Studio des Theaters in der Josefstadt
48° 12' 25.59" N, 16° 22' 22.62" E zur Karte im Wien Kulturgut
Das Studio des Theaters in der Josefstadt existierte von 1946 bis 1950 an der Adresse 1., Liliengasse 3.
Geschichte
1946 zog die "Literatur im Moulin Rouge", das Ensemble des bis September 1944 an dieser Adresse bestehenden Wiener Werkel, endgültig aus, und der damalige Dramaturg des Theaters in der Josefstadt, Alfred Ibach (1902–1948), der bereits unter Heinz Hilpert gearbeitet und nun bei Rudolf Steinboeck tätig war, übernahm die frei gewordenen Räume als neue Studiobühne für das Theater in der Josefstadt.
Studiobühnen waren zu dieser Zeit mehrere in Wien zu finden, etwa das wenige Monate davor gegründete Studio der Hochschulen oder bald darauf das "Studio der Schauspieler", die spätere "Szene 48" , und Ibach gab in einem Handzettel des Theaters in der Josefstadt anlässlich der Eröffnung der neuen Räume folgende Definition für den neuen Theateransatz:
"Studiotheater unterscheidet sich von dem gewöhnlichen Theater durch die Erwartungen, die dem Publikum nahegelegt sind. Während der Besucher der gewöhnlichen Theatervorstellungen mit seinem Billett einen Anspruch auf Kunstgenuß oder auf Spannung und Unterhaltung erwirbt, erwirbt der Studiobesucher einen Anspruch auf aktive Mitentscheidung. Er erwartet, daß von ihm ein Ja oder Nein zu keineswegs von vornherein gesicherten Darbietungen abverlangt wird. Er ist Partner und Schiedsrichter in einer Art Experimentalvorstellung, die sich vorgenommen hat, zur Lösung von Problemen des Geistes oder der Form dadurch beizutragen, daß sie sie zunächst einmal stellt. So ist Studio immer auch eine Sache der Jugend. Auf beiden Seiten der Rampe heißt seine Devise: entdecken oder entscheiden! Gerade in der Unentschiedenheit des Ausgangs liegt die wesentliche, die geistige Spannung für den Besucher."
Anders als andere Studiobühnen der Zeit, waren die Gründer keine Studierenden (wie beim Studio der Hochschulen) oder junge Theatermacher und Theatermacherinnen, die zum Teil noch in Ausbildung standen, sondern ein renommiertes Wiener Theater und dessen leitender Dramaturg. So konnte Ibach, der über gute Kontakte zu Verlagen, Autoren, Regisseuren verfügte und auf das Ensemble des Theaters in der Josefstadt zurückgreifen konnte, einen, wie Herbert Lederer in "Bevor alles verweht ..." 1986 schreibt, "reiferen" Spielplan gestalten, wenn auch viele Autoren sich auch auf anderen kleineren Bühnen der Zeit wiederfanden. So wurde mit Hans Weigels "Barabbas oder der 50. Geburtstag" am 28. Jänner 1946 eröffnet, "der ersten wesentlichen Uraufführung eines österreichischen Autors nach dem Krieg überhaupt" (Herbert Lederer).
Es folgten Stücke von Thornton Wilder, Heinrich Carwin, Jean Anouilh, Curt J. Braun und J. B. Priestley. Vor allem aber gehörte Ibach zu den frühen Wiederentdeckern Ödön von Horváths, den er hier, nicht jedoch im großen Haus zeigen konnte: 1946 kam "Hin und Her" mit Liedtexten Weigels und in der Regie von Christian Moeller heraus. 1947 folgte "Figaro läßt sich scheiden", das Ibach selbst inszenierte. Zu den Regisseuren des kleinen Hauses zählten vor allem Franz Pfaudler und Josef Zechell, daneben so bekannte Namen wie Hans Thimig, Rudolf Steinboeck, Leopold Rudolf und Hans Holt.
Am 21. März 1946 feierte Franz Hrastniks erstes Theaterstück, "Der Maler Vincent", für das der Autor selbst auch das Bühnenbild schuf, seine Uraufführung mit Leopold Rudolf in der Rolle des Malers, dessen Leben der Autor als tragisches Stationendrama nachzeichnete. Neben Rudolf gehörten so prominente Schauspielerinnen wie Aglaja Schmid, Helly Servi, Melanie Horeschovsky, Ludmilla Hell, Gisa Wurm und Grete Zimmer und so beliebte Schauspieler wie Alfred Neugebauer, Gandolf Buschbeck, Theodor Danegger, Karl Böhm, Karl Kalwoda, Erik Frey und Ernst Waldbrunn zum Ensemble, das hier immer wieder auftrat. Unter den Nachwuchsdarstellern und Nachwuchsdarstellerinnen finden sich auch Namen wie Erni Mangold oder Kurt Sowinetz.
