MS Pachmayergasse 6
48° 10' 51.56" N, 16° 24' 37.44" E zur Karte im Wien Kulturgut
Die Mittelschule Pachmayergasse 6 ist eine öffentliche Mittelschule im 11. Wiener Gemeindebezirk, Simmering.
Schulgründung
Im Jahr 1907 wurde ein Projekt für den Schulneubau einer Mädchenvolksschule samt Kindergarten an der Ecke Pachmayergasse 6, Rinnböckstraße 45 genehmigt. Der Bau erfolgte nach Plänen des Baumeisters Matthäus Bohdal jun.[1] Bereits im darauffolgenden Jahr 1908 konnte das Schulgebäude in Benützung genommen werden. Die Schülerinnen entnahm man vor allem der naheliegenden und völlig überfüllten Doppelvolksschule Molitorgasse 11.
Am 28. Oktober 1908 wurde die neu errichtete Mädchenvolksschule durch den Stadtdechant Probst Menda von der Votivkirche in Gegenwart des Bürgermeisters Karl Lueger, des Hofrats und k. k. Landesschulinspektors Karl Rieger, des neuen k. k. Schulinspektors Schulrat Franz Wiedenhofer, des Landtagsabgeordneten und Bezirksvorstehers Georg Albin Hirsch, des Stadtrats Heinrich Braun, der Gemeinderäte Alfons Benda und Anton Kurz und anderen Schulleitern des Bezirks eingeweiht.
Im ersten Schuljahr 1908/1909 führte die neue Mädchenvolksschule Pachmayergasse 6 unter der provisorischen Leitung von Heinrich Köhler 14 Mädchenklassen mit insgesamt 808 Schülerinnen. Die sechsstufige Volksschule wurde von 784 römisch-katholischen, 18 evangelischen und sechs jüdischen Schülerinnen besucht. Auch befand sich seit Beginn an ein öffentlicher Kindergarten im Schulgebäude, der von drei Kindergärtnerinnen betreut wurde.
Schulausstattung
Das neue Schulgebäude enthielt 14 Lehrzimmer, einen Turnsaal samt Umkleideraum, eine Kanzlei, ein Sitzungszimmer, vier Lehrmittelräume, einen Warteraum, zwei Ausspeiseräume mit Küche und einer Schuldienerwohnung, ferner für einen im zweistöckigen Trakt an der Rinnböckstraße untergebrachten städtischen Kindergarten zwei Beschäftigungszimmer, einen Speisesaal, die Kanzlei und eine Veranda gegen den Spielplatz.
Die Zwischendecken der Geschoße waren in den Lehrräumen Tramdecken zwischen eisernen Trägern. Die Decken der Gänge und Aborte wurden durch Ziegelgewölbe gebildet. Der Fußbodenbelag wurde in den Lehrräumen durch Eichenbrettelböden gebildet. Beim Zusammenstoß der Wände mit den Fußböden waren Hohlkehlensockel aus Holzstein angebracht.
Die Beheizung erfolgt durch Niederdruck-Dampfheizungen mit örtlichen, in den Fensterparapeten oder in Mauernischen aufgestellten Heizkörpern. Während der Unterrichtszeiten konnte frische Außenluft durch Schlitze in den Fensterparapeten oder durch Luftschläuche in den Mauern zugeführt werden. Die Nebenräume (Kanzleien, Konferenz- und Lehrmittelzimmer) und die Schuldienerwohnungen waren mit Reflektorgasöfen, Dauerbrand- oder Füllöfen ausgestattet. Die Kanzleien und Konferenzzimmer waren sowohl durch die Zentralheizung, als auch durch Zimmeröfen beheizbar.
Erster Weltkrieg
Die Kriegsereignisse des Ersten Weltkriegs hatten für die Mädchenvolksschule vor allem die Umsiedlung in ein anderes Schulgebäude zur Folge. Ab 26. Oktober 1914 bis Kriegsende kamen die Schülerinnen in der Mädchenvolksschule Simoningplatz 2 unter, da das Militär sich im eigenen Schulgebäude einquartierte. Während der ganzen Kriegsdauer hatten die Mädchen Wechselunterricht. Ab 1912/1913 hatte die Schule Pachmayergasse 6 als Religionssammelstelle für Schülerinnen des jüdischen Glaubens fungiert. Ab 1914/1915 galt dies ebenfalls für Schülerinnen des evangelischen Glaubens. Zeitweise wurde während des Krieges auch die Religionssammelstelle der Mädchenvolksschule Molitorgasse 11 in die Pachmayergasse 6 verlegt.
Die Zahl der Schülerinnen sank währen der Kriegszeit, jedoch vergleichsweise wenig. Im Schuljahr 1913/1914 waren noch 755 Mädchen eingeschrieben, von denen im Schuljahr 1918/1919 noch 657 übrig blieben. Auch fand ein reger Wechsel in der Schulleitung statt, da der ursprüngliche Oberlehrer Karl Wiesinger zur militärischen Dienstleistung eingezogen wurde. Nach dem Krieg nahm er seine Tätigkeit als Schulleiter wieder auf.
