Eisgrübel
48° 12' 33.54" N, 16° 22' 13.71" E zur Karte im Wien Kulturgut
1., Petersplatz 11 (Konskriptionsnummern 609, 608, 607, 606 und 605, "Großes Eisgrübel" im Gegensatz zum "kleinen Eisgrübel" [1, Petersplatz 9]; ursprünglich "auf dem St.-Peters-Freythof").
Auf der Grundfläche des heutigen Hauses befand sich einst ein ganzer Gebäudekomplex, welcher das sogenannte Eisgrübel umschloss. Dieses Stück Alt-Wien das erst im Jahr 1896 verschwand, wurde so benannt, weil hier die Eisverkäufer, die das Eis in den Kellern der Umgebung konservierten, ihren Standplatz hatten. 1430 wurde das Eisgrübel erstmals erwähnt. Laut städtischer Vorschreibung aus dem Jahr 1500 stand an dieser Stelle eine Steinmetzhütte des Meisters Konrad Gessing, die später wieder verschwand.
1559 führte die Örtlichkeit in den Stadtgrundbüchern die Bezeichnung "unter den Eisnern", die später wieder verschwand. Eine Zeit lang fand hier auch der Verkauf von Töpferwaren statt. Nach Weiskerns Topographie findet sich 1701 der "Töpfermarkt am Eisgrübel" hier und ein Jahr später gesellten sich zu den Hafnern ein Porzellanhändler, der im Eisgrübel seinen Laden eröffnete, welcher aber bald mehr einer Kunsthandlung als einem Geschirrgeschäft entsprach. Er hielt sich dort durch fast 200 Jahre und erst als das Eisgrübel im Jahr 1895 demoliert wurde, übersiedelte das Geschäft (Firma Denk) auf den Graben 13, wo es das ehemalige Ladenschild vom Eisgrübel trägt.
Als 1688 die erste öffentliche Straßenbeleuchtung eingeführt worden war, hatte der Stadtölerer in diesem Gebäude seinen Sitz. Da die Lampen täglich mit frischem Talg gefüllt werden mussten, geschah dies in der ersten Zeit im Haus "Zum Hahnenbeiß" (Am Hof 5, seit 1693 beim Petersfreithof, wohin die Beauftragten der Hausbesitzer die Lampen bringen mussten.
Zur Zeit der großen Pest im Jahr 1679 wurden im Eisgrübel die Leichen aufgestapelt, wo sie dann auf Wagen zu laden und zu den Pestgruben gebracht wurden.
Der Grundriss des Suttingerplans von 1684 zeigt uns das Eisgrübel als eine nur im Osten und Norden von Häusern begrenzte, nach dem Petersplatz zu aber offene Flächen, erst nach dem Neubau der Peterskirche wurde dort an der Ecke der Goldschmiedgasse und zwischen dieser und dem silbernen Vogel (Haus Stadt 609) ein ebenerdiges Gebäude für die Rumorwache errichtet, das nun das Eisgrübel vom Petersplatz abschloss, aber zwischen der Wachstube und dem silbernen Vogel einen Zugang zum Petersplatz offen ließ. Auf dem Nagelplan von 1780 ist dies deutlich zu sehen.
Ursprünglich war die Rumorwache an den rückwärtigen Teil der alten Peterskirche angebaut, wie dies der Suttingerplan und die oben erwähnte Planskizze deutlich zeigt. Hier hatten zwei Fähnlein der Bürgerschaft ständigen Dienst. Später trat an deren Stelle die Stadtguardia. Diese Wachstube wird schon in der Stadtrechnung von 1602 erwähnt. Als man die alte Kirche niederriss, musste für die Unterbringung der Wachstube anderweitig gesorgt werden. Das Eisgrübel bot dafür Platz genug. Auf einem Teil des Grundes ein kleines Gebäude zu errichten das 150 Mann der Rumorwache Raum aufnehmen konnte. Es hatte zwei Seitenflügel und zeigte gegen den Petersplatz hin eine offene Ballustrade, dort zog die Wache täglich mittags mit Piken und Hellebarden auf. Gegen 1800 erfolgte der Aufbau einer neuen Wachstube. Auch dieses Gebäude war ebenerdig, von allen Seiten freistehend und hatte einen auf fünf Bögen ruhenden steinernen Laubengang. Im rückwärtigen Teil des Objektes befanden sich bis 1854 Pferdestallungen, die später seitens der Denk'schen Porzellanhandlung als Magazin genutzt wurde.
Die das Eisgrübel umsäumenden Häuser, die alle in das gegenwärtige Haus Petersplatz 11 aufgegangen sind, waren:
Haus Stadt 609
"Zum silbernen Vogel" beschildert, durch Abspaltung vom Haus Stadt 608 hervorgegangen. 1554 erstmals genannt. 1895 wurde Haus Stadt 609 abgebrochen.
Haus Stadt 608
Nach dem Tode des Besitzers von Haus Stadt 607 durch Abtrennung desselben Hauses entstanden. 1895 erfolgte der Abbruch des Hauses Stadt 608.
