Chirurgie

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Chirurgie. Bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts waren die Chirurgen nicht akademisch gebildet, sondern erhielten eine handwerksmäßige Ausbildung. Durch die 1785 auf Betreiben Josephs II. gegründete medizinisch-chirurgische Josephs-Akademie (Josephinum) sollte der Gegensatz zwischen Medizin und