Südosttangente (A 23)
Planungen
Als im Jahre 1962 der damalige Wiener Stadtplaner Roland Rainer sein "Planungskonzept Wien" vorlegte, fanden sich darin natürlich auch Überlegungen zur Einbindung Wiens in das regionale und internationale Straßenverkehrsnetz. Unter anderem kritisierte Rainer, dass die von Bundesseite geplante Verlängerung der Außenringautobahn von Siebenhirten nach Schwechat zu weit weg von den städtischen Verkehrszielen liege, um zur Lösung der Wiener Verkehrsprobleme beitragen zu können. In seiner Planung schlug er daher eine weiter in Richtung Stadtzentrum verlaufende Autobahnverbindung vor, die als Vorläufer der heutigen Südosttangente gelten darf. Diese neue Straße sollte einerseits die großen Stadterweiterungsgebiete im Osten und Süden besser miteinander verbinden und andererseits durch die Verlängerung des Landstraßer Gürtels über St. Marx bis zur vierten Donaubrücke den Schlachthof, die Großmärkte und die Simmeringer Industriegebiete besser an den Gürtel anschließen.
Bereits 1964 schien im Bundesstraßengesetz eine Autobahn auf, deren Verlauf sich zumindest in einem Teilbereich mit der heutigen Südosttangente deckte und folgendermaßen festgelegt wurde: St. Marx – Erdberger Mais – Donaubrücke nächst Stadlau – Aspern – Aderklaa. Die Novelle 1968 machte daraus die neue Nordostautobahn und verlängerte sie bis zum Margaretengürtel, während andererseits die Südautobahn ihren Anfangspunkt nicht mehr in Inzersdorf, sondern in St. Marx haben sollte. Mit der Novelle 1971 wurde das hochrangige Straßennetz im Wiener Raum wiederum neu geordnet: im Bereich zwischen den Anschlussstellen Landstraße und Kaisermühlen als Teilstück der geplanten Gürtelautobahn und von der Anschlussstelle Arsenal bis Inzersdorf als neue "A 23 Autobahnverbindung Wien Süd".
Die Bezeichnung "Südosttangente" scheint allerdings erst in der Bundesstraßengesetznovelle 1983 zum ersten Mal auf. Mit diesen gesetzlichen Bestimmungen war der Verlauf der heutigen Südosttangente festgelegt. Die Autobahn sollte eine Schnellverbindung zwischen Süd-, Ost- und ebenfalls neu festgelegter Donauuferautobahn herstellen und damit die Wohngebiete in Floridsdorf und Donaustadt mit den Arbeitsstätten im Süden und Südwesten der Stadt verbinden.
Bau und Verlauf
Im Frühjahr 1967 wurden die Bauarbeiten zwischen dem Knoten Inzersdorf, dem Ausgangs- und Endpunkt der Südautobahn, und der Anschlussstelle Favoriten aufgenommen. Hier wie auch im weiteren Verlauf mussten zahlreiche Schrebergärten der neuen Straße weichen, die damals typische Stadtrandgebiete und Industriebrachen durchschnitt. Etwa Zeitgleich wurde mit dem Bau der Praterbrücke begonnen und später die Hochstraße durch den Prater errichtet. Am 19. Dezember 1970 wurde der erste Abschnitt zwischen dem Knoten Inzersdorf und der Anschlussstelle Wien-Favoriten eröffnet, drei Tage später der Abschnitt zwischen Knoten Kaisermühlen und Knoten Prater.
Der markanteste Abschnitt im südlichen Teilstück ist sicherlich die so genannte "Hanssonkurve", wo die Südosttangente in einer relativ engen Kurve von Ost-West in Nord-Süd-Richtung umschwenkt. Sie hat ihren Namen von der unmittelbar anschließenden Per-Albin-Hansson-Siedlung. Hier sollte auch die nunmehr zurückgestellte A 24 Verbindungsspange Rothneusiedl abzweigen und eine Verbindung zur Wiener Außenring Schnellstraße (S1) herstellen. Am Alten Landgut in Favoriten unterquert die Tangente im Zuge des Laaerbergtunnels den Verteilerkreis Favoriten.
Es folgen der Absbergtunnel und als Kuriosum die gesperrte Ausfahrt Simmering. Hier sollte ursprünglich die A 3 Südost Autobahn in die Tangente einmünden. Die Auf- und Abfahrtsrampen waren bereits fertig gestellt, als die Entscheidung fiel, die A 3 aus Kostengründen sowie wegen anhaltender Proteste von Umweltschützern nicht wie geplant bis ins Stadtgebiet zu führen, sondern schon am Knoten Guntramsdorf in die A 2 Südautobahn einzubinden. Zwischen der gesperrten Ausfahrt Simmering und dem Donaukanal verläuft die Südosttangente auf Stelzen durch zum Teil dicht verbautes Stadtgebiet und weiter zur Praterbrücke. Sie wurde als vierte Wiener Donaubrücke in den Jahren 1967 bis 1970 bereits mit sechs Fahrstreifen errichtet und galt als einer der aufwändigsten Abschnitte. Geradezu paradox mutet es an, dass die mit rund 180.000 Kraftfahrzeugen pro Tag extrem stark befahrene Südosttangente als Hochstraße mitten durch das seit 1929 als Parkschutzgebiet unter Bauverbot stehende Erholungsgebiet des Praters verläuft. Lärm, Schadstoffe und Reifenabrieb beeinträchtigen den Erholungswert im Umfeld der Autobahn erheblich.
Von der Fertigstellung bis heute
Das letzte Teilstück der Südosttangente wurde 1978 fertig gestellt. Seitdem leidet die Straße an ihrem eigenen Erfolg. 1978 ging man noch von maximal 70.000 Kraftfahrzeugen pro Tag aus, die die Straße benutzen würden. Tatsächlich zählte man anfangs lediglich die Hälfte. Doch die Zahl der Fahrzeuge stieg steil an, schon 1983 wurde die Tangente von 77.000 Fahrzeugen frequentiert und Ende der 1980er Jahre erreichte man die magische Zahl von 100.000 Fahrzeugen pro Tag. Diese rasante Steigerung des Verkehrsaufkommens ging mit einer dynamischen Entwicklung des südlichen Wiener Stadtgebietes und darüber hinaus einher und beide Entwicklungen verstärken einander gegenseitig.
Konnte man die Südosttangente anfangs als eine Stadtrandstraße bezeichnen, so wurde sie im Laufe der Jahre vom Wachstum, das sie selbst durch günstigere Erreichbarkeiten auch mitverantwortete, überrollt. Vor allem gewerbliche Betriebe, aber auch Bürogebäude und öffentliche Einrichtungen siedelten sich im Umfeld der Südosttangente an und induzierten dadurch noch mehr Verkehr. Zwischen 1980 und 2000 verdoppelte sich der Verkehr auf der A 23. Sie gilt heute mit knapp 180.000 Fahrzeugen pro Tag als der am stärksten belastete Straßenzug Österreichs und ist täglich im Verkehrsfunk präsent. Wegen der zahlreichen Unfälle und Staus wird sie scherzhaft auch gerne als "der größte Parkplatz Österreichs" bezeichnet.
Literatur
- ASFINAG, Das Autobahnnetz in Österreich. 30 Jahre Asfinag. Wien 2012, S. 105-106