura wurde er als Tankwagenfahrer zum Krieg eingezogen. Harry Glücks beruflicher Werdegang begann nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem Regie- und Bühnenbildstudium am Max Reinhardt Seminar in Wien. Zehn Jahre lang übte er an vielen österreichischen, deutschen und Schweizer Theatern den Beruf des Bühnenbildners aus; einmal, bei Ödön von Horváths "Glaube Liebe Hoffnung" mit Hugo Gottschlich und Kurt Sowinetz, führte er im Theater im Konzerthaus Regie. Parallel dazu arbeitete er auch als Kulissenmaler in den Wiener Rosenhügel-Studios. Erst während dieser Zeit startete seine zweite Karriere, indem er an der Technischen Hochschule Wien ein Architekturstudium aufnahm (Diplom 1960). Später schloss er ein Studium an der Technischen Universität Innsbruck an, das er mit der Dissertation "Höherwertige Alternativen im Massenwohnbau durch wirtschaftliche Planungs- und Konstruktionskonzepte" (1982) abschloss.
Glück eröffnete 1966 ein eigenes Architekturbüro in Wien. In seinen ersten Jahren als freier Architekt plante er zusammen mit seinem Jugendfreund Carl Auböck eine Siedlung in Kaltenleutgeben (1967–1980) und eine Siedlung am Wolfersberg (1968/1969). Ab 1976 führte er sein Büro als "Harry Glück & Partner" (unter anderem mit Peter Leibetseder, Thadeusz Spychala, Norbert Neyer); neben Wohnanlagen wurden von den oft mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Büro- und Geschäftsbauten, Bank- und Verwaltungsgebäude, Hotels und Seniorenheime, Kindergärten und Schulen realisiert. Ein wichtiger Partner wurde ihm Werner Höfer, der mit ihm bei mehreren Großprojekten der GESIBA eng kooperierte. Im Lauf seiner fünf Jahrzehnte währenden Berufstätigkeit realisierte Harry Glück 18.000 Wohnungen, davon 16.000 in Wien. Am bekanntesten, weil weithin sichtbar, wurde sicherlich der Wohnpark Alt-Erlaa für 10.000 Bewohnerinnen und Bewohner. Glücks Kennzeichen waren die Terrassenbauten (neben Alterlaa etwa die Anlagen in der Inzersdorfer Straße, Hadikgasse, Maderspergerstraße, Otto-Probst-Straße oder der Heinz-Nittel-Hof), obwohl diese nur 40 Prozent seiner Projekte ausmachten. Weniger Aufmerksamkeit bekamen seine kleineren Wohnsiedlungen in den westlichen Außenbezirken sowie seine Projekte von autoverkehrsfreien Siedlungen im verdichteten Flachbau (zum Beispiel die in zwei Etappen erbaute Verdi-Siedlung im Süden Wiens), die als ressourcenschonende Alternativen zum frei stehenden Einfamilienhaus verstanden wurden.
Harry Glücks Bauten zeigten bereits sein starkes Interesse an einer Weiterentwicklung des sozialen Wohnbaus. Charakteristisch für sein Anliegen war die Schaffung einer höheren Wohnqualität durch Terrassen für die Einzelwohnungen. Die Verdichtung des Bauvolumens machte die Anlage von vielfach nutzbaren Grünräumen möglich. Gleichzeitig war ihm an den Freizeit- und Gemeinschaftseinrichtungen sehr gelegen, wobei die Dachschwimmbäder eine Weltneuheit im sozialen Wohnbau darstellten. Diese Einrichtungen trugen ihm den Vorwurf ein, luxuriöse Mittelschichtsrefugien zu schaffen. Der Architekt und die Bauträger konnten allerdings darauf verweisen, dass seine Projekte durch die Gebäudekonstruktionen ökonomisch ausgesprochen günstig waren.
In einer Ausstellung im Museum des 20. Jahrhunderts konnte Glück bereits 1975 seine Vision von "Alternativen im Sozialen Wohnbau" auch theoretisch untermauern und als Gradmesser seiner geglückten Siedlungen die Ergebnisse der regelmäßig durchgeführten Befragungen zur Wohnzufriedenheit anführen. Trotzdem oder gerade deswegen wollte in den 1970er und 1980er Jahren die Kritik an seinem pragmatischen Funktionalismus als Absage an die Architektur als Baukunst nicht verstummen. Allerdings änderte sich in den folgenden Jahrzehnten die Beurteilung wieder. So publizierte 2014 Reinhard Seiß einen opulenten Bildband, um sowohl die Ästhetik von Glücks Bauten als auch seine "Erkenntnisse für einen humaneren und zukunftstauglicheren Wohnbau" zu würdigen.
Seit 2018 erinnert der Harry-Glück-Platz an den Architekten. Beim Harry-Glück-Park, der großzügigen Grünfläche rund um den Wohnpark Alterlaa, und dem Harry-Glück-Haus in der Sagedergasse 21 im 12. Bezirk handelt sich um Benennungen durch die Grund- bzw. Hauseigentümerin Gesiba und um keine offiziellen Benennungen seitens der Stadt Wien.
Werke (Auswahl)
- Harry Glück / Kurt Freisitzer: Sozialer Wohnbau. Entstehung, Zustand, Alternativen. Wien: Molden 1979
- Harry Glück: Alternativen im Sozialen Wohnbau. Wien: Museum des 20. Jahrhunderts 1975
Literatur
- Vassilakou würdigt Harry Glück als "großen Wiener Architekten". In: Rathauskorrespondenz, 14.12.2016 [Stand: 14.12.2016]
- Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien für Architekt Harry Glück. In: Rathauskorrespondenz, 26.01.2015 [Stand: 28.12.2016]
- Ehrenzeichen für Architekt Glück. In: orf.at, 26.01.2015 [Stand: 28.12.2016]
- Maik Novotny: Der Ingenieur des guten Lebens. In: Falter, 14.01.2015, S. 26
- Reinhard Seiss [Hg.]: Harry Glück. Wohnbauten. Salzburg [u. a.]: Müry Salzmann 2014
- Gerhard Habarta: Wohnen in Wien. Wohnbau mit Gesinnung. Europalia 87 Österreich. Wien 1987
- Irenäus Eibl-Eibesfeldt / Hans Hass / Kurt Freisitzer / Ernst Gehmacher / Harry Glück: Stadt und Lebensqualität. Neue Konzepte im Wohnbau auf dem Prüfstand der Humanethologie und der Bewohnerurteile. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt 1985
Harry Glück im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.