Zwangsarbeiterlager Schrankenberggasse 32
48° 10' 16.23" N, 16° 23' 13.92" E zur Karte im Wien Kulturgut
In 10., Schrankenberggasse 32 befand sich von 1944 bis 1945 in einem Schulgebäude ein Lager für ungarisch-jüdische Deportierte und Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.
Laut Handbuch des Reichsgaues Wien 1944 war in der Schrankenberggasse 32 eine "Jungenvolksschule", die heute noch als allgemeine Volksschule besteht. Laut einer wohl aus dem Sommer 1944 stammenden Auflistung (dort nur "Schrankenberggasse" ohne Zusatz) seien damals im Lager Schrankenberggasse 283 Menschen ungarisch-jüdischer Herkunft interniert gewesen, darunter 110 Frauen, 52 Männer und 121 Kinder. Von den 283 wurden anfangs 97 als "arbeitsfähig" eingestuft, also nur 34 Prozent. Etliche Personen wurden von dort in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert.
Die als arbeitsfähig eingestuften Personen wurden unter anderem zur Waldarbeit im Wienerwald und in der Ankerbrotfabrik eingesetzt. Über die Lagerunterbringung wird berichtet, dass 20 Personen in einem kleinen Raum schlafen mussten. Der Holzeinbringungseinsatz begann jeden Tag witterungsunabhängig um fünf Uhr morgens. Arbeitsort war häufig der nahe Laaer Berg. Der häufige Einsatz in der Ankerbrotfabrik (Absberggasse 35) hing ebenfalls damit zusammen, dass diese Fabrik gleich in der Nähe war. Der Ankerbrot-Standort war aber auch direkt Ort lagermäßiger Unterbringung, wenn es um nichtjüdische Zwangsarbeit ging (siehe Zwangsarbeiterlager Absberggasse 35).
Laut einem Augenzeugenbericht war die Schule durch deutsches Militär streng bewacht und den Insassen untersagt, das Lager zu verlassen. Medizinische Hilfe wurde auch im Fall schwerer Erkrankungen wie Kinderlähmung nicht gewährt.
Weiters nennt auch eine Liste des Wilhelminenspitals[1] das Lager 10., Schrankenberggasse 32 für italienische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.
Diese Liste des Wilhelminenspitals verzeichnet die dort zwischen 1942 und 1945 behandelten Ausländerinnen und Ausländer. Die Liste enthält Aufnahmezahl, Vor- und Zuname, Geburtsdatum, Geburtsort (Land), Eintritt, Austritt, "Bestimmungsort" mit Firma und Wohnadresse (mit den zeitgenössischen Straßennamen).[2]
Auch im Volksgerichtsakt von Dr. Siegfried Seidl befindet sich eine Liste eines jüdischen Arztes, der diese 1946 als Zeuge im Prozess gegen Seidl vorgelegt hat.[3] Es handelt sich dabei um Lager ungarisch-jüdischer Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in den Bezirken 10 bis 25 und außerhalb Wiens sowie die Firmen, denen die Lager zugeordnet waren. Demnach befand sich an der Adresse "Schrankelberggasse [sic!] 32" in Wien XXI. [sic!] ein Lager für ungarisch-jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter der "Fahrbereitschaftsleiter VIII. Bennogasse 27".
Siehe auch: Zwangsarbeit, Zwangsarbeiterlager, Lager in Wien, Juden
Quellen
- Hermann Rafetseder: Aus Versöhnungsfonds-Anträgen gesammeltes Material (Kopien)
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt.209 - Wilhelminenspital, A1 – Direktionsakten: Mappe 47: "Suchaktion Ausländer"
- Brigitte Rigele: Bearbeitung der Liste des Wilhelminenspitals (1999)
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Volksgericht, A1 - Vg Vr-Strafakten: Vr 770/1946: Dr. Siegfried Seidl & Mittäter
Weblinks
- Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien: Ungarische Zwangsarbeit in Wien
- Deutschland - ein Denkmal: Verzeichnis der nationalsozialistischen Lager und Haftstätten 1933 bis 1945: Zwangsarbeitslager für ungarische Juden in Österreich: Wien-Favoriten
- Familie Tenhumberg: Zwangsarbeitslager für ungarische Juden: Wien-Favoriten
Literatur
- Eleonore Lappin: Ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter in Wien 1944/45; in: Martha Keil / Klaus Lohrmann [Hg.]: Studien zur Geschichte der Juden in Österreich. Band 1. Wien u. a.: Böhlau 1994 (Handbuch zur Geschichte der Juden in Österreich, Reihe B, 2), S. 140-165
- Eleonore Lappin-Eppel: Ungarisch-Jüdische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Österreich 1944/45. Arbeitseinsatz - Todesmärsche - Folgen. Wien: LIT Verlag 2010
- Stefan August Lütgenau: Zwangsarbeit im "Reichsgau" Wien 1938-1945. In: Studien zur Wiener Geschichte. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 59 (2003), S. 167-186
- Hermann Rafetseder: Lager und lagerartige Unterkünfte der NS-Zeit in Wien für das Online-Lexikon "Wien Geschichte Wiki", auf Basis von Material des Österreichischen Versöhnungsfonds. 108 Lager-Artikel und vier "Bonus-Tracks", erstellt im Auftrag des Wiener Stadt- und Landesarchivs. Linz: Eigenverlag 2017
- Kinga Frojimovics / Éva Kovacs: Jews in a “Judenrein” City: Hungarian Jewish Slave Laborers in Vienna (1944-1945). In: Hungarian Historical Review 4/3 (2015), S. 705-736
- Hermann Rafetseder: NS-Zwangsarbeits-Schicksale. Erkenntnisse zu Erscheinungsformen der Oppression und zum NS-Lagersystem aus der Arbeit des Österreichischen Versöhnungsfonds. Bremen: Wiener Verlag für Sozialforschung in EHV Academicpress GmbH 2014, S. 608 (und 327)
Einzelnachweise
- ↑ Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt.209 - Wilhelminenspital, A1 – Direktionsakten: Mappe 47: "Suchaktion Ausländer".
- ↑ Irrtümer bei den Bezirken und Hausnummern sind nicht ausgeschlossen. In die Bearbeitung aufgenommen wurden nur jene Adressen, bei denen "Lager" angegeben war, beziehungsweise nur jene Firmenlager, die als solche bezeichnet wurden.
- ↑ Wiener Stadt- und Landesarchiv, Volksgericht, A1 - Vg Vr-Strafakten: Vr 770/1946: Dr. Siegfried Seidl & Mittäter.