Minoritenkloster
48° 12' 32.70" N, 16° 21' 49.87" E zur Karte im Wien Kulturgut
Minoritenkloster (1., südlich und südöstlich der Minoritenkirche (Minoriten- und Ballhausplatz); Friedhof und Garten lagen westlich, nördlich und östlich).
1224 schenkte die Wiener Bürgerfamilie Schüttwürfel ein innen an die neue Stadtmauer grenzendes Grundstück dem 1209 vom heiligen Franz von Assisi gegründeten Bettelorden der „minderen Brüder" (lateinisch fratres minores; Minoriten). Das Areal entsprach einem Gebiet, das von den heutigen Parzellen 1., Schauflergasse 8, Ballhausplatz 2 und 3, Löwelstraße 2-10, Bankgasse 3-9 und einer Achse quer durch die Parzellen Herrengasse 7-13 begrenzt wurde. Zunächst wurde das über das Grundstück fließende Teilstück des Ottakringer Bachs trockengelegt und eingeebnet, der Bach selbst aber in den Wienfluss abgeleitet. Die Kirche entstand vom 13. bis zum 15. Jahrhundert in mehreren Bauphasen (Minoritenkirche).
Die Klostergebäude, nach einem Brand (1318) neu erbaut, erstreckten sich südlich davon. Der (ältere) Kreuzgang stieß unmittelbar an die Südseite der Kirche; an seiner Ostseite befanden sich der Kapitelsaal und die (1278 umgestaltete) Katharinenkapelle; an den südlichen Kreuzgangflügel wurde Anfang des 16. Jahrhunderts ein weiterer, kleinerer Kreuzgang angebaut, an dessen Ostseite ein neues Refektorium (Speisesaal) entstand, über dem ein neues Dormitorium (Schlafsaal) lag. Auf dem Areal des heutigen Bundeskanzleramts standen die Pfisterei (Bäckerei) und das Haus des Provinzials. Nördlich und östlich der Kirche erstreckte sich der Klosterfriedhof. Am westlichen und nördlichen Rand des Klosterareals standen Adelshäuser. Das Kloster war von Rudolf IV. in der Gründungsurkunde der Universität Wien als geistliches Zentrum des geplanten Universitätsviertels vorgesehen.
Nach Abspaltung der strengeren Ordensrichtung der „Observanten" (Franziskaner, Minoriten) im Jahr 1451 (vom Papst vollzogen 1517) blieben die Anhänger der älteren Richtung („Conventualen", in Wien als Minoriten bezeichnet) im Besitz des Klosters, das im 16. Jahrhundert nach Ausbreitung der Lehre Luthers verfiel. 1551 wurde der Osttrakt samt der Katharinenkapelle an das Hofspital (Kaiserspital) abgetreten; im südlichen Kreuzgangflügel war 1558-1623 die Hofbibliothek untergebracht; Teile des Friedhofs wurden zur Erweiterung angrenzender Adelshäuser abgegeben; die große Klosterkirche diente 1559-1620 dem Gottesdienst des evangelischen Adels (in dieser Zeit stand den wenigen Mönchen nur der Ludwigschor zur Verfügung). Erst ab 1621 nahm das Kloster wieder einen Aufschwung.
Da viele Mönche Italiener waren, wurde die Bezeichnung „welsches Kloster" gebräuchlich; erst ab 1634 dominierten deutschsprachige Ordensbrüder. Auf Anordnung Josephs II. vom 21. November 1783 musste der Konvent 1784 in das aufgehobene Trinitarierkloster (8, Alser Straße 17) übersiedeln, wo er noch heute wirkt (Trinitarierkirche). Die einstige Klosterkirche auf dem Minoritenplatz wurde der italienischen Kongregation (Landsmannschaft der in Wien lebenden Italiener) übergeben, die bis dahin die nun demolierte Katharinenkapelle benutzt hatte. Das ehemalige Klostergebäude fiel an den Staat und wurde zur Unterbringung verschiedenen Ämter benützt, darunter das Landesgericht. Zwischen 1892 und 1903 brach man den ganzen Komplex ab. Ein Teil des freigewordenen Areals wurde zur Erweiterung des Ministeriums des Äußeren (Bundeskanzleramt) und für den Neubau des Haus-, Hof- und Staatsarchivs verwendet, der Rest wurde als Platz gestaltet.
Literatur
- Richard Perger / Walther Brauneis: Die mittelalterlichen Kirchen und Klöster Wiens. Wien [u.a.]: Zsolnay 1977 (Wiener Geschichtsbücher, 19/20), S. 133ff.
- Alfred May: Kapitelkapelle und alter Chor des ehemaligen Wiener Minoritenklosters, in: Wiener Schriften. Hg. vom Amt für Kultur, Schulverwaltung der Stadt Wien. Jg. 5. Wien [u.a.]: Jugend & Volk. 1957, S. 13 ff
- Giovanni Salvadori: Die Minoritenkirche und ihre älteste Umgebung. 1894
- Richard Perger: Straßen, Türme und Basteien. Das Straßennetz der Wiener City in seiner Entwicklung und seinen Namen. Wien: Deuticke 1991 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 22), S. 93