Doch am 16. Juni 1948 starb Alfred Ibach, und das bis dahin als eines der besten der Stadt geltende kleine Theater änderte seinen Spielplan neuerlich und brachte von nun an vor allem kabarettistische Programme und Lustspiele, die schon in der letzten Spielzeit zu Lebzeiten Ibachs Einzug gefunden hatten: die Kabarettrevuen "Seitensprünge" und "Wir sind so frei" von Hans Weigel sowie die Operette "Entweder - oder" von Alexander Steinbrecher (Musik) und Weigel (Text), "Es schlägt zwölf, Herr Doktor" von Hans Adler und Hans Lang, "Abziehbilder, ein österreichisches Wunschtraumbüchl in 16 Kapiteln" von Weigel, Ernst Hagen, Gottfried Haindl, Hermann Kind und Rudolf Spitz oder "Wigl-Wagl, wienerische Indiskretionen in 28 Bildern" von Rolf Olsen und Aldo von Pinelli.
Bereits kurz nach dem Tod Ibachs wurde der Titel geändert und aus dem "Studio" das "Kleine Theater" des Theaters in der Josefstadt, erinnert sich Herbert Lederer. Am 21. Mai 1950 endete nach nur viereinhalb Jahren der Versuch einer jungen Studiobühne des Theaters in der Josefstadt. "Was so hoffnungsvoll erneuernd begonnen hatte, endete in der Abgeschmacktheit eines Transvestitenschwankes", resümierte Lederer die von Ibach begonnenen Neuerungsversuche kritisch.
Zeitgleich begannen die Kammerspiele als zweite Bühne des Theaters in der Josefstadt das zuletzt am Studio gebotene leichte Unterhaltungsprogramm weiterzuführen. Und 1952 versuchten die jungen Ensemblemitglieder des Theaters in der Josefstadt noch einmal, den Studio-Gedanken wiederzubeleben und die "Junge Bühne des Theaters in der Josefstadt" zu gründen. Doch nach einer Eröffnungspremiere mit Sartres "Tote ohne Begräbnis" in der Regie von Otto A. Eder, bei der unter anderen Kurt Jaggberg, Michael Toost, Kurt Sowinetz, Bibiana Zeller und Ernst Stankovski mitwirkten, und einer zweiten Arbeit, die vom Nachwuchsensemble jedoch nicht mehr selbst fertiggestellt wurde (Franz Kafkas Das Schloß), endete der Versuch bereits wenige Monate wieder, und "[v]on einer Jungen Bühne hat man danach nie wieder was gehört" (Herbert Lederer).
Schauspielerinnen und Schauspieler
Im Wien Geschichte Wiki gibt es 16 Einträge von Personen, die im Studio des Theaters in der Josefstadt engagiert waren.
BildName des Bildes | Name | BerufBeruf | GeburtsdatumDatum der Geburt | SterbedatumSterbedatum |
---|---|---|---|---|
Theodor Danegger | Schauspieler | 31 August 1891 | 11 Oktober 1959 | |
![]() | Erik Frey | Schauspieler | 1 März 1908 | 2 September 1988 |
![]() | Hans Holt | Schauspieler Regisseur Theaterautor Filmschauspieler | 22 November 1909 | 3 August 2001 |
Melanie Horeschovsky | Schauspielerin | 26 November 1901 | 13 Februar 1983 | |
Karl Kalwoda | Schauspieler | 18 Juli 1896 | 16 Oktober 1951 | |
Erni Mangold | Schauspielerin | 26 Januar 1927 | ||
Alfred Neugebauer | Schauspieler | 27 Dezember 1888 | 14 September 1957 | |
Leopold Rudolf | Schauspieler | 3 Mai 1911 | 4 Juni 1978 | |
Aglaja Schmid | Schauspielerin | 9 August 1926 | 16 Dezember 2003 | |
Kurt Sowinetz | Schauspieler Maler | 26 Februar 1928 | 28 Januar 1991 | |
Ernst Stankovski | Schauspieler Regisseur Kabarettist | 16 Juni 1928 | 26 Januar 2022 | |
Michael Toost | Schauspieler | 15 Dezember 1927 | 18 Juni 1983 | |
Ernst Waldbrunn | Schauspieler Komiker Kabarettist Schriftsteller | 14 August 1907 | 22 Dezember 1977 | |
Gisa Wurm | Schauspielerin | 8 Oktober 1885 | 10 August 1957 | |
Bibiana Zeller | Schauspielerin | 25 Februar 1928 | 16 Juli 2023 | |
Grete Zimmer | Schauspielerin | 9 Dezember 1922 | 28 Juli 2003 |
Literatur
- Gerald Maria Bauer / Birgit Peter [Hg.]: Das Theater in der Josefstadt. Wien: Lit 2010
- Markus Felkel: Vom Etablissement Grand Gala zum Theater im Zentrum – eine theaterarchäologische Spurensuche in Wien. Diplomarbeit, Universität Wien. Wien 2015
- Herbert Lederer: Bevor alles verweht ... Wiener Kellertheater 1945-1950. Wien: ÖBV 1988, S. 45–50