Studio der Hochschulen
48° 13' 0.93" N, 16° 21' 52.06" E zur Karte im Wien Kulturgut
Das Studio der Hochschulen befand sich von Juni 1945 bis zur Schließung im November 1950 an der Adresse 9., Kolingasse 19.
Gegründet wurde das Studio von Dr. Friedrich Langer, dem damals 23-jährigen Leiter des Kulturreferats der Interessenvertretung der Studierenden der Universität Wien, die mit einer Vorlesung an der Philosophischen Fakultät wiedereröffnet worden war. Langer begann damit, ein Kontingent an verbilligten Karten für Studierende aufzubauen sowie vier Sachgebiete zu definieren, in denen man sich einbringen konnte: Wissenschaft und Literatur, bildende Kunst, Musik und Theater und Film. Sachbearbeiterin des letzteren Bereichs wurden Hilde Weinberger, bald auch Kurt Radlecker, wobei Weinberger auch die "Arbeitsgemeinschaft Studio der Hochschulen" leitete.
Die ersten Mitglieder des Studios wurden durch Aushänge in den Räumen der Universität Wien gefunden. So erinnerte sich Radlecker später in einem Gespräch mit Herbert Lederer: "Beim Inskribieren ist mir ein Taferl ins Auge gefallen: 'Laienspielgruppe des Kulturreferats der Österreichischen Hochschülerschaft'. Da bin ich hingegangen. Es waren schon einige Leute beisammen. Eine Dame hat das besonders vorangetrieben, das war die Doktor Hilde Weinberger."
Das Studio der Hochschulen stellte schon bald eine der ersten "Alternativen" zum institutionellen Theater nach 1945 dar. Schauspielerinnen und Schauspieler der jungen Gruppe aus Studierenden unterschiedlicher Fachbereiche waren unter anderen Hildegard "Hilde" Sochor, Robert Stern und Lona Bubois. In den fünf Jahren seines Bestehens kam noch eine Reihe weiterer, bald prominenter Künstlerinnen und Künstler zum Ensemble, darunter Helmut Qualtinger, Kurt Sobotka, Peter Weihs, Helmut Wochinz, Fritz Zecha, Herbert Fuchs, Walter Langer, Bibiane Zeller, Herta Kravina, Maria Ott, Gerhart Mörtel, Friedrich Haupt, Xenia Hagmann, Hedy Reichel und Annelies Stöckl.
Am 10. Mai 1945 eröffnete das Studentenhaus in der Kolingasse 19 mit Mensa und kleinem Festsaal – das ehemalige Haus der „Gaustudentenführung“, das von der Österreichischen Demokratischen Studentenschaft beschlagnahmt worden war. Und schon am 7. Juni 1945 folgte die dortige Eröffnung des neuen Studios in der Kolingasse.
In der Folge konnten alle Mitglieder Stücke vorschlagen und gemeinsam erarbeiten. Die Produktivität war enorm, und auch die Weiterbildung, etwa in Sprecherziehung und Körperarbeit (Mimik), vor allem durch Hilde Weinberger, wurde wesentlich vorangetrieben. Bald schon kamen prominente Lehrende dazu, unter anderem Wolfgang Heinz, der aus dem Exil zurückkam und bei dem unter anderem Sochor und Radlecker, Elfriede Trambauer und Alexander Kerszt Unterricht nahmen.
Relativ rasch war ein Großteil der Ensemblemitglieder Schauspielschülerinnen und -schüler, die parallel zur Arbeit am Studio Schauspielunterricht nahmen und die Schauspielprüfung ablegten, sodass es zu einer Professionalisierung des Studios kam, die auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. 1949 hieß es in der Broschüre "Zwei Jahre Studio der Hochschulen" stolz, man könne "mit Genugtuung feststellen, daß wir einen nicht unbedeutenden Beitrag geliefert haben: Experimentelles Neuland in theatralischer Gestaltung und dramatischem Schaffen, literarisch wertvolle Werke der Weltliteratur und die Stimmen der jungen zeitgenössischen Generation – das sind die bestimmenden Komponenten unseres Spielplans."
Friedrich Lang blieb die zentrale Figur des Studios, seine Stellvertreter wechselten hingegen jährlich: 1945/1946 Alois Haderer, 1946/1947 Fritz Werani, 1947–1949 Peter Hentschel und zuletzt 1949/1950 Erich Neuberg. Ab 1948 war Langer jedoch nur noch im "Nebenberuf" hier verantwortlich, wechselte er doch in diesem Jahr in das Wiener Stadtratsbüro von Dr. Viktor Matejka, wo er von nun an als Theaterreferent fungierte und damit den bisherigen Berater, Hans Horak von den Kammerspielen, ablöste. Weitere junge Regisseure wie Kurt Julius Schwarz, Michael "Mischa" Kehlmann und Helmut H. Schwarz stießen zum Ensemble. Kehlmann und Helmut H. Schwarz übernahmen gemeinsam mit Neuberg bald nach Langs informellem Abgang die künstlerische Leitung in Form eines "dramaturgischen Ausschusses".
