Moulin Rouge (Etablissement Grand Gala)
48° 12' 25.16" N, 16° 22' 22.94" E zur Karte im Wien Kulturgut
Das "Moulin Rouge" befand sich von 1920 bis 1938 an der Adresse 1., Liliengasse 3, Ecke Weihburggasse 9.
An der Adresse war ab dem frühen 17. Jahrhundert der (zweite) "Lilienfelder Hof" beheimatet. Nach dem Abriss des Gebäudes im Jahr 1911 wurde hier von 1912 bis 1913 ein neues Zinshaus nach Plänen von Ignaz Nathan Reiser errichtet, in dessen Souterrain von Beginn an Räume für ein Unterhaltungsetablissement gestaltet wurden.
Etablissement Grand Gala
Bereits ab der Fertigstellung des Hauses 1913 befand sich hier ein Unterhaltungslokal, das zuerst den Namen "Etablissement Grand Gala" trug. Als erster Geschäftsführer wurde Moriz Rosner eingesetzt, der Betrieb hatte 350 Plätze. Architekt des neuen Wiener Unterhaltungslokals war Eduard Prandl, der unter anderen auch für die Planung des Varietés Apollo (1903/1904) und des Johann Strauß Theaters (1908–1960) verantwortlich gezeichnet hatte. Bereits 1914 trat Rosner aus dem Betrieb wieder aus. (Das bereits davor an der Adresse Weihburggasse 11 bestehende "Moulin Rouge" musste fast zeitgleich Konkurs anmelden und schloss an dieser Adresse seine Tore.)
Palais de danse Moulin-Rouge
Von 1915 an bis 1920 wurden die Räume für Veranstaltungen für rekonvaleszente Soldaten des Ersten Weltkriegs genutzt. Ab diesem Jahr findet man den Begriff "Palais de danse Moulin-Rouge" für den Standort Weihburggasse 9, Ecke Liliengasse, der somit den Namen des ehemals im Nebenhaus betriebenen Unternehmens übernahm. Ab diesem Jahr wurde das Etablissement vor allem für Tanzveranstaltungen verwendet, die von "feinster wiener französischer Küche" begleitet wurden, wie es in einer Werbeannonce aus diesem Jahr hieß. Im Laufe der Zeit traten immer mehr Varietékünstlerinnen und Varietékünstler auf und das Lokal entwickelte sich zu einem bekannten Veranstaltungsort.
Ab 1927 findet man Arthur Glück (1., Singerstraße 12) als neuen Konzessionär des Unternehmens, wobei in diesem Jahr unter anderem auch auf Modeschauen hingewiesen wird, die hier gezeigt wurden, aber auch darauf, dass Glück das Unternehmen noch immer zu denselben Bedingungen zu führen habe wie 1913 Moriz Rosner.
Vergnügungsetablissement Moulin Rouge
1932 eröffnete hier das "Vergnügungsetablissement Moulin Rouge" in den in diesem Jahr erneut umgebauten Räumen, die von nun an durch eine Zwischendecke verkleinert beziehungsweise erweitert wurden. Der Umbau wurde von Carl Witzmann geleitet, der unter anderen 1923/1924 das Theater in der Josefstadt, aber auch eine Reihe populärer Wiener Kinos neu gestaltet hatte. Witzmann baute Bühne wie Zuschauerraum um, ließ die bis dahin in den Saal laufende Treppe abtragen, eine Drehscheibe einbauen und den Zuschauerraum mittels einer Stahlkonstruktion heben.
Die Weltwirtschaftskrise und die beiden großen Umbauten von 1929 und 1932 ließen Glück in eine finanzielle Krise rutschen, obwohl er von 1932 bis 1933 mit Karl Farkas und ab 1933 mit Fritz Grünbaum Publikumslieblinge des Unterhaltungsgenres an das Haus binden konnte. Im September 1933 zeigte man hier beispielsweise die Revue "Verlieb dich täglich" mit Grünbaum und seinem populären Kollegen Franz Engel.
Revue-Bühne Moulin-Rouge
Ab 1934 nannte sich das Varieté "Revue-Bühne Moulin-Rouge". Konzessionär war zu diesem Zeitpunkt die "Revue- und Vergnügungsgesellschaft m.b.H." mit Sitz 1., Weihburggasse 9, als Geschäftsführer agierte noch immer Arthur Glück; gezeigt wurden Revuen wie "Mädchen im Hotel" (Oktober 1934).
Noch im selben Jahr übernahm Philipp Hamber mit Geldern aus den mit seinem Bruder geführten Kino- und Filmverleihgeschäften den Betrieb, doch da sich die finanzielle Situation der Brüder zu diesem Zeitpunkt als katastrophal herausstellte, konnte auch Hamber den Betrieb nicht halten. Eine noch am 8. Jänner 1935 angekündigte Revue von Farkas und Grünbaum kam nicht mehr zustande. Im Mai 1935 wurde im "Neuen Wiener Tagblatt" auf den Niedergang des Moulin Rouge eingegangen und davon berichtet, dass Philipp Hamber wie auch Arthur Glück "verschiedene Unregelmäßigkeiten zum Nachteil der Gesellschaft nachgewiesen" wurden und sie in das Wiener Landesgericht überstellt worden seien, da bei beiden "Flucht- und Verdunklungsgefahr" bestehe.
