Weißgerber (Vorstadt)

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Die Vorstädte Erdberg und Weißgerber mit ihren Siegelbildern (1734)
Daten zum Objekt
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48° 12' 37.11" N, 16° 23' 26.43" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Weißgerbervorstadt (3.; auch Weißgerbergrund, Weißgerber, Unter den Weißgerbern; veraltet Weißgärber).

Die Vorstadt entstand nach den Zerstörungen von 1529 (Türkenbelagerung) im überschwemmungsgefährdeten Rückstaugebiet des Wienflusses (ehemals Scheffstraße) durch die Ansiedlung von Gärtnern und Fleischhauern, denen sich später Flecksieder, Rot- und Weißgerber sowie Lederer anschlossen. Eine mittelalterliche Siedlungsform ist nicht erhalten, ein Zentrum ist nicht erkennbar. Ferdinand I. verlegte 1561 die Lederer und Gerber in die damals so benannte "Alt-Tunaw-Gemeinde" (die seit Anfang des 16. Jahrhunderts eigene Ortsrichter besaß).

Als unter den in der Vorstadt wohnenden Gewerbetreibenden die Weißgerber eine dominierende Stellung errangen, bekam die Ansiedlung zunächst den Namen "Alt-Tunaw-Gemeinde der Weißgerber". 1673 baute sich die Gemeinde ein Kirchlein, das jedoch 1683 völlig zerstört wurde. Auf Wunsch Leopolds I. wurde 1690 an anderer Stelle der Grundstein zu einer neuen Kirche gelegt (Alte Weißgerberkirche). Ab 1678 besaß die Gemeinde auch eine eigene Schule. 1693 entschied Leopold, dass die Ansiedlung samt allen Gründen um 10.000 Gulden der Stadt Wien zu überlassen und zu einer Vorstadt zu erheben sei.

Die Gegend "Unter den Weißgerbern", wie diese nunmehr genannt wurde, entwickelte sich daraufhin rascher. Den Mittelpunkt der wegereichen Siedlung, die ab 1746 ziemlich planlos auf bis dahin gärtnerisch genutzten Gründen entstand, bildete der schlossartige Pfefferhof (um 1704 als "Albrechtsburg" bezeichnet). Durch die Erbauung des sehr stark besuchten Hetztheaters (das allerdings 1796 abbrannte) kam mehr Leben in die stille Vorstadt.

1850 wurde die Weißgerbervorstadt mit den Vorstädten Erdberg und Landstraße als dritter Bezirk nach Wien eingemeindet. Bald nach 1860 setzte die rasterartige Verbauung mit großstädtischen Miethäusern ein (eines der frühesten Beispiele dieser Art in Wien). Das Rasternetz ist beim Radetzkyplatz durch die verzogene sternförmige Platzanlage besonders deutlich ausgeprägt erhalten geblieben. Die Abgrenzung gegen die Innere Stadt wurde durch das Hauptzollamt (1840) und das Donaudampfschiffahrtsgesellschafts-Direktionsgebäude (Dampfschiffstraße 2) vollzogen (nicht mehr bestehend).

1866-1869 erbaute Friedrich Schmidt die Othmarkirche (Weißgerberkirche).

Wappen der Vorstadt Weißgerber in der Vorhalle der Weißgerberkirche, errichtet 1866-1869.

Siegel

Die Vorstadt Weißgerber führte ein Grundgerichtssiegel, dass einen halbrunden Schild in vierpaßartigem Ornament zeigt; im Schilde zwei aufgerichtete, über eine aus einem Rasen wachsende. aufgestellte Erdbeere zueinander gewendete Böcke. Über dem oberen Rande des Vierpasses die Zahl 1685. Auf dem Abdruck nach dem zweiten Stempel über dem oberen Rande des Vierpasses vier übereinander schwebende, nach oben sich verjüngende Kugeln. Umschriften: a) {¤[Rosette]} SIGILL · DER · GEMAIN · VNDER · DEN WEYSGERBERN. b) WEISGÄRBER · BVRGFRIEDS · INSIGL. ¤ [Rosette].

Das Siegel war 1904 eine Grundlage für die Gestaltung des Bezirkswappens Landstraße.

Häuser

  • 1766: 60
  • 1778: 67
  • 1783: 81
  • 1790: 84
  • 1796: 94
  • 1840: 110
  • 1851: 128
  • 1857: 133

Einwohner

  • 1783: 1.224
  • 1796: 1.493
  • 1840: 2.151
  • 1857: 4.381

Häusernummerierungen und -schematismen

In der Vorstadt Weißgerber wurden 1770 zum ersten Mal Konskriptionsnummern vergeben, in den Jahren 1795 und 1821 erfolgte eine Neunummerierung (Zur Übersicht über die Phasen der Nummerierungen der Häuser [Konskriptionsnummern] in der Vorstadt siehe: Häusernummerierung). Die folgenden Verlinkungen zu den Häuserschematismen sind chronologisch geordnet.

Nummerierung 1770

Nummerierung 1795

Nummerierung 1821

Quellen

Literatur

  • Die Landstraße in alter und neuer Zeit. Ein Heimatbuch. Hg. von Landstraßer Lehrern. Wien: Gerlach & Wiedling 1921, S. 83 f.
  • Robert Messner: Die Landstrasse im Vormärz. Historisch-topographische Darstellung der südöstlichen Vorstädte und Vororte Wiens auf Grund der Katastralvermessung. Wien: Verband der Wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs 1978 (Topographie von Alt-Wien, 5); S. 81
  • Ferdinand Opll: Erstnennung von Siedlungsnamen im Wiener Raum. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1981 (Kommentare zum Historischen Atlas von Wien, 2), S. 50
  • Adalbert Klaar: Die Siedlungsformen Wiens. Wien: Zsolnay 1971, S. 53
  • Anton Wildgans: Musik der Kindheit. 1928. S. 9 ff.
  • Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1888]). Cosenza: Brenner 1967, Band 2, S. 491 ff.
  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 4: Profane Topographie nach den 21 Bezirken (2.-21. Bezirk). Wien: Jugend & Volk 1958, S. 59 f.
  • Jakob Dont [Hg.]: Der heraldische Schmuck der Kirche des Wiener Versorgungsheims. Mit dem Anhang: Beschreibung der Siegel der ehemaligen Wiener Vorstädte und Vorort-Gemeinden. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. VII, Taf. B
  • Anton Jung: Beschreibung und Abdruck der Grundgerichts-Siegeln sämmtlicher Vorstädte und Gemeinden der k.k. Haupt- und Residenzstadt Wien, [Wien] 1829, S. 12

Bevölkerungsgeschichte

  • Andreas Weigl: Eine Neuberechnung der Bevölkerungsentwicklung Wiens nach Bezirken 1777-1869. In: Wiener Geschichtsblätter 50 (1995), S. 219-238.
  • Ignaz de Luca: Topographie von Wien. Bd. 1, Wien: Thad. Schmidbauer 1794, S. 61.
  • Ignaz de Luca: Statistische Fragmente. Wien: C.P. Rehm 1797, S. 50.
  • Johann Karl: Detaillirte Darstellung der Bevölkerung der k.k. Haupt- und Residenzstadt Wien und der Vorstädte ... nach der letzten Conscription im Jahre 1840.
  • Niederösterreichische Handels- und Gewerbekammer (Hg.), Statistische Übersicht der wichtigsten Productionszweige in Oesterreich unter der Enns. Wien: L. Sommer 1855.
  • G.A. Schimmer: Die Bevölkerung von Wien. In: Blätter für Landeskunde von Niederösterreich 1 (1865), S. 14, 26.