Intimes Theater (Liliengasse 3)
48° 12' 25.16" N, 16° 22' 22.94" E zur Karte im Wien Kulturgut
Das "Intime Theater" an der Adresse 1., Liliengasse 3, Ecke Weihburggasse 9, bestand von 1955 bis 1959.
Vorgeschichte
Davor waren am selben Standort mehrere Theater-, Varieté- und Unterhaltungsetablissements gewesen, unter anderem das Etablissement Grand Gala, danach das Moulin Rouge, ab 1939 das Wiener Werkel, 1954 die Literatur im Moulin Rouge, von 1946 bis 1950 das Studio des Theaters in der Josefstadt, danach erneut das Wiener Werkel und zuletzt die Kleine Komödie.
Intimes Theater (1)
Nachdem das Projekt von Trude Pöschl, die "Kleine Komödie", nach nur zwei Spielzeiten gescheitert war, wurde in den Medien darüber berichtet, dass der Ort erneut ein Tanzlokal oder sogar ein "Bierkabarett" werden könnte. Schließlich erhielt aber der damalige Inhaber des Simpl, Baruch Picker, den Zuschlag. Er pachtete die Räume, benannte das Unternehmen in "Intimes Theater" um und bestellte den künstlerischen Simplleiter Karl Farkas, der bereits in den 1930er Jahren hier tätig gewesen war und sich ab 1948 auch selbst für den Betrieb beworben hatte, als neuen künstlerischen Leiter auch für seinen zweiten Betrieb. Gerhard Bronner beschreibt in seinem Buch Spiegel vorm Gesicht (2004) kritisch über diesen Schritt: "Karl Farkas leitete seit Jahren das klassische Wiener Kabarett Simpl. Doch das genügte ihm nicht. Er wollte nebenbei noch ein Haus leiten, in dem er seine alten Singspiele aufführen konnte. Er überredete den Besitzer des Simpl, das war ein Spenglermeister namens Picker, das zugrunde gegangene `Wiener Werkel ́zu mieten, was dieser auch tat. Farkas nannte das Haus 'Intimes Theater' und führte dort alte Singspiele aus den zwanziger und dreißiger Jahren auf, eine Zeitlang ging das auch gut, aber dann verlor das Publikum an diesen aufgewärmten Lustspielen das Interesse. Das Unternehmen wurde defizitär."
Bereits im Sommer 1955 wurde die Eröffnung angekündigt, de facto begann man aber erst im Dezember mit eine Revue aus dem Jahr 1929: Der Wunder-Bar. Die Kritiken waren unterschiedlich: Manche freuten sich über die Wiederbelebung der Zwischenkriegserfolge, andere, darunter der spätere Volkstheaterdirektor Paul Blaha, sahen darin einen "langweiligen und dünnen Aufguss" alter, nicht mehr zeitgemäßer Erfolge. Die zweite Produktion, die im März Premiere hatte, wurde ein finanzielles Desaster: "Rendezvous bei Katja" war, so Blaha im Bildtelegraf vom 7. März 1956, ein "Schlüpfriges Trottoirtheater mit breitgetretenen Witzen". Nur wenige Tage darauf wurde die Produktion abgesetzt, Picker zog die Direktion ab und suchte nach einem neuen Leiter des von ihm gepachteten Theaters. Im Mai und Juni gastierte hier etwa der deutsche Kabarettist Martin Rosenstiel. Überlegungen, dass Leon Epp, wie einst das Theater in der Josefstadt, das Theater als zweite Spielstätte übernehmen könnte, blieben Teil der damaligen medial viel beachteten Krise des Theaters.
Die Schauspielerin Luise Martini erinnert sich in ihren Theatermemoiren daran, dass die Räume selbst zu diesem Zeitpunkt schon stark heruntergekommen waren: "Wahrscheinlich war seit den seligen Moulin-Rouge-Zeiten nie mehr renoviert worden. Die Schauspielergarderoben lagen im Keller, und ich habe sicher keine Halluzinationen gehabt, wenn ich ab und zu ein Mäuschen vorbeihuschen sah (es könnte auch eine liebe kleine Ratte gewesen sein). [...] Meine 'Stargarderobe' war sicher seit Jahrzehnten nicht ausgemalt worden, ein Kellerloch! Einen Schrank gab es nicht, nur ein paar alte, verrostete Eisenhaken an der Wand. Außer der dürftigen Beleuchtung beim Schminkspiegel war da noch eine Lichtquelle: An einem Kabel hing von der Decke eine Fassung mit einer, seien wir großzügig, 40-Watt-Birne."
