Edith Tudor-Hart

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Daten zur Person
PersonennameName der Person im Format Nachname, Vorname Tudor-Hart, Edith
Abweichende NamensformAlternative Formen des Namens wie z.B. Pseudonyme oder Mädchennamen im Format Nachname, Vorname Suschitzky, Edith
TitelAkademische Titel (abgekürzt), Amtstitel, Adelstitel
Geschlecht weiblich
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  366741
GNDGemeindsame Normdatei 118820540
Wikidata Q3047644
GeburtsdatumDatum der Geburt 28. August 1908
GeburtsortOrt der Geburt Wien 4066009-6
SterbedatumSterbedatum 12. Mai 1973
SterbeortSterbeort Brighton 4008266-0
BerufBeruf Kindergartenpädagogin, Fotografin
ParteizugehörigkeitAngabe der Partei (bei PolitikerInnen) KPÖ
EreignisEreignis, mit dem die Person in Verbindung gebracht wird
Nachlass/Vorlass
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RessourceUrsprüngliche Ressource  Gedenktage-GW
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
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BestattungsdatumDatum der Bestattung 
FriedhofFriedhof, auf dem eine Person begraben wurde
Grabstelle
  • 4., Petzvalgasse 4 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Edith Tudor-Hart, * 28. August 1908 Wien, † 12. Mai 1973 Brighton (Großbritannien), Kindergartenpädagogin, Fotografin.

Biografie

Kindheit und Jugend

Edith Tudor-Hart wurde als Edith Suschitzky 1908 als erstes Kind von Adele und Wilhelm Suschitzky in Wien geboren. Gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder Wolfgang wuchs sie in einem progressiven, von den Werten des Sozialismus und Freidenkertums geprägten Elternhaus auf und wurde dort auch mit dem neuen Frauenbild des Roten Wien sozialisiert und früh politisiert. Die Familie lebte zunächst in Hietzing, zog dann aber in die Petzvalgasse 4, in die Nähe der vom Vater und dessen Bruder betriebenen ersten sozialistischen Buchhandlung Wiens samt angeschlossenen Verlag.

Nach dem Ersten Weltkrieg, 1920, nahm sie aus gesundheitlichen Gründen an einer sogenannten Kinderlandverschickung nach Schweden teil – sie lernte rasch Schwedisch und der Kontakte zu den Töchtern ihrer Gastfamilie sollte sich über viele Jahre halten; später reiste sie noch mehrmals nach Schweden. In Wien besuchte sie nach der Volksschule die Schule des Frauenerwerbvereins im 4. Bezirk und engagierte sich wohl bereits zu dieser Zeit im Verband sozialistischer Mittelschüler. Nach der Teilnahme an einer von Eugenie Schwarzwald organisierten "Sommerkolonie" (Ferienlager) am Grundlsee beschloss die 16jährige die Schule abzubrechen und sich zur Kindergartenpädagogin ausbilden zu lassen. Von April bis Juli 1925 besuchte sie einen Kurs bei Maria Montessori in London. Über die Montessori-Schülerin Beatrice Tudor-Hart lernte sie in London deren Bruder, den Arzt und überzeugten Kommunisten Alexander Tudor-Hart, ihren späteren Ehemann, kennen.

Zurück in Wien arbeitete Edith Suschitzky in einem Montessori-Kindergarten in der Troststraße. In dieser Zeit lernte sie den Chemiker Arnold Deutsch kennen, ebenfalls Kommunist und späterer Agent für die Sowjetunion, mit dem sie eine Beziehung einging. Ab diesem Zeitpunkt engagierte sich auch Edith Suschitzky verstärkt in der kommunistischen Jugendorganisation. Als Deutsch die Beziehung beendete, stürzte sie das in eine schwere Krise. Suschitzky ging Anfang 1927 erneut nach London und traft dort Beatrix Tudor-Hart wieder, über deren Vermittlung sie auch Arbeit in einem Montessori-Kindergarten fand. Auch kamen sich Edith Suschitzky und Alexander Tudor-Hart näher. Möglicherweise ist es ihm geschuldet, dass sie Parteimitlied in der britische Kommunistische Partei wurde. Als sie im Herbst desselben Jahres wieder nach Wien zurückkehrte, nahm sie sowohl die Arbeit für die Kommunistische Partei als auch ihre Beziehung zu Arnold Deutsch wieder auf. Es traf sie schwer, als Deutsch von der Partei nach Moskau beordert wurde und Wien gemeinsam mit seiner Ehefrau, mit der er bereits seit Jugendtagen zusammen war, verließ.