Auf dem Spielplan standen Klassiker wie Goethes "Stella" und "Faust", Shakespeares "Antonius und Kleopatra" und "Ein Wintermärchen", Georg Büchners "Wozzek" (!) und "Leonce und Lena", Stücke von Johann Nestroy, Hermann Bahr, Ferdinand Bruckner, Anton Wildgans, Carl Sternheim und J. B. Priestley. Bald schon tauchten auch neue Stücke der Zeit im Spielplan auf, etwa Radleckers "Gegen Agamemnon", Michael Kehlmanns "Die entscheidende Stunde" und "Die 25. Stunde" sowie dessen "Kabarettrevue" "Wir stellen fest", Hans Weigels "Phantasie" "Die Erde" oder Rabindranath Tagores "Chitra" und "Das Posament".
1949 fusionierte das Studio der Hochschulen mit dem Theater der 49 und nannte sich in "Studio in der Kolingasse" um. "Damit sollte der letzte Geruch von amateurhaftem 'Gaudeamus igitur' getilgt werden", erinnerte sich Herbert Lederer 1986 in seiner Geschichte der Wiener "Kellerbühnen" "Bevor alle verweht ...".
Von da an wurde täglich, sieben Mal in der Woche, Theater gespielt. Mit der Zeit wurden sogar mehrere Stücke parallel an unterschiedlichen Orten gespielt, sodass sich auch das Ensemble stetig erweiterte. Doch interne Konflikte, nicht zuletzt rund um künstlerische Fragen, führten zu zunehmenden Spannungen vor allem innerhalb des Leitungsteams. Zeitgleich eröffneten weitere Wiener "Kellertheater", die Konkurrenz stieg, Schauspielerinnen und Schauspieler wanderten ab. Zuletzt war die Situation so prekär, dass die Hochschülerschaft die Ausfallshaftung verweigerte. Am 19. Oktober 1950 wurde die Spielzeit noch eröffnet – doch am 12. November 1950 hieß es "Schließung des Studios infolge Kündigung durch den Hausherrn (Österr. Hochschülerschaft)". Die letzten beiden Premieren waren Nestroys "Der Talisman" in der Regie von Helmut Qualtinger und Günther Weisenborns "deutsches Requiem" "Die Illegalen" in der Regie von Helmut H. Schwarz.
In eine Rückschau auf die Jahre des Studios meinte dessen Gründer Friedrich Langer, der später Pressereferent des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung wurde und Professor für [[ Theatergeschichte]] am Max Reinhardt Seminar wurde: "Es bleibt Bitterkeit! Die Ideale, die wir damals aufgebaut haben, sind weg. Obwohl es uns materiell in Österreich viel, viel besser geht, als wir uns jemals haben träumen lassen. Aber der Elan, die Unverfrorenheit, die sind abhanden gekommen."[1]
Schauspielerinnen und Schauspieler
Im Wien Geschichte Wiki gibt es 6 Einträge von Personen, die im Studio der Hochschulen engagiert waren.
BildName des Bildes | Name | BerufBeruf | GeburtsdatumDatum der Geburt | SterbedatumSterbedatum |
---|---|---|---|---|
Walter Langer | Schauspieler | 29 Oktober 1928 | 12 Juni 2018 | |
Helmut Qualtinger | Schauspieler Kabarettist Schriftsteller | 8 August 1928 | 29 September 1986 | |
Kurt Sobotka | Schauspieler Kabarettist Regisseur | 9 März 1930 | 8 September 2017 | |
Hilde Sochor | Schauspielerin | 5 Februar 1924 | 31 Mai 2017 | |
Fritz Zecha | Schauspieler Regisseur Oberspielleiter | 6 Januar 1925 | 18 April 1996 | |
Bibiana Zeller | Schauspielerin | 25 Februar 1928 | 16 Juli 2023 |
Literatur
- Heidi Jandl: Österreichische Studenten- und Studiobühnen im kultur- und gesellschaftspolitischen Konnex der ersten Nachkriegsjahre, 1945-1950. Diss., Univ. Wien. Wien 1982 (4 Bände)
- Herbert Lederer: Bevor alle verweht ... Wiener Kellertheater 1945–1950. Wien 1986, S. 24–40
Link
- Angela Heide: KinTheTop [Stand: 19.10.2021]
Einzelnachweise
- ↑ Herbert Lederer: Bevor alle verweht ... Wiener Kellertheater 1945–1950. Wien 1986, S. 24–40, hier S. 34.