48° 12' 25.27" N, 16° 22' 15.01" E zur Karte im Wien Kulturgut
Herrnhuterhaus (1., Neuer Markt 17, Seilergasse 9; Konskriptionsnummern 1067, 1068, 1069 und 1084).
Vorgängergebäude
An der Stelle des gegenwärtigen Herrnhuterhauses, das die ganze nördliche Stirnfront des Neuen Markts einnimmt, standen vier kleinere Häuser (drei am Neuen Markt [Konskriptionsnummer 1067-1069; später Neuer Markt 17-19], das vierte in der Seilergasse [Konskriptionsnummer 1084, später Seilergasse 11, heute Seilergasse 9]).
Haus Stadt 1067 / Neuer Markt 17, Seilergasse 13 "Zu den drei Säulen", "Herrnhuterhaus"
Dieses Eckhaus, das den Namen "Zu den drei Säulen" ("Zu den drey Säulln") trug, wird 1445 erstmals in einer Urkunde genannt. Zu Beginn des nächsten Jahrhunderts wurde es wegen Steuerschulden von der Gemeinde eingezogen und 1508 erneut verkauft. Als nach 1563 der damalige Eigentümer Schulden nicht bezahlen konnte, kam es zu einer gerichtlichen Klage, woraufhin das Haus geschätzt und den Gläubigern zugesprochen wurde. Zwischen 1702 und 1715 wohnte der Komponist und Musiktheoretiker Johann Joseph Fux in diesem Gebäude. 1797 eröffnete die Familie Felbermayr hier das Leinwandgeschäft "Zum Herrnhuter" (benannt nach der evangelischen Brudergemeinde zu Herrnhut in Schlesien; barocke Herrnhuterfigur an der Fassade) und erwarb später auch das Haus, das nun häufig als "Herrnhuterhaus" bezeichnet wurde.
Haus Stadt 1068 / Neuer Markt 18 "Zur schönen Lebzelterin"
Hier stand ursprünglich ein bereits 1475 urkundlich erwähntes Haus, das beim großen Stadtbrand des Jahres 1525 vollständig abbrannte. Später gehörte das wiedererrichtete Haus häufig Lebzeltern. Um das Haus rankt sich die Sage, für die Allegorie der March seines Providentiabrunnens (sogenannter Donnerbrunnen) habe sich Georg Raphael Donner die Gattin des Hausherrn zum Vorbild genommen, in die er sich (angeblich in einer Mansarde des Hauses logierend) verliebt habe. Zwischen dem 5. April 1836 und dem 10. März 1837 gehörte es dem akademischen Maler Thomas Ender (ausführlichere Beschreibung im Artikel Zur schönen Lebzelterin).
Haus Stadt 1069 / Neuer Markt 19
Hier standen ursprünglich hier zwei Objekte:
Haus A
Dieses Haus wurde im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts vom Nachbarhaus Stadt 1068 abgetrennt. Zu Beginn des folgenden Jahrhunderts hatten die Besitzer 800 Gulden Schulden angehäuft, sodass das auf 1570 Gulden geschätzte Haus dem Gläubiger zugesprochen wurde. 1642 wurde es vom Besitzer des Hauses B erworben.
Haus B
1446 scheint dieses Gebäude erstmals in Urkunden auf. Beim großen Stadtbrand von 1525 wurde es vollständig zerstört und erst zwischen 1539 und 1542 wieder aufgebaut.
"Obermayersches Haus"
Nachdem sich die beiden Gebäude seit 1642 stets in einer Hand befunden hatten, wurden sie zu einem unbekannten Zeitpunkt zu einem verbaut. Bereits auf dem Suttinger-Plan (1684) ist nur mehr ein Objekt zu sehen, obwohl im Grundbuch weiterhin zwei Häuser verzeichnet wurden. Zwischen 18. November 1773 und 4. März 1802 gehörte es der Gastwirtswitwe Anna Obermayr.
Haus Stadt 1084 / Seilergasse 11 "Zu den sieben Körben"
Die erste urkundliche Erwähnung dieses Gebäudes, das dem Schottenstift mit 8,5 Wiener Pfennig jährlich grunddienstbar war, stammt vom 20. September 1368, als es von Johann von Tirna verkauft wurde. 1454 wurde es von der Witwe von Hanns Würffel erworben. Diomedes Cornarius, der Leibarzt des Erzherzogs Maximilian, und seine Gattin Katharina erwarben es im Jahr 1586. Gegen Mitte des 18. Jahrhunderts wurde es von Franz Adolf Kirchberger für und im Namen seiner Tochter erworben. Nachdem es zwischen den beiden zu einem Streit kam, klagte der Vater die Tochter, worauf ihm das Haus 1743 zugesprochen wurde. Das Haus war nach dem dort noch im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts befindlichen renommierten Bierhaus "Zu den sieben Körben" benannt.
Wohn- und Geschäftshaus "Zum Herrnhuter"
1899 wurden alle vier Häuser abgerissen. Das heutige Gebäude, dessen Name vom alten Haus Stadt 1067 übernommen wurde, entstand 1900/1901 nach Plänen von Julius Mayreder (beziehungsweise nach anderen Angaben von Julius Oberleithner) und steht auf einer Grundfläche von 740 Quadratmetern. Es ruht hof- und gassenseitig durch drei Geschoße auf Granitpfeilern, die Mittelmauer auf betonummantelten Eisenständern. Auch der Dachstuhl wurde aus Eisen hergestellt. Die Figuren am Giebel stammen von Hans Bitterlich. Im Souterrain, Paterre und Mezzanin wurde das Leinen- und Modewarengeschäft "Zum Herrnhuter" untergebracht.
Durch dieses Gebäude wurde die Nordseite des Neuen Marktes vollständig verändert. Schon vor Baubeginn wurde es an die "Leinen- und Baumwollwarenfabrik Ed. Oberleithners Söhne" mit Sitz in Mährisch Schönberg (heute Šumperk) verkauft. 1935 kam es in Privatbesitz, wurde aber 1948 von der "Anglo Elementar Versicherungs A.G." erworben.
Gewerbe und Firmen innerhalb des Hauses im Laufe der Jahre
Haus Stadt 1067:
- Leinwandgeschäft "Zum Herrnhuter"
Haus Stadt 1084:
- Bierhaus "Zu den sieben Körben" (befand sich laut Harrer [ Paul Harrer: Wien, seine Häuser ] im Nachbarhaus Stadt 1067)
Wohn- und Geschäftshaus "Zum Herrnhuter:"
- Leinen- und Modewarengeschäft "Zum Herrnhuter"
- Modesalon Fürnkranz
Literatur
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1883]). Cosenza: Brenner 1967, Band 1, S. 196
- Felix Czeike: Der Neue Markt. Wien [u.a.]: Zsolnay 1970 (Wiener Geschichtsbücher, 4), S. 89, 97
- Emmerich Siegris: Alte Wiener Hauszeichen und Ladenschilder. Wien: Burgverlag 1924, S. 27, 80
- Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Wien: Gerlach & Wiedling 1906. Band 2, 1906, S. 420
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 354, 459
- Felix Czeike: Innere Stadt. Zaltbommel: Europäische Bibliothek 1982 (Wien in alten Ansichtskarten), S. 44
- Robert Messner: Wien vor dem Fall der Basteien. Häuserverzeichnis und Plan der inneren Stadt vom Jahre 1857. Wien [u.a.]: Österr. Bundesverl. 1958, S. 154, 156
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur. Band 6, 1. Teil. Wien ²1956 (Manuskript im WStLA), S. 199-208