Studium am Bauhaus und Flucht aus Österreich

Edith Suschitzky studierte ab Herbst 1929 bis zum Sommer 1930 am Bauhaus in Dessau Fotografie, unter anderem bei Walter Peterhans, und gehörte der kommunistischen Studentenfraktion an. Im Herbst 1930 ging sie erneut nach London und nahm – vermutlich mit Alexander Tudor-Hart – an einer kommunistischen Demonstration am Trafalgar Square teil. Von britischen Sicherheitsbehörden beobachtet, wurde sie daraufhin aufgefordert, das Land zu verlassen. Im Jänner 1931 kehrte sie erzwungenermaßen nach Wien zurück, Alexander Tudor-Hart versprach ihr, bald nachzukommen. Sie arbeitete in den 1930er Jahren als Fotoreporterin und Österreichkorrespondentin der sowjetischen Presseagentur Tass. Einige ihrer Bilder wurden in Illustrierten wie "Liliput" oder "Der Kuckuck" abgedruckt, wie etwa ein Fotoessay über Montessori-Pädagogik. Zusätzlich war sie in einem kommerziellen Fotolabor angestellt, weiterhin war sie aber auch auf die Unterstützung durch ihre Familie angewiesen.

Im Frühjahr 1932 kam Alexander Tudor-Hart, mittlerweile von seiner ersten Ehefrau geschieden, nach Wien und belegte Kurse bei unter anderem Lorenz Böhler. Im Mai 1933, die politische Situation in Österreich hatte sich zunehmend verschlechtert, wurde Edith Suschitzky aufgrund ihrer kommunistischen Tätigkeiten festgenommen, verhört und blieb rund einen Monat lang in Untersuchungshaft. Wenige Monate später, im August 1933 heirateten Edith Suschitzky und Alexander Tudor-Hart in der britischen Botschaft in Wien. Durch die Eheschließung war es Edith Tudor-Hart möglich, Wien zu verlassen und dadurch den Verfolgungen durch das austrofaschistische Regime zu entkommen – erst 1967 sollte sie ihre Heimatstadt wiedersehen.

Leben in London

Edith Tudor-Hart arbeitete die nächsten 20 Jahre als Fotografin. Sie wurde 1934 Mitglied der AIA (Artists International Association) und gehörte dem "Worker's Camera Club" an. In ihren dokumentarfotografischen Arbeiten beschäftige sie sich mit den vorherrschenden Lebensbedingungen, Wohnverhältnissen, aber auch Themen wie Gesundheit oder Geschlechterverhältnissen und vor allem Kinder spielten darin weiterhin eine wichtige Rolle. Heute gilt sie als Pionierin der "Street Photographie". Daneben arbeitete sie auch als Porträt- und Werbefotografin.

Im April 1936 kam ihr Sohn Thomas Martin, genannt "Tommy" zur Welt, im September desselben Jahres verließ Alexander Tudor-Hart seine Familie, um als Chirurg für die Medical Aid Unit im Spanischen Bürgerkrieg zu arbeiten und blieb zwei Jahre lang fort. Die Scheidung erfolgte 1939. Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass Tommy an einer schweren Form von vermutlich Schizophrenie litt. Edith Tudor-Hart suchte Hilfe und ließ ihn um 1942 unter anderem von Anna Freud und anschließend vom bekannten Kinderarzt und Psychoanalytiker Donald W. Winnicott behandeln, mit dem sie ab circa 1947 auch eine Beziehung einging. Schließlich konnte sie ihren Sohn, der zunehmend aggressiv auftrat, nicht mehr zu Hause betreuen. Er war in wechselnden Anstalten untergebracht und verstarb 1987.

