Lagerhaus
48° 12' 48.36" N, 16° 25' 10.23" E zur Karte im Wien Kulturgut
Städtisches Lagerhaus (2., Engerthstraße 257).
Mit Gemeinderatsbeschluss vom 7. Jänner 1876 wurde die Errichtung eines städtischen Lagerhauses beschlossen. Der Betrieb wurde noch 1876 in der vom Handelsministerium gepachteten und adaptierten Maschinenhalle (Weltausstellung 1873, 1945 zerstört) aufgenommen. Die Bedeutung Wiens als Zentrum des Getreidehandels und die Notwendigkeit der Vorratshaltung von Lebensmitteln sicherte dem ältesten städtischen Unternehmen einen raschen Aufstieg. Fünf neue Magazine (bis 1884), Gleisanlagen, ein amerikanischer Weinkeller (1877), fünf Spiritusbehälter (1887) und die Erweiterung des Landungsplatzes der Prateranlage (Lagerhäuser-Kaianlage, Uferlänge von 1.300 m, drei Landungsmagazine mit Schiffselevatoren) trugen dazu bei. 1912/1913 erfolgte eine Modernisierung und Ausdehnung des Betriebs durch den Bau eines neuen Getreidespeichers am Handelskai (2, Handelskai 269).
Erweiterungen und rechtliche Neuaufstellung
Am 12. Februar 1916 wurden die vier von der Donauregulierungskommission erbauten Lagerhäuser im Freudenauer Winterhafen, die dazugehörige Bahnanlage (1. Mai 1916 allgemeine Benützung) und am 16. Mai 1916 der Speicher Zwischenbrücken (früher L. S. & W. Hoffmann, Bodenspeicher mit acht Geschossen) dazugenommen. Der Betrieb umfasste Lagerung, Säuberung und Konservierung der Ware sowie Verladung.
Am 11. Februar 1925 änderte der Gemeinderat die rechtliche Stellung der Lagerhäuser, die von Unternehmen (§ 74 Stadtverfassung) in einen Betrieb umgewandelt wurden, ein eigenes Organisatorisches Statut erhielten und unter der registrierten Firma „Lagerhäuser der Stadt Wien" geführt wurden. Durch die Auflösung der Monarchie hatte sich die Situation völlig verändert. Die Lagerhäuser hatten mit größten wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Der Hauptbetrieb verlagerte sich auf die Kaianlage, der Winterhafen wurde aufgelassen. Ab 1929 wurde die Zusammenlegung der Betriebe beschleunigt und auf die Kaianlage (Direktion und Verwaltung) sowie das Kühllagerhaus konzentriert. Die Prateranlage wurde bis auf kleinere Objekte und Freilagerflächen aufgelassen, der Speicher Zwischenbrücken verpachtet, dafür die Lager- und Kühlhäuser der „Ersten österreichischen Aktiengesellschaft für öffentliche Lagerhäuser" bei der Franzensbrücke erworben (1945 zerstört).
Am 2. Juli 1942 erfolgte die Umwandlung in eine AG, die am 2. November 1943 die Bezeichnung „Wiener Lager- und Kühlhaus-AG" erhielt. Nur das modern eingerichtete Kühlhaus in St. Marx und die beiden Getreidespeicher im Alberner Hafen (erbaut 1939 nach Entwürfen von Reich; Ausführung Suka Baugesellschaft, Gustav Orglmeister) überstanden den Zweiten Weltkrieg unbeschadet.
1947 wurde der Wiederaufbau der Anlagen beschlossen und bis 1949 durchgeführt. Verwaltungsgebäude (1945 von der SS in Brand gesetzt), Magazine (am Handelskai), Freilagerplätze, das Kühlhaus Engerthstraße und Bahnanlagen wurden wiederhergestellt. Die drei großen Speicher verfügten über ein Fassungsvermögen von 70.000 Tonnen. Am Handelskai 77 entstand das Zollfreilager Brigittenau.
Im September 1977 beschloss der Gemeinderat die Gründung der „Wiener Hafen-Lagerbetrieb; Planungs-, Aufbau- und Koordinations-GmbH" (PLAKO) mit dem Ziel einer Konzeptausarbeitung für den Ausbau der Wiener Hafenanlagen. Es wurde eine Koordinierung zwischen Hafenbetriebsgesellschaft und Wiener Städtischer Lager- und Kühlhausgesellschaft herbeigeführt. Die Betriebe wurden vom Handelskai abgesiedelt; der Getreidespeicher wurde zum Hotel Scandic Crown umgebaut, anstelle des Kühlhauses entstand ein Pensionistenheim.
Siehe auch:
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Handelsgericht, B74/15: Handelsregister E 15/102a, Lagerhaus der Stadt Wien; Lagerhäuser der Stadt Wien
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Handelsgericht, B74/31: Handelsregister A 74/31, Lagerhäuser der Stadt Wien
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Handelsgericht, A47: HRA 5053, Handelsregisterakt
Literatur
- Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Wien: Gerlach & Wiedling 1905. Band 1, 1905, S. 376 ff.
- Ferdinand Lettmayer [Hg.]: Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts - ein Querschnitt durch Landschaft, Geschichte, soziale und technische Einrichtungen, wirtschaftliche und politische Stellung und durch das kulturelle Leben. Wien: 1958, S. 599
- Rudolf Tillmann: Festschrift Hundertjahrfeier des Wiener Stadtbauamts. Wien: Verlag für Jugend und Volk 1935, S. 183 ff.
- Dietmar Steiner: Architektur in Wien. 300 sehenswerte Bauten. Wien: Magistrat 1984, S. 107