Haus Stadt 607
Mit dem Hausschild "Wo sich der Hahn im Spiegel schaut". Über die Herkunft des Namens ist nichts Sicheres bekannt. Ihn mit den Hahnenkämpfen in Verbindung zu bringen, die bis Beginn des 15. Jahrhunderts in Wien ein beliebtes Schauspiel boten, ist eine willkürliche Auslegung.
Ursprünglich befanden sich an Stelle dieses Hauses drei Häuser:
Haus A
Haus A war das größte unter den dreien, das auch das Stammhaus von den Häusern Stadt 608 und 609 war und wird 1377 erstmals genannt. Nach vielfachem Besitzerwechsel vermachte es Benedikt Khalch in seinem Testament vom Jahr 1570 den armen Leuten des kaiserlichen Hofspitals, im Bürgerspital und in jenem zu St. Marx. Die Spitalmeister und Väter dieser Spitäler verkauften es 1579 dem Mathes Schlab, unter dem die Häuser A, B und C in eines verbaut wurden. Weiter siehe unter Haus C.
Haus B
1387 erstmals genannt. Auch dieses Haus wurde, nach vielfachem Besitzerwechsel, an Benedikt Khalch verkauft, der es auf Grund seines Vermächtnisses an die unter Haus A bezeichneten Spitäler und in der Folge an Mathes Schlab gab.
Haus C
1450 erstmals genannt. 1597 wurden die Häuser A, B und C unter Mathes Schlab in eines Zusammengebaut. Nach mehrfachem Besitzerwechsel kaufte es am 14. Juni 1845 der kaiserlich königliche akademische Rat und Professor der Historienmalerei Johann Ender.
In diesem Haus befand sich der nach seinen Stammgästen benannte Rauchfangkeller, von dem das Judenprogrom vom April 1700 seinen Ausgang nahm (siehe Freisingergasse 4).
Im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts war in dem Haus das Speisehaus des Anton Januschek, von dem es im Kommerzialschema der Stadt Wien vom Jahr 1780 heißt: "Anton Januschek gibt täglich um halber 1 Uhr vor 24 Kreuzer mit Ausnahme des Weins Tafel am Peter Stadt 545 (damalige Konskriptionsnummer)".
Haus Stadt 606
1406 erstmals erwähnt. 1450 kaufte es Laurenz Haiden, dieser war 1479 bis 1485 Bürgermeister von Wien. 1896 wurde das Haus abgebrochen.
Den einstigen Schildnamen des Hauses "zum Küss‘ den Pfennig" teilte es mit mehreren Häusern der Stadt. Die gemeinsame Abteilung könnte von einem Wiener Bürgergeschlecht herrühren, das im 15. Jahrhundert wiederholt genannt wird.
Haus Stadt 605
Das Haus Stadt 605 führte das Schild "Zum Eisgrübel" und bestand ursprünglich aus zwei Häusern. Haus (1470 erstmals erwähnt) und Haus B (1438 erstmals erwähnt), die aber bereits seit 1503 einen Besitzer hatten. 1895 wurde das Haus Stadt 605 abgebrochen. Hier wurde 1702 die heutige Glas- und Porzellanfirma Albin Denk begründet (heute 1, Graben 13).
Der Neubau am Petersplatz 11
1895/1896 wurden alle hier aufgeführten Häuser niedergerissen und mit ihnen verschwand das Eisgrübel. Der Platz wurde reguliert, die Goldschmiedgasse in gleichbleibender Breite vom Stephansplatz bis zum Petersplatz geführt und auf der freigewordenen Fläche zwischen Freisinger- und Goldschmiedgasse ein dreifrontiges mächtiges Zinshaus aufgeführt. Das heutige Haus "Zum Eisgrübel" wurde 1895-1897 nach einem Entwurf von Emil Bressler durch Oskar Laske & Viktor Fiala für Albert Freiherr von Hardt errichtet.
Gewerbe und Firmen innerhalb des Hauses im Laufe der Jahre
Haus Stadt 607:
- Rauchfangkeller
- Speisehaus des Anton Januschek
Haus Stadt 605:
- Glas- und Porzellanfirma Albin Denk begründet (heute 1, Graben 13)
- First American Perfumery "Oja" - San Francisco, Petersplatz No. 11
Pfarrzugehörigkeit bis 1938
Bis 1938 lag die Standesführung in Österreich in den Händen der konfessionellen Behörden. Die Geburts-, Ehe-, und Sterbematriken von katholischen Bewohnerinnen und Bewohnern wurden von der zuständigen Pfarre geführt.
- ab 1863: Pfarre St. Peter
Literatur
- Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer. Band 3/1: Wien. 1.-12. Bezirk. Salzburg: Residenz-Verlag 1990, S. 49
- Rudolf Geyer: Handbuch der Wiener Matriken. Ein Hilfswerk für Matrikenführer und Familienforscher. Wien: Verlag des Österreichischen Instituts für Genealogie, Familienrecht und Wappenkunde, 1929
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 451
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 1, 1. Teil. Wien ²1953 (Manuskript im WStLA), S. 202 – 217
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechanische Wiedergabe [der Ausgabe von 1883]). Band 1. Cosenza: Brenner 1967, S. 156 ff.
- Neues Wiener Tagblatt. Wien, 24.10.1895 (Demolierung)