Streik
Man unterscheidet unter anderem Streiks zur Durchsetzung von Arbeitnehmerforderungen (beispielsweise Acht-Stunden-Tag, Sonntagsruhe, Arbeitsbedingungen, Arbeiterschutz, Löhne), zur Unterstützung politischer Zielsetzungen (beispielsweise Erster Mai und allgemeines Wahlrecht; vergleiche auch Demonstrationen) sowie im Kampf gegen autoritär-faschistische Regierungmaßnahmen. Ökonomisch-sozialistisch motivierte Streiks begannen Ende der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts und entwickelten sich (unterstützt von Sozialdemokraten, Gewerkschaften und christlichsozialen Sozialreformern) in Form von massenhaften spontanen Ausständen (nach dem Vorbild der Internationalen Streikwelle 1888-1892) zu einem bedeutenden gesellschaftlichen Faktor. Beispielsweise endete 1889 mit nachhaltiger, publizistischer Unterstützung durch Viktor Adler und Rudolf Eichhorn ein Tramwaykutscherstreik mit wesentlichen Zugeständnissen der Arbeitgeber, und auch in der Wienerberger Ziegelfabrik wurde nach mehreren erfolglosen Streiks ein von den Sozialdemokraten unter Adler unterstützter Streik (16.-28. April 1895) erfolgreich abgeschlossen. Nachdem bereits 1884 der US- amerikanische Gewerkschaftskongress beschlossen hatte, die Einführung des Acht- Stunden-Tags mittels Generalstreiks zu erzwingen, kam es am 1. Mai 1890 in Wien zu einem für das europäische Festland beispielgebenden Maiaufmarsch. Während der Konjunkturperiode 1902-1912 vollzog sich fast durchbruchartig die Organisation kollektiver sozialer Interessen; in diesem Zeitraum wurde der Streik, der vielfach auch organisationskonstituierenden Charakter hatte, im Wirtschaftsleben zur alltäglichen Erscheinung und zum nüchtern erwogenen Mittel der Gewerkschaftspolitik (Gewerkschaftskongreß). Den ersten Frauenstreik organisierte Amalie Seidel. Das allgemeine Wahlrecht (1907) wurde unter Generalstreikdrohung durchgesetzt (erstmals hatte bereits 1893 Wilhelm Ellenbogen zur Durchsetzung desselben einen Generalstreik vorgeschlagen). Obwohl das Streikrecht während des Ersten Weltkriegs formell aufgehoben war, kam es nach dem Hungerwinter 1916/1917 in den Betrieben zu mehreren großen Streiks, die im Jänner 1918 ihren Höhepunkt fanden (Jännerstreik). In der Ersten Republik wurde seitens der Sozialdemokraten zwar mehrfach mit Generalstreik gedroht, doch fehlte eine erfolgreiche Umsetzung. Am 15. Juli 1927 protestierten die Bediensteten der E-Werke mit einem kurzen Streik gegen das Urteil im Schattendorfer Prozess (Julidemonstration). Dass Otto Bauer nach der Ausschaltung des Parlaments (1933) nicht zum Generalstreik aufrief, wurde ihm später zum Vorwurf gemacht. Ein am 12. Februar 1934 (Februarkämpfe) ausgerufener Generalstreik wurde zwar wieder von den E-Werken befolgt, brach aber binnen weniger Stunden zusammen. Nach dem Ende der Kämpfe wurde von der Regierung Dollfuß unter anderem ein Streikverbot (mit Strafandrohung) ausgesprochen. In den Ankerbrotwerken kam es 1939 zu einem Streik gegen die Angleichung der Lohnsteuer an die höhere deutsche Steuer, der von der Gestapo gewaltsam beendet wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es 1950 zu einem von der Kommunistischen Partei Österreichs ausgerufenen Streik (formal ausgelöst durch das vierte Lohn- und Preisabkommen), der jedoch infolge des Widerstands sozialistischer Arbeitnehmer zusammenbrach (Oskar Helmer, Theodor Körner, Franz Olah). Seither kam es in Wien (nicht zuletzt durch das Funktionieren der Sozialpartnerschaft) zu keinen nennenswerten Streiks; Österreich zählt in Europa zu jenen Staaten, in denen durch Streiks nur minimale Arbeitszeitausfälle verursacht werden.
Literatur
- Bernhard Hachleitner / Werner Michael Schwarz: Streikverordnung. In: Ebd. / Alfred Pfoser / Katharina Prager / Ebd. [Hg.]: Die Zerstörung der Demokratie. Österreich, März 1933 bis Februar 1934. Salzburg / Wien: Residenz Verlag 2023, S. 122–125