Auflösung der Grundherrschaft (1848)
Die Aufhebung des Systems der Grundherrschaft und aller damit verbundenen Rechte und Pflichten erfolgte im Zuge der Revolution 1848 durch Gesetzesbeschluss des Reichstags vom 7. September 1848 (eingebracht vom Abgeordneten Hans Kudlich). Das Gesetz legte die Aufhebung der Grundherrschaft und die sogenannte Grundentlastung im damaligen Österreich fest.
Bedingungen der Auflösung
Der endgültigen Aufhebung der Grundherrschaft im Zuge der sogenannten Grundentlastung 1848 ging in Wien ein länger währender Prozess voraus. Dieser Auflösungsprozess war wesentlich bedingt durch die fortschreitende Entwicklung kapitalistischer und marktwirtschaftlich organisierter Strukturen, die mit der Gründung von Fabriken und der zunehmenden Verdrängung des Kleingewerbes und der Heimindustrie immer weiter in den Stadtbereich vordrangen. Zwischen 1782 und 1846 hatte sich zudem die Bevölkerungszahl Wiens auf 407.980 verdoppelt, was zu einer Verschiebung bzw. einem Ausgreifen der Siedlungsstrukturen in die Vorstädte und darüber hinaus nach sich zog. Damit stiegen zugleich auf kommunalpolitischer Ebene die Anforderungen im Bereich Verkehr, Kommunikation, Versorgung, technischer Infrastruktur und Sicherheit. Dies schien mit den überkommenen heterogenen Strukturen von Grundherrschaft nicht mehr bewältigbar.
Missstände und ihre Folgen
Eben diese Strukturen standen Herausforderungen wie Eisenbahnbau, zentral organisierter Straßenreinigung, Wasserversorgung und Kanalisation sowie dem Großprojekt der Donauregulierung in ihrer rechtlichen Inhomogenität und differierenden Interessenslage oft hemmend entgegen. Augenscheinlich wurden diese Defizite etwa bei der Überschwemmung zahlreicher Vorstädte 1831 und der großen Choleraepedemie 1832. Auch Engpässe in der Wasserversorgung, besonders der Vorstädte Neubau, Schottenfeld und Josefstadt, wiesen auf diese Problematik hin. In den Bereichen Hygiene, Beleuchtung und schienen die Grundherren, sowohl der Magistrat als auch die übrigen Herrschaften, im Vorstadtbereich ebenfalls nur wenig Initiative zu zeigen. Spannungen zwischen dem Magistrat und den übrigen Grundherren taten neben der auch in den 1830er Jahren anhaltenden grundsätzlichen rechtlichen Zersplitterung ihr Übriges. Hinzu kam das Problem der Finanzierung solcher kommunaler Projekte, die im Wesentlichen auf die Untertanen einer Herrschaft umgelegt wurde, was zu oft unterschiedlich starker Belastung derselben und mithin zu Unmut und Widerstand führte. So wurde etwa in Erdberg 1803 gegen die Einführung der Müllabfuhr von Seiten einiger Hausbesitzer protestiert, die mit den Kosten bedacht werden sollten. Ähnlich reagierten 1814 die Grundrichter von Neubau und Schottenfeld gegen die Reinigung und Beleuchtung der Mariahilfer Straße, deren Finanzierung ihren Gemeinden bevorstand.
Spezialfall Sicherheit und Polizeiwesen
Wie alle übrigen Agenden waren auch die sicherheitspolitischen Kompetenzen auf die diversen Grundherrschaften verteilt. Das steigende Bevölkerungswachstum ließ diese Agenden zunehmend wichtiger erscheinen, da die Mobilität der Menschen in der Stadt einen Überblick immer schwieriger machte. "Zur Administration des adeligen Richteramts, zur Kontrolle der Inwohner […] wie auch der ortsobrigkeitlichen Gerichtsbarkeit finden wir Wien in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bereits mit einem Netz grund- und herrschaftsgerichtlicher Instanzen samt erforderlichem Personal überzogen, die bestehende Parallelorganisation der Polizei nicht gerechnet."[1] Viele Verwaltungsmaßnahmen wie gewerbe- und markrechtliche Überprüfungen, Steuereinhebung, Rekrutenaushebung, polizeiliche Ermittlungen und anders erfolgten oft durch die Ortsobrigkeit in Form von Haus-Visitationen mit Unterstützung von Polizei und Militär. Zudem ist von Kompetenzüberschneidungen und Rivalitäten zwischen Polizei und den ortsobrigkeitlichen Gewalten auszugehen. Letzteren warf man zunehmend vor, dem angeblichen Anstieg der Kriminalität und wachsender Verarmung der Untertanen nicht steuern zu können. Es gab daher Bemühungen der Stadtregierung, den Kompetenzbereich der Polizei flächendeckend auf die Vororte auszudehnen. Bürgermeister Ignaz Czapka erwog zudem eine Ausdehnung der magistratischen Rechtsprechung auf die nicht dem Magistrat unterstehenden Vororte. Beides scheiterte weitestgehend am Widerstand der Grundherren.
Arrondierung und Integration statt einheitlicher Wirtschafts- und Verwaltungsraum
Die Grundherren verhinderten auch eine zentrale Finanzpolitik der Stadt, da sie die Einverleibung ihrer Finanzangelegenheiten in den Kompetenzbereich des Magistrats und damit eine Vorbedingung zur Schaffung eines einheitlichen Wirtschaft- und Verwaltungsraumes als ihren Interessen entgegengesetzt betrachteten. Der Magistrat sah sich dadurch auf sein ‚traditionelles‘ Vorgehen, der Arrondierung und Integration durch Ankauf von Rechten und Gründen, verwiesen.
Somit war im Vormärz noch immer kein einheitlicher Raum in Bezug auf Wirtschaft und Verwaltung der Stadt geschaffen. Dies konnte in der Folge erst mit der Abschaffung der grundherrlichen Privilegien und der Aufhebung des Systems der Grundherrschaft und aller damit verbundenen Rechte und Pflichten erreicht werden. Selbige erfolgte in Folge der Revolution 1848 durch Gesetzesbeschluss vom 7. September 1848, der die Aufhebung der Grundherrschaft und die sogenannte Grundentlastung im damaligen Österreich festlegte.
Literatur
- Walter Sauer: Grund-Herrschaft in Wien 1700-1848. Wien: Jugend und Volk 1993 (Kommentare zum Historischen Atlas von Wien, 5)
Einzelnachweise
- ↑ Walter Sauer: Grund-Herrschaft in Wien 1700-1848. Wien: Jugend und Volk 1993 (Kommentare zum Historischen Atlas von Wien, 5), S. 141