Die Neue Donau (21, 22) ist ein Entlastungsgerinne, das im Rahmen der zweiten Donauregulierung 1972 bis 1988 erbaut wurde. Es liegt im Bereich des ehemaligen Überschwemmungsgebiets.
Planung
Nach dem Donauhochwasser von 1954 (8.-28. Juli) intensivierten sich die Diskussionen um einen systematisch verbesserten Hochwasserschutz in Wien. Nach der Donauregulierung von 1870 bis 1875 waren drei der gesteckten Ziele (Möglichkeit der Schifffahrt zwischen Nussdorf und Albern, Zuschüttung der meisten Donaualtarme, Erleichterung des Baus von Brücken, insbesondere für den Eisenbahnverkehr) erreicht worden, der volle Hochwasserschutz aber blieb unerfüllt, wie bereits die Hochwässer von 1897 und 1899 bewiesen.
In Folge der Überflutung des Handelskais 1954 wurden mehrere Projekte ausgearbeitet, die drei unterschiedliche Lösungsansätze verfolgten: 1. Erhöhung der bestehenden Dämme, 2. den Bau eines sogenannten „Umfluters“ oder „Hochwassergrüngürtels“ im Norden der Stadt sowie 3. den Neubau eines Entlastungsgerinnes parallel zum bestehenden Donaulauf. Letzteren griff Zivilingenieur August Zottl auf. Sein Entwurf aus dem Jahr 1957 gilt heute als „Geburt“ der Neuen Donau und der Donauinsel. Der damalige Finanzstadtrat Felix Slavik und Stadtbaudirektor Rudolf Koller waren treibende Kräfte bei der Konkretisierung des Projekts. Es ging darum, an der Stelle des Überschwemmungsgebiets ein zweites Strombett zu schaffen, das vom Hauptbett der Donau durch die neu zu schaffende Donauinsel getrennt sein sollte und in das gegebenenfalls Hochwasser eingeleitet werden konnte. Ansonsten sollte das "Entlastungsgerinne", wie das Projekt anfangs hieß, ein stehendes Gewässer sein.
Bau
Die Debatte über die Beschlussfassung zum Bau des Entlastungsgerinnes löste heftige politische Kontroversen aus. Der Gemeinderat fasste den entsprechenden Beschluss schließlich am 12. September 1969 gegen die Stimmen der ÖVP (die schließlich 1973 die Koalition mit der SPÖ verließ). 1972 begannen die Aushubarbeiten für die „Zweite Wiener Donauregulierung“, die nicht nur die Gewässerlandschaft, sondern auch das gesamte Stadtbild Wiens umfassend veränderte. Im Inundationsgebiet wurde ein 21,1 km langes und 210 m breites Entlastungsgerinne für Hochwässer, die Neue Donau, ausgehoben. Dabei wurden 28,2 Mio. m³ Bodenmaterial bewegt, wovon das meiste zum Aufschütten der Donauinsel um 4 bis 6 m verwendet wurde. Insgesamt wurden 3,3 Mio. m³ Wasserbausteine und Humusmaterial verbaut. Um die Aufteilung des Hochwasserabflusses zwischen Hauptstrom und Neuer Donau steuern zu können, wurde flussauf bei Langenzersdorf ein Einlaufbauwerk (Wehr) errichtet, das im Hochwasserfall geöffnet werden kann und bis zu 5.200 m³ Wasser pro Sekunde durchlässt. Dadurch kann der Wasserspiegel des Hauptstroms im Extremfall um fast einen Meter abgesenkt werden. Zusammen mit der Donau (8.800 m³/s) können damit insgesamt 14.000 m³/s Wasser ohne größere Schäden durch Wien abfließen, was nach aktuellem Kenntnisstand einem 3.000- bis 5.000-jährlichen Hochwasser entspricht.
Zwei weitere Wehre, eines in der Mitte und eines am Ende der Neuen Donau, regeln den Wasserstand innerhalb des Gerinnes. Um künftige Überschwemmungen der Häuserzeilen beim Handelskai zu vermeiden, wurde ein neuer Damm entlang des rechten Donauufers von der Nußdorfer Schleuse bis zum Hafen Freudenau errichtet. Zudem wurde der linksufrige Inundationsdamm verstärkt und erhöht, ebenso die Rückstaudämme entlang des unteren Donaukanals. Nachdem die Nußdorfer Schleuse bereits in den Jahren 1964 bis 1966 umgebaut worden war, folgte zwischen 1971 und 1975 auch noch das Nußdorfer Wehr. Zudem wurde das Projekt dazu genutzt, den Linken Donausammelkanal entlang der Neuen Donau, ein Pumpwerk für Abwässer auf der Donauinsel und den Donaudüker zu bauen, um die transdanubischen Abwässer zur in Bau befindlichen Hauptkläranlage in Simmering zu leiten. Nicht zu vergessen, dass mit der Donauinsel ein neues großes Freizeitgebiet in zentraler Lage geschaffen wurde. Damit ging das bis 1988 umgesetzte Großprojekt, ähnlich wie die Erste Wiener Donauregulierung und die Wienflussregulierung, in seiner städtebaulichen Bedeutung weit über ein rein wasserbauliches Projekt hinaus.
Die offizielle Benennung des Gewässers als "Neue Donau" erfolgte am 7. Mai 1984 erfolgte im Gemeinderatsausschuss für Kultur. In der Öffentlichkeitsarbeit der Stadt war die Bezeichnung bereits seit Anfang der 1970er Jahre verwendet worden, nachdem der Begriff "Entlastungsgerinne" für eine Bewerbung als missglückt empfunden wurde. Der nördlichste Teil der Neuen Donau und der Donauinsel befindet sich in Niederösterreich, steht aber eigentumsrechtlich im Besitz der Stadt Wien, seit im Zuge der Übersiedlung der niederösterreichischen Landesregierung und des niederösterreichischen Landtags nach St. Pölten, 1996/1997, Wien auf Grund einer 1995 getroffenen Vereinbarung der beiden Bundesländer für die Aufgabe seines dadurch wiederbelebten Hälfteanteils am Landhaus in der Herrengasse entschädigt wurde.
Siehe auch:
Literatur
- Verwaltungsberichte der Stadt Wien
- Severin Hohensinner: Neue Rollen. Ausbau und Rückbau seit 1918. In: Wasser Stadt Wien. Eine Umweltgeschichte. Hg. vom Zentrum für Umweltgeschichte, Universität für Bodenkultur Wien. Wien: Holzhausen Druck 2019, S. 122-143
- Friedrich Hauer / Severin Hohensinner: Die ungebaute Wasserstadt. Ein Streifzug durch Wiens aquatische Planungsgeschichte. In: Wasser Stadt Wien. Eine Umweltgeschichte. Hg. vom Zentrum für Umweltgeschichte, Universität für Bodenkultur Wien. Wien: Holzhausen Druck 2019, S. 400-421
- Rendezvous Wien. Vierteljahreszeitschrift für Freunde Wiens in aller Welt. Wien: Wiener Tourismusverband, 22.10.1987, S. 5