Edith Tudor-Hart, die ab 1938/39 aufgrund ihrer politischen Arbeit die Aufmerksamkeit der britischen Behörden auf sich zog, wurde vom britischen Geheimdienst überwacht und mehrmals verhört. Auch wurde ihr Anfang der 1950er Jahre nahegelegt, ihre Arbeit als Fotografin aufzugeben. Edith Tudor-Hart, die in ihrem Leben immer wieder auch mit psychischen Krisen zu kämpfen hatte, zog sich zurück, vernichtete viele ihrer Arbeiten und auch Negative und arbeitete in verschiedenen Berufen, unter anderem als Haushälterin, Hilfskraft für andere Fotografen und als Fürsorgerin. Zuletzt handelte sie mit Antiquitäten. Sie verstarb 1973 nach einem medizinischen Eingriff an den Folgen einer Krebserkrankung.

Tätigkeit für den sowjetischen Geheimdienst

Edith Tudor-Hart war bereits in Wien in der kommunistischen Jugendarbeit engagiert gewesen. Sie dürfte in erster Linie Kurierdienste verrichtet und Schriftstücke vervielfältigt haben. Anzunehmen ist, dass sie durch ihre Beziehung zu Arnold Deutsch stärker in das Netzwerk der Partei eingebunden gewesen ist. Ebenfalls in Wien lernte Edith Suschitzky in der Wohnung ihrer Freundin Alice Friedmann den späteren britischen Doppelagenten und Ehemann von Alice Friedmann Kim Philby kennen. Der als "Jahrhundertspion" bezeichnet Philby war ein sowjetischer Spion, dem es gelang, im britischen Geheimdienst Karriere zu machen. Er wurde von Arnold Deutsch rekrutiert und es war Edith Tudor-Hart, die die beiden 1934 einander vorstellte. Sie legte damit die Grundlage für die Rekrutierung der sogenannten "Cambridge Five". Dieser von Arnold Deutsch geleitete Spionagering gilt als der erfolgreichste und berühmteste der Sowjetunion und war bis in die 1960er Jahre hinein aktiv. Auch mit dem Chemiker und Physiker Engelbert Broda hatte Edith Tudor-Hart Ende der 1940er/Anfang der 1950er Jahre eine Beziehung – er ließ der Sowjetunion möglicherweise Informationen über die US-amerikanische und britische Atombombenforschung zukommen. Tatsächlich liegt über Edith Tudor-Harts Tätigkeit für den sowjetischen Geheimdienst vieles im Dunkeln und kann möglicherweise nie geklärt werden.

Rezeption

Die erste größere Anerkennung als Fotografin erhielt Edith Tudor-Hart posthum 1987, als in Liverpool eine Retrospektive gezeigt wurde. Im selben Jahr erschien der Band "Das Auge des Gewissens" mit einem Text von Bruder Wolfgang. 2013/14 zeigten die National Galleries of Scotland in Edinburgh, das Wien Museum und das Verborgene Museum in Berlin mit "Edith Tudor Hart: Im Schatten der Diktaturen" die bis dato größte Schau zu ihrem Werk. Dazu erschien 2013 ein von Duncan Forbes herausgegebener Begleitband. Der Schriftsteller und Filmemacher Peter Stephan Jungk, Sohn von Ediths Cousine Ruth Suschitzky (1913–1995), veröffentlichte 2015 im S. Fischer Verlag den Roman "Die Dunkelkammer der Edith Tudor-Hart. Geschichten eines Lebens" und stellte 2016 den darauf basierenden Dokumentarfilm "Tracking Edith" fertig. Ihr fotografischer Nachlass befindet sich im Fotohof – Verein zur Förderung der Autorenfotografie in Salzburg.

Literatur


Edith Tudor-Hart im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.

Weblinks