Ringstraßenwettbewerb Projekt Nr.74

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Plan zum Concursprojekt Nr. 74, 1858
Hochauflösendes Digitalisat: WStLA, Pläne der Plan- und Schriftenkammer, P15.111111.35 - Concursprojekt Nr. 74
Daten zum Eintrag
Datum vonDatum (oder Jahr) von 31. Jänner 1858
Datum bisDatum (oder Jahr) bis 31. Juli 1858
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki  Ringstraße, Glacis
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BildnameName des Bildes Wettbewerbsprojekt Nr 74.jpg
BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Plan zum Concursprojekt Nr. 74, 1858
Hochauflösendes Digitalisat: WStLA, Pläne der Plan- und Schriftenkammer, P15.111111.35 - Concursprojekt Nr. 74

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Devise: Was wir uns und der Nachwelt Gutes thun können, sollen wir auch mit den schwersten Opfern anstreben.


Verfasser: unbekannt


Das Projekt Nr. 74 wurde am 31. Juli 1858 im Ministerium des Innern abgelegt[1], und bei der Sitzung am 3. November 1858 von Berichterstatter Sektionsrath Löhr "als unanwendbar erkannt."[2] Der mit den Lokalverhältnissen bestens vertraute Autor reichte das umfassendste Konvolut ein. Von den ursprünglich 59 Plänen haben sich lediglich der Situationsplan sowie 2 Variantenblätter zu einem Zentralbahnhof erhalten.


