48° 12' 34.01" N, 16° 22' 12.05" E zur Karte im Wien Kulturgut
Auf Schneckenmärkten wurden vom Mittelalter bis weit in das 19. Jahrhundert Schnecken zum Verzehr verkauft. Der Hauptmarkt für den Schneckenhandel befand sich auf dem 1., Petersplatz.
Märkte
Bereits im Mittelalter bereicherten Schnecken den Speiseplan der Wiener Bevölkerung. Ab dem 17. Jahrhundert wurden rund um Wien Schneckengärten zur Zucht angelegt. Der Handel mit Schnecken fand vorwiegend auf dem Petersplatz statt, wo sogenannte "Schneckenweiber" ihre Ware feilboten. Am Petersplatz befand sich auch ein Gasthaus mit dem vom Schneckenmarkt inspirierten Namen "Zur Schnecke".
Die Schnecken wurden im Sommer von Kindern gesammelt und an Schneckenhändler verkauft, die die Tiere bis September mit Kohl, Gemüseabfällen und Kleie fütterten. In der kälteren Jahreszeit schlossen sich die Schnecken und konnten somit in Fässer oder Säcken verpackt werden. Wegen des stetig steigenden Bedarfs wurde zusätzliche Ware aus Schwaben und der Schweiz importiert. 1824 sollen über vier Millionen Stück in Fässern à 10.000 Schnecken jährlich nach Wien transportiert worden sein.[1]
1753 wurde der Schneckenmarkt auf die Seilerstätte verwiesen, aber schon bald kehrten die Händler wieder auf dem Petersplatz zurück. Auch an anderen Orten wurden Schnecken verkauft, so zum Beispiel vor dem Neutor, später am Mehlmarkt sowie Am Hof. Wie aus einem Ansuchen des Bürgers Anton Stemmer vom 21. Dezember 1763 für die Bewilligung eines Verkaufsstandes für seine Frau in Mariahilf hervorgeht, wurden neben Schnecken häufig auch Heringe von Händlerinnen angeboten.
Im Lauf des 19. Jahrhunderts sank die Nachfrage nach Schnecken. Die letzten Schneckenhändler verschwanden um 1860 aus dem Stadtbild Wiens. Im 21. Jahrhundert macht sich wieder mehr Angebot von "Wiener Schnecken" bemerkbar, so besteht etwa in Rothneusiedl eine bekannte Schneckenfarm.
Schnecken als Speise
Schnecken wurden vor allem im Winter konsumiert. Sie waren aufgrund der strengen kirchlichen Fastenregeln aber auch in der Fastenzeit eine beliebte Delikatesse, die mit Essig, Kren und Zwiebeln, manchmal auch mit Kraut oder mit Butter und Sardellen zubereitet wurde.
Das Vordringen der Gegenreformation ab dem ausgehenden 16. Jahrhundert, die dem katholisch-liturgischen Leben einem enormen Aufschwung bescherte, beförderte den Schneckenkonsum weiter. Die strenge Einhaltung der Fastenzeiten waren Kirche und Herrscherhaus ein besonderes Anliegen. Doch zu strenges Fasten war nicht nach dem Geschmack der Wienerinnen und Wiener. Im barocken Wien wurde in den Gaststätten an den „Fast-Tägen" eine eigene Speisenfolge serviert: „Fasten-Suppen", Eier- und Mehlspeisen, Fische und Krebse, Salat, Obst, Käse, Konfekt und eben auch Schnecken.
Als Hauptabnehmer galten die Klöster, wo die Fastenzeit besonders streng eingehalten wurde, aber auch im Bürgertum waren Schnecken eine beliebte Fastenspeise. Angeblich sollen in Gasthäusern nicht selten Leute 20 bis 30 Stück Schnecken mit Kren „auf einen Sitz“ verzehrt haben.
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Alte Registratur, A2 - Berichte: 430/1763: Ansuchen des Anton Stemmer vom 21. Dezember 1763 um die Bewilligung für seine Frau einen Stand zum Verkauf von Schnecken und Häringen in Mariahilf errichten zu dürfen.
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Alte Registratur, A4 - Intimationsdekrete: 12/1764: Dekret an Anton Stemmer (und an das Steueramt) bezüglich der Bewilligung eines Verkaufsstands für Schnecken und Heringe in Mariahilf (für seine Ehefrau) vom 7. Jänner 1764.
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Alte Registratur, A2 - Berichte: 50/1765: Ansuchen des Anton Stemmer vom 28. Jänner 1765 um die Bewilligung, neben dem bewilligten Schnecken- und Häringverkauf auch Krebsen auf seinem Standl in Mariahilf verkaufen zu dürfen.
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Alte Registratur, A2 - Berichte: 413/1765: Ansuchen der Elisabeth Niderhoferin vom 17. Dezember 1765 um eine Lizenzerteilung auf den Verkauf von Heringen, Schnecken und Krebsen in Sankt Ulrich.
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Alte Registratur, A2 - Berichte: 21/1765 Beschwerde des Anton Stemmer und der Anna Maria Hofmann vom 29. Jänner 1766 gegen unbefugte Hering-, Schnecken- und Krebsenhändler in Mariahilf.
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Alte Registratur, A2 - Berichte: 193/1768: Bericht vom 20. Mai 1768 über das Ansuchen der Katharina Götzingerin um die Erteilung eines Schutzdekrets auf den Schnecken-, Hering- und Krebs-Handel.
Literatur
- Gustav Gugitz: Schneckenhandel in Alt-Wien in: wien aktuell 14/1974
- Gerlinde Sanford: Wörterbuch von Berufsbezeichnungen aus dem siebzehnten Jahrhundert. Gesammelt aus den Wiener Totenprotokollen der Jahre 1648-1668 und einigen weiteren Quellen. Bern / Frankfurt am Main: Lang 1975 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur, 136), S. 118 (Schneckenhändler)
Einzelnachweise
- ↑ Gustav Gugitz, Schneckenhandel in Alt-Wien in: wien aktuell 14/1974, S. 28