Zwischenkriegszeit: Umwandlung Bürgerschule
Während die Mädchenvolksschule im Schuljahr 1923/1924 noch 13 Klassen mit 366 Mädchen führte, waren es im darauffolgenden Schuljahr nur acht Klassen mit 248 Mädchen. Bereits in diesem Jahr wurden sieben Bürgerschulklassen im Gebäude untergebracht. Es ist anzunehmen, dass der Schülerinnenbestand der Volksschule reduziert und in andere Schulen verlegt wurde, damit im Schuljahr 1925/1926 eine Bürgerschule für Knaben und Mädchen in der Pachmayergasse 6 mit Beschluss des Wiener Stadtschulrats vom 24. Februar 1925 eröffnet werden konnte. Provisorischer Leiter war Karl Zöllner. Die Bürgerschule wurde zwar von Knaben und Mädchen besucht, diese wurden allerdings in getrennten Klassen unterrichtet. Im ersten Jahr der Schule 1925/1926 besuchten 129 Knaben und 164 Mädchen die neue Bürgerschule. Nach dem Hauptschulgesetz im Jahr 1927 wurde die Bürgerschule zur Hauptschule umgewandelt.
Februar 1934 und Ständestaat
Bereits im Schuljahr 1934/1935 wurde Englisch parallel zu Französisch als Fremdsprache unterrichtet und es dauerte nicht lange, bis die romanische Sprache ganz vom Lehrplan der Hauptschule verschwand. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich drei Klassen der Pachmayergasse 6 in der Außenstelle in der Doppelvolksschule Molitorgasse 11. Die Räumlichkeiten schienen für die Schulkinder nicht auszureichen, da beispielsweise auch der städtische Kindergarten im Schulgebäude bereits dauerhaft fünf Räume belegte. Daneben belegte das Wiener Volkskonservatorium zwei Räume, der Arbeiter-Turnverein beziehungsweise später der Heimatschutz zwei Räume sowie die Wiener öffentliche Küchenbetriebsgesellschaft (WÖK) einen Raum.
NS-Zeit und Zweiter Weltkrieg
Nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 wurde Gustav Preissler mit dem 25. August 1938 als neuer Schulleiter der Knabenmädchenhauptschule bestellt. Zu diesem Zeitpunkt besuchten keine jüdischen Schulkinder mehr die Hauptschule in der Pachmayergasse 6. In der NS-Zeit mussten die Schulen ihre Räumlichkeiten nationalsozialistischen Organisationen bereitstellen. So wurde der Turnsaal wöchentlich vom HJ-Bann 504 sowie vom Bund deutscher Mädel benützt.
Aufgrund der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs mussten viele Schulen in andere Schulgebäude umsiedeln. Ab dem 9. Oktober 1940 befanden sich insgesamt drei Schulen im Schulgebäude in der Pachmayergasse 6: die eigentliche Hauptschule, die Knaben- und Mädchenvolksschule Simoningplatz 2 sowie die Knaben- und Mädchenvolksschule Molitorgasse 11.
Die Zahl der Schulkinder reduzierte sich während der Kriegsdauer drastisch. Im Schuljahr 1938/1939 führte die Hauptschule noch sieben Klassen mit 223 Knaben und sieben Klassen mit 250 Mädchen. Bereits im Jahr 1940/1941 waren es nur noch 142 Knaben und 190 Mädchen. Gegen Kriegsende wurden nur noch zwei Knabenklassen mit 73 Schüler und vier Mädchenklassen mit 151 Schülerinnen geführt. Laut dem Kriegsschädenplan von 1946 wurde das Schulgebäude in der Pachmayergasse 6 auch von einigen Bombentreffern getroffen, was wohl zur schlussendlichen Stilllegung des Schulbetriebes in der Pachmayergasse 6 im Jahr 1944 führte.
Gegenwart
Heute ist die Mittelschule Pachmayergasse 6 eine offene Schule, also eine Ganztagsschule in getrennter Abfolge. Seit dem Jahr 2004 bezeichnet sich die Schule auch noch als "College für Berufsorientierung". Ab der dritten und vierten Stufe wird im Fach Berufsorientierung (BO) die Berufs- und Bildungsentscheidung der Schulkinder unterstützt. Die rund 200 Schülerinnen und Schüler werden von 22 Lehrkräften unterrichtet. Von den zehn geführten Klassen sind zwei Integrationsklassen. Muttersprachlicher Unterricht wird in Bosnisch/Kroatisch/Serbisch (BKS) angeboten.
Zur schulischen Ausstattung gehören neben den normalen Klassenzimmern ein Informatikraum, je ein Physik- und Chemiesaal, zwei Räume für technisches und textiles Werken, drei Gruppenräume, ein Raum für die Nachmittagsbetreuung, eine Schulbibliothek, ein großer Turnsaal sowie eine Schulküche samt Speisesaal. Im Schuljahr 2019/20 kam es in den Herbstmonaten zu einem erheblichen Wasserschaden, weshalb vier Klassen an eine Außenstelle in der Braunhubergasse 3 ausweichen mussten.[2]
Quellen
- WStLA, Kartographische Sammlung, Pläne der Plan- und Schriftenkammer, P10/2.120422
- Georeferenzierter Kriegsschädenplan von 1946 in Wien Kulturgut
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, A9/1 - Standesausweise: Öffentliche Schulen 1916-1945
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, B4 - Standesausweise 1876-1915
- Verwaltungsbericht der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1907. Bericht des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger. Wien: Gerlach & Wiedling, Buch und Kunstverlag 1909
- Verwaltungsbericht der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1908. Bericht des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger. Wien: Gerlach & Wiedling, Buch und Kunstverlag 1910