Städtebaulicher Entwurf

Der Entwurf zeigt Viertel auf gerastertem Plan sowohl für ein monumentales Zentrum mit öffentlichen Bauten als auch für Wohnbauten. Im Süden und Norden der Innenstadt ist der 40 Klafter breite Boulevard ausgewiesen, während zwischen der Mölkerbastei bis zum Hofgarten nur der Exerzierplatz aufscheint. Dies ist der große Makel des Planes, auch wenn die theoretischen und städtebaulichen Überlegungen und Ansätze einen durchaus überlegten Planer erkennen lassen. Mit dem Verlauf des Boulevards – als liegende Eiform – schlug er einen Lösungsansatz vor, den nur wenige andere ähnlich einreichten (Nr. 7, 68, 78).
In einer Tabelle schlug er eine realistische Zeitplanung vor, die er auf 28 bis 49 Jahre veranschlagte, und zeichnete eine metabolistische Stadtvision avant la lettre vor. "Ein weiteres Motiv zur Bevorwortung eines möglichst symmetrischen Grundplanes war die dem Verfasser vorschwebende Idee einer einst möglichen vollkommen symmetrischen Gestalt von ganz Wien; Wenn nämlich einst ein mächtiger Ring neuer glänzender Stadttheile außer den Linienboulevards entstanden sein wird, so könnte durch successives Verfallenlassen einzelner Stadttheile (durch Neubauverbote) und symmetrischen Neubau derselben – nach mehreren Jahrhunderten ein ganz neues vollkommen regelmäßiges Wien erstehen [...]." Hier offenbarte er das Bearbeitungsgebiet für sein Vorhaben, das er mit "Gross-Wien" benannte. Er hatte sowohl im Großen als auch im Kleinen die gesamte Stadt, das gesamte Weichbild von Wien im Blick. In diesem verteilte er eine ausreichende Anzahl von Markthallen, Mühlen sowie geräumige Plätze und breite Straßen.
Es war ihm durchaus bewusst, dass seine Vorstellungen nicht kurzfristig umgesetzt werden könnten, sodass er an mehreren Stellen zukünftige Generationen als die Ausführenden ansah. Visionär war sein Ansatz insofern, als er nicht vom damaligen Umfang der Stadt und deren Bevölkerung ausging, sondern die größtmögliche Ausdehnung und das maximale Wachstum von Zukunfts-Wien in Betracht zog. "Die Größe aller öffentlichen Gebäude wurde durchgehends mit dem Maximum der erflossenen Andeutungen beantragt, weil der Verfasser in weiterer Consequenz seines Gesammtprojektes die Maßstäbe fernerer Zukunft vor Augen hatte."
Er widmete sein Hauptaugenmerk auf das Wachstum der Leopoldstadt, wollte aber in seinen Planungen keine Energie auf die Donauregulierung verwenden, auch wenn er sie für unabdingbar hielt. Dafür wurde er in Bezug auf eine "Erweiterung über die Vorstädte hinaus im engsten Anschluße an das schon Bestehende" sehr konkret. Ausgehend vom monozentrischen Stadtsystem Wiens mit dem Stephansdom im Mittelpunkt sprach er von 18 Radialstraßen, die die Vorstädte durchschneiden und die in weiterer Folge über die Linien (die heutige Gürtelstraße), geplant als 40–60 Klafter breiter Verkehrsraum, verlängert werden sollten. "Darüber hinaus wäre der Neubau ganz regelmäßig und symmetrisch anzulegen. Von den jetzt bestehenden Dörfern vor der Linie wären die Straßen möglichst zu belassen und an die neuen organisch anzuschließen." Ein weiterer Ring sollte dann "in langen geraden Linien oder von einem Rayon zum andern polygonal gebrochen und mit einander zusammenhängend" von einem Dorfkern zum nächsten rund um die Stadt laufen.
Die Bebauung am Glacis konzentrierte sich auf drei zukünftige Zentren (zwischen Hofburg und Schönbrunner Straße, entlang von Boulevard und Kai sowie der neue Stadtteil um den Zentralbahnhof) sowie einem vierten in der Leopoldstadt. Er teilte das erste Zentrum in einen westlichen öffentlichen Bereich und ein östliches Wohngebiet. Ersteres unterwarf er grosso modo einem orthogonalen Raster und ordnete die monumentalen Bauten um einen großen Platz an. Der zweite Bereich stellte eine symmetrische Anlage dar, mit der Ausfallstraße zu einer neuen Brücke über den Wienfluss als Symmetrieachse, wobei er für die Achse weder die Heugasse noch den Mittelrisaliten des Palais Schwarzenberg als Richtung aufnahm. Das zweite neue Zentrum im Norden der inneren Stadt bestand aus der Erweiterung vor dem Fischerthor sowie den Anschlussbauten an Neu-Wien. In beiden Quartieren plante er Rundplätze von unterschiedlicher Größe. Die Vorgaben der Wettbewerbspläne ignorierend konzipierte er ein eigenes Universitätsgebäude, das dem Raster Neu-Wiens folgte, und umschloss die Votivkirche mit Bauten, die einen Rundplatz ergaben. Der zweite Rundplatz im nördlichen Stadterweiterungsgebiet, auf den fünf Straßen zuliefen, war zusätzlich in einer alternativen Form eingezeichnet, falls man ihn größer realisieren wollte.
Für das Glacis schlug er eine Pferde-Eisenbahn vor, die entweder vom Staat oder der Kommune hätte betrieben werden sollen. Sie sollte den Zentralbahnhof und die einzelnen Stadtteile untereinander verbinden. Er bezeichnete sie als "Wohlthätigkeits-Institut", das besonders für die "ärmeren Vorstadtbewohner" von Wichtigkeit gewesen wäre. Herzstück seines auf das Motto bezugnehmenden Verkehrssystems sollte der Zentralbahnhof im Osten der Stadt sein, für den er den Wienfluss umleitete und weiter östlich in den Donaukanal münden ließ. In zwei detaillierten Variantenzeichnungen entwickelte er unterschiedliche Größen des in keiner Relation zu den vorhandenen Eisenbahnlinien stehenden Vorschlages für Verkehrsknotenpunkt.
Die innere Stadt hätte durch diesen Projektanten umfassende und durchaus realistische Durchbrüche und Regulierungen erfahren, die er in acht Demolierungsperioden einteilte. Er nahm zwar einige der schmaleren Gassen auf, die in einem ungefähr orthogonalen Raster zueinander standen und verbreitete sie bis auf die von ihm vorgeschlagenen 12 Klafter oder auch mehr. Durch den Abbruch des Jakoberhofes, die Freistellung der Minoritenkirche und des Stephansdomes wurden drastische Schneisen, gleichzeitig aber praktikable Stadtquerungen geschaffen. Durch Abbruch weniger Blöcke entstanden im engen Innenstadtbereich ansehnliche kleinere Plätze.
Der unbekannte Planer, wohl ein Eisenbahningenieur, der Paris und London als Vergleichsorte nannte, sprach an zwei Stellen über die Quellen, die er konsultiert hatte: Zeitungen, die über die "Idee, die Stadtgräben zu Magazinen zu benützen" berichteten, und zum anderen die Förster‘sche Bauzeitung im Hinblick auf Markthallen.[3]


Siehe auch:


Quellen


Einzelnachweise

  1. Österreichisches Staatsarchiv, AVA, STEF, Karton 2, Fasz. 6838/M. I. 1858
  2. Österreichisches Staatsarchiv, AVA, Präsidialakte, Fasz. 119 ad11801/1858
  3. Zum Ringstraßenwettbewerb siehe: Harald R. Stühlinger, Der Wettbewerb zur Wiener Ringstraße, Birkhäuser, Basel 2015