Heidenschuss 2
48° 12' 40.27" N, 16° 22' 0.57" E zur Karte im Wien Kulturgut
(Alte) k.k. privilegierte Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe (1, Am Hof 6-6A, Heidenschuss 2, Tiefer Graben 2).
Vorgängergebäude
Hier standen ursprünglich mehrere Häuser. Da die Häuser Stadt 323, 324, 325, 326 und 328 der Burgkapelle beziehungsweise dem Hofspital dienstbar waren, existieren für diese bis ins 17./18. Jahrhundert nur wenige Daten.
Haus Stadt 323 "Zum weißen Hasen"
Anstelle dieses Hauses standen anfänglich zwei Gebäude, die sich ab 1563 urkundlich fassen lassen, jedoch schon bald baulich verbunden worden sein dürften. Ende des 17. Jahrhunderts kam es in den Besitz des Spezereiwarenhändlers Franz Haas, von dem sich wahrscheinlich der Schildname "Zum weißen Hasen" ableitete. 1852 erwarb es die Gemeinde Wien, die es 1858 abbrechen ließ. Der Großteil der Fläche dieses Hauses blieb zugunsten des verbreiterten Heidenschusses unverbaut (ausführlichere Beschreibung im Artikel Zum weißen Hasen).
Haus Stadt 324
Dieses Gebäude schloss sich an das Haus Stadt 323 an und reichte bis zum Tiefen Graben. Auch hier standen ursprünglich zwei zweistöckige Häuser. Beide werden 1563 erstmals urkundlich erwähnt. Ab 1673 hatten beide denselben Besitzer und wurden zu einem verbaut. Ende des 17. Jahrhunderts wohnte hier der Bildhauer Tobias Kracker (der Jüngere), dessen zweieinhalbjähriger Sohn Wilhelm hier am 10. Juni 1690 starb. 1852 wurde das Haus von der Gemeinde Wien erworben und 1858 an die "Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe" weiterverkauft.
Haus Stadt 325 "Zur Stadt Frankfurt"
Die erste urkundliche Erwähnung dieses Hauses stammt aus dem Jahr 1566. Der Name "Zur Stadt Frankfurt" ist ab 1779 belegt. 1857 wurde das Gebäude von der "Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe" erworben.
Haus Stadt 326
Im Jahr 1544 wird dieses Haus erstmals urkundlich erwähnt. Ab 1810 stand es im Besitz der Familie Bettini und wurde 1857 an die "Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe" verkauft.
Haus Stadt 327 "Zum goldenen Kreuz"
Auch hier standen ursprünglich zwei Häuser, die aber bereits im Jahr der ersten urkundlichen Nennung (1563) zu einem verbaut waren. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kam es zu einem Streit zwischen dem kaiserlichen Hofspital und dem städtischen Grundbuch, der durch einen Erlass der niederösterrechischen Landesregierung vom 1. Dezember 1676 entschieden wurde: Demnach wurde die zum Platz Am Hof weisende Haushälfte vom Hofspital verzeichnet, während die am Tiefen Graben liegende Hälfte im städtischen Grundbuch verblieben sollte. Tatsächlich wurde diese jedoch im Grundbuch der Burgkapelle geführt. Als 1812 das Hofspitalsgrundbuch aufgelassen wurde, kam das Haus wieder ins Grundbuch der Stadt Wien. 1857 kaufte es die "Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe".
Haus Stadt 328 "Zur kleinen Weintraube"
Hier standen ursprünglich drei Häuser, wobei die zwei dreistöckigen Am Hof und das einstöckige am Tiefen Graben lagen. 1563 werden alle drei zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Nach 1587 fehlen für cirka ein Jahrhundert jegliche Daten. Auf dem Suttinger-Plan von 1684 sind nur mehr zwei Gebäude verzeichnet. Das am Tiefen Graben liegende Haus trug zu dieser Zeit das Hausschild "Zur kleinen Weintraube". Zwischen 1684 und 1701 wurden die beiden Häuser besitzrechtlich vereint. Erst ab 1728 sind die Besitzverhältnisse durch das Grundbuch des Bürgerspitals (Keller und Holzgewölbe wurden im städtischen Grundbuch verzeichnet) nachvollziehbar. Im Jahr 1774 wird in einem Vertrag erwähnt, dass das hintere Haus "angebaut" wurde. Das so entstandene Gebäude bildete ein Durchhaus, das vom Platz Am Hof bis zum Tiefen Graben reichte. 1857 kam das Gebäude in den Besitz der "Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe".
Berühmte Bewohner
Im Haus "Zur kleinen Weintraube" befand sich eine Gastwirtschaft, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts von Georg Waldmüller betrieben wurde. 1793 wurde hier sein Sohn Ferdinand Georg Waldmüller geboren. Während Waldmüller noch als Schüler bei seinen Eltern lebte, wohnte Ludwig van Beethoven in einer Wohnung im dritten Stockwerk, die am Tiefen Graben lag. Er wohnte hier nachweislich im April 1800 und nach seiner Rückkehr aus dem Sommeraufenthalt in Unterdöbling im Herbst des gleichen Jahres. Beethovens Schüler Karl Czerny beschrieb das Haus als sehr hoch und schmal. Theodor Frimmel von Traisenau gibt zwar an, Beethovens Wohnung sei im Haus Stadt 329 ("Zur großen Weintraube"; Am Hof 7) gelegen, doch dieses Haus hatte eine sehr breite Front und passt daher nicht zu Czernys Beschreibung. Außerdem gibt Eugène Eiserle in der "Neuen Wiener Musikzeitung" (1857) an, dass Beethoven im Haus "Zur kleinen Weintraube" gelebt habe. Beethovens Wohnung beschreibt er als "höchst wüst und unordentlich". Und weiter: "Alles lag voll Papiere, kaum ein ordentlicher Stuhl war vorhanden." Auch Kleidungsstücke und einige Koffer sollen herumgelegen sein. Im Jänner 1801 übersiedelte Beethoven in eine Wohnung in der Seilerstätte.
Scheckelkeller
In einem der Häuser befand sich der Scheckelkeller. Da nur mit dem Haus Stadt 328 das Recht auf Bierausschank verbunden war und sich der Eingang des Kellers hinter den Fleischbänken am Tiefen Grabe befand, kommt wohl nur dieses Haus in Betracht. Vielleicht ist der Keller auch mit der Gastwirtschaft "Zur kleinen Weintraube" identisch. Sein Name leitet sich von einem an der Wand hängenden Scheckel (Ochsenziemer) ab, der vom Wirt gegen grobe Gäste eingesetzt wurde. Das Gerücht, dass sich hier der Bürgermeister Wolfgang Holzer mit seinen Mitverschwörern getroffen habe, ist haltlos (ausführlichere Beschreibung im Artikel Scheckelkeller).
Haus Stadt 236 " Heiligengeisthaus"
Dieses den unteren Teil der Freyung beherrschende erzbischöfliches Gebäude an der Ecke des Tiefen Grabens bestand ursprünglich aus zwei Häusern, die 1274 vom Heiligengeistspital erworben wurden (laut Harrer [ Paul Harrer: Wien, seine Häuser ] erst im Jahr 1528 urkundlich belegbar). Im 16. Jahrhundert wird der Hausname "Im Kiel" genannt. Nach Aufhebung des Spitals (1531-1533) gingen die Häuser in den Besitz des Bistums Wien über. 1639 wurden die beiden einstöckigen Häuser abgebrochen und ein neues fünfstöckiges Gebäude errichtet. Es reichte weit über die heutige Baulinie hinaus. Ein Schwibbogen verband es mit dem Haus Stadt 323. Bei der Neugestaltung des Heidenschusses wurde das Haus zwecks Erweiterung des Straßenfläche demoliert (ausführlichere Beschreibung im Artikel Heiligengeisthaus).
Neubau 1858-1860
1858 wurden alle genannten Gebäude abgetragen. In den Jahren 1858-1860 ließ die "Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe" an ihrer Stelle (die Grundflächen der Häuser Stadt 323 und 236 wurden großteils zur Verbreiterung des Heidenschusses verwendet) einen Neubau nach Plänen von Franz Fröhlich erbauen. Dieses fünfgeschossige Bankgebäude hatte drei Fronten und stand auf einer Grundfläche von 1906 Quadratmetern. Im Mittelrisalit befanden sich sechs allegorische Figuren von Hanns Gasser (Schifffahrt und Eisenbahn, Handel und Gewerbe, Ackerbau und Bergbau). Die Gesamtkosten für den Bau betrugen zwei Millionen Gulden.
Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe
Die als erste Mobilbank Österreich-Ungarns gegründete Credit-Anstalt hatte vor allem in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens großen Anteil an der Finanzierung von Eisenbahnen in der Monarchie. Außerdem war sie zusammen mit dem Haus Salomon Mayer Rothschild die führende Bank bei österreichischen Staatsgeschäften. Später spielte sie eine wichtige Rolle bei Anleihen der ungarischen Regierung und der Stadt Wien, sowie verschiedener österreichischer Länder und Gemeinden. Nach dem Ersten Weltkrieg wirkte sie am Ausbau der österreichischen Wasserkraft mit. Der Zusammenbruch der Bank mit zwei Milliarden Schilling Schulden im Jahr 1930 deckte einen der größten Bankskandale Österreichs auf.
Am 10. September 1937 wurde das Gebäude von der "Österreichischen Realitäten A.G." erworben, die 1940 in "Universale, Hoch- und Tiefbau A.G." umbenannt wurde. Mit Verträgen vom 28. beziehungsweise 30. Dezember dieses Jahres kaufte die "Steierische Baugesellschaft" das Gebäude, die 1951 wieder in "Österreichischen Realitäten A.G." umbenannt wurde.
Kriegsschäden
Am 10. September 1944 wurde das Haus von fünf Fliegerbomben getroffen, wodurch es an allen drei Frontseiten zu schwersten Beschädigungen und Einstürzen kam. Vor allem an der Ecke Heidenschuss/Tiefer Graben waren die Schäden so groß, dass man diesen Bauteil sprengen musste. Dadurch kam es zu weiteren Schäden. Nun stürzten auch die unteren zwei Stockwerke ein und der Schutt fiel in das bisher unbeschädigte "Café Heidenschuss". Damit war das Gebäude so stark zerstört, dass es nicht mehr repariert werden konnte.
Neubau 1952-1954
Nach dem Krieg wurde das Haus abgetragen und 1952-1954 an seiner Stelle das Gebäude der Verbundgesellschaft nach Plänen von Carl Appel errichtet.
Gewerbe und Firmen innerhalb des Hauses im Laufe der Jahre
Haus 328:
- Gastwirtschaft
- "Zum weißen Engel" Apotheke (1808-1891)
Neubau 1858-1860:
- Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe
- Café Heidenschuss
Literatur
- Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. 11 Bände. Wiesbaden: Steiner 1969-1981. Band 4, S. 175
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 2, 1. Teil. Wien ²1952 (Manuskript im WStLA), S. 177-180 (Haus Stadt 236)
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 2, 2. Teil. Wien ²1952 (Manuskript im WStLA), S. 266-276 (alle anderen Häuser)