Im April 1935 trat Glück zurück, wie aus einem Schreiben an das Besondere Stadtamt von 29. April des Jahres hervorgeht. Ihm folgten der am 3. August 1902 in Angern an der March geborene Arthur Amelin (5., Margaretenstraße 78) und 1936 Julius Gertler. Betreiber war nun die "Lilienfelderhof Vergnügungsetablissement Ges.m.b.H. ('Moulin Rouge')", die zudem eine "Gast- und Schankgewerbekonzession in der Betriebsform eines Vergnügungsrestaurants und Bar" für die Räume besaß. Das Etablissement verfügte zu diesem Zeitpunkt über drei "separierte Räume" für dessen "Tanzgirls", die 1936 aufgelöst werden sollten. Es war zu diesem Zeitpunkt vor allem ein Nachtlokal mit "Animierdamen".
1937 wurde für den Standort vom am 21. April 1904 geborenen Konstrukteur und Kassier beim Mieterbund Wien Robert Püls (8., Josefstädter Straße 33) und vom Wiener Beamten der Landesleitung der Vaterländischen Front Helmar Schramek (* 3. Juli 1912; 5., Kliebergasse 1a) der Antrag auf Verleihung einer Kinokonzession beim Wiener Magistrat vorgelegt. Dieser Antrag wurde jedoch aufgrund der negativen Stellungnahme der Interessenverbände abgelehnt: "Von einem Bedarf nach neuen Kinoplätzen in Wien kann bei der behördlich wohl bekannten, außerordentlich schwierigen Situation der Kinobetriebe nicht im Entferntesten gesprochen werden", hielt der Bund der Wiener Lichtspiel-Theater in einem Schreiben von 9. Jänner 1938 fest. Und weiter: "Jede Vermehrung der Konkurrenz durch die Schaffung eines neuen Kinobetriebes würde für die Wiener Kinobetriebe – noch dazu in der Inneren Stadt – ein Unglück bedeuten. Wir bitten daher nochmals um die Abweisung des Ansuchens der Firma Robert Puls & Co […]."
Für die Jahre 1935 bis 1938 fasst Markus Felkel in seiner Diplomarbeit Vom Etablissement Grand Gala zum Theater im Zentrum – eine theaterarchäologische Spurensuche in Wien zusammen: "Das Image als Vergnügungsetablissement scheint für die neuen Besitzer Glück und Hamber Legitimation gewesen zu sein, aus einem Nachtlokal eine Revue-Bühne mit Star-Faktor zu etablieren. Nachdem die Unternehmung zusammenbrach, wurde das Moulin Rouge zu einem Tanzlokal mit Animierdamen – der Mythos vom Bordell-/Separee-Betrieb kann für die Phase von 1935 bis 1938 belegt werden."
Zum Standort siehe weiter: Wiener Werkel, Studio des Theaters in der Josefstadt, Theater im Zentrum, Theater der Jugend
Das bekannteste Wiener Moulin Rouge in der 1., Walfischgasse wurde hingegen erst nach dem Zweiten Weltkrieg unter diesem Namen eröffnet.
Schauspielerinnen und Schauspieler
Im Wien Geschichte Wiki gibt es 3 Einträge von Personen, die im Moulin Rouge (Etablissement Grand Gala) engagiert waren.
BildName des Bildes | Name | BerufBeruf | GeburtsdatumDatum der Geburt | SterbedatumSterbedatum |
---|---|---|---|---|
Karl Farkas | Kabarettist Regisseur Schauspieler Schriftsteller | 28 Oktober 1893 | 16 Mai 1971 | |
Fritz Grünbaum | Kabarettist Schriftsteller Humorist | 7 April 1880 | 14 Januar 1941 | |
Wilhelm Hufnagl | Schauspieler | 15 Juni 1904 | 25 Dezember 1994 |
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 104, A8: 30 - Moulin Rouge
- Wienbibliothek im Rathaus, C-77112, Moulin Rouge
Literatur
- Markus Felkel: Vom Etablissement Grand Gala zum Theater im Zentrum – eine theaterarchäologische Spurensuche in Wien. Dipl.-Arbeit Univ. Wien 2015
- Hilde Haider-Pregler: Jeder Zeit ihre Kunst. Karl Farkas und die österreichische Revue der Zwischenkriegszeit. In: Marcus G. Patka / Alfred Stalzer [Hg.]: Die Welt des Karl Farkas. Wien: Holzhausen 2001, S. 25–44
- Birgit Pete: Wien lacht wieder! Fritz Grünbaum und die Revue. In: Marie-Theres Arnbom / Christoph Wagner-Trenkwitz [Hg.]: "Grüß mich Gott!" Fritz Grünbaum 1880–1941. Eine Biographie. Wien: Brandstätter 2005, S. 123–133
Weblinks
- Theater im Zentrum [Stand: 29.11.2021]