Das "Namenlose Ensemble" im Intimen Theater
Ob es Farkas selbst war oder auf Einladung Pickers kam, ist unklar: Doch noch im Jahr 1956 stellte Gerhard Bronner mit Vertretern der damals jungen Kabarettszene, darunter Helmut Qualtinger, Georg Kreisler, Carl Merz, Peter Wehle und Hans Weigel, ein "Namenloses Ensemble" zusammen und versuchte, den Pachtvertrag zu übernehmen, erhielt das Theater jedoch nur in Subpacht. Die kommenden Monate waren die erfolgreichsten, die das Theater seit Langem gesehen hatte, wobei das Programm Glasl vor'm Kopf 1957/1958 zum erfolgreichsten wurde. "Für das Theater in der Liliengasse bedeutet die Ära der 'Namenlosen' eine der erfolgreichsten in der Geschichte des Hauses. Die Medienversuchten, sich in gegenseitigen Jubel-Bekundungen zu übertreffen, und das Theater war über Monate ausverkauft."[1]
Noch während der Laufzeit der Revue beendete Picker jedoch seinen Vertrag mit Bronner und dessen Mitstreitern. Das Ensemble wurde trotz des guten Erfolgs "obdachlos", wie es Bronner Jahre später formulierte: "Der Erfolg war so groß, daß jener Mann, der uns das Theater vermietet hatte, unseren Mietvertrag nicht mehr erneuerte. Der Mann war nämlich hauptberuflich der Eigentümer des 'Simpl', und daher beschloß er eines Tages, um jedwede Konkurrenz aus der Welt zu schaffen, unser Team obdachlos zu machen. Natürlich hat er uns das selbst nicht gesagt, wir erfuhren es vielmehr aus der Zeitung –wie das in Wien so üblich ist. Sämtliche Überredungskünste und Interventionen blieben ergebnislos, wir mussten uns nach einem anderen Betätigungsfeld umsehen. Ein anderes Theater war in der Schnelligkeit nicht aufzutreiben, daher wandten wir uns ans Fernsehen."[2]
Während sich die Gruppe, wie sie hier bestand, rasch auflöste, konnte Gerhard Bronner noch 1959 das Theater am Kärntnertor übernehmen und als " Neues Kärntnertortheater" eröffnen.
Intimes Theater (2)
Bereits 1958 stand der neue Direktor des Theaters fest: der Filmproduzent Otto Dürer, mit dem Picker nun einen neuerlichen Vertrag abschloss. Dürer brachte erneut leichte Kost, wobei er eine Reihe von Publikumslieblingen aus dem Film an das Haus holen konnte. Doch die zwei Jahre des erfolgreichen neuen Kabaretts, die das Haus zuvor erlebt hatte, konnte er nicht wiederholen; harte öffentliche Kritik, wie sie schon das Intime Theater in Farkas' Leitung nur wenige Jahre zuvor einstecken musste, ließ auch den neuerlichen Versuch eine innerstädtischen Unterhaltungsbühne - zumal nicht unweit davon die Kammerspiele des Theaters in der Josefstadt florierten - scheitern. 1959 war auch dieses Unternehmen beendet.
Theater im Zentrum
1960 wurde mit dem "Theater im Zentrum" von Paul Wondruschka ein wieder neues Unternehmen an diesem Standort gestartet. Seit 1964 wird das Theater im Zentrum im Verbund des Theaters der Jugend geführt.
Schauspielerinnen und Schauspieler
Im Wien Geschichte Wiki gibt es 1 Einträge von Personen, die im Intimes Theater (Liliengasse 3) engagiert waren.
BildName des Bildes | Name | BerufBeruf | GeburtsdatumDatum der Geburt | SterbedatumSterbedatum |
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Gerhard Bronner | Schauspieler Kabarettist | 23 Oktober 1922 | 19 Januar 2007 |
Quellen
Literatur
- Gerhard Bronner: Spiegel vorm Gesicht. Erinnerungen. München: Deutsche Verlags-Anstalt 2004
- Markus Felkel: Von der Publikumsorganisation zur eigenen Bühne – Das Theater der Jugend zwischen 1945 und 1964. In: in: Neue Wege. 75 Jahre Theater der Jugend in Wien, hg. von Gerald Bauer und Birgit Peter. Wien: LIT 2008
- Markus Felkel: Vom Etablissement Grand Gala zum Theater im Zentrum – eine theaterarchäologische Spurensuche in Wien. Dipl.-Arbeit Univ. Wien. Wien 2015
- Manfred Lang: Kleinkunst im Widerstand. Das Wiener Werkel; das Kabarett im Dritten Reich. Diss. Univ. Wien, 1967
- Rudolf Weys: Cabaret und Kabarett in Wien, Wien, München: Jugend und Volk 1970
Einzelnachweise
- ↑ Markus Felkel: Vom Etablissement Grand Gala zum Theater im Zentrum – eine theaterarchäologische Spurensuche in Wien. Dipl.-Arbeit Univ. Wien. Wien 2015, S. 54.
- ↑ Gerhard Bronner: Spiegel vorm Gesicht. Erinnerungen. München: Deutsche Verlags-Anstalt 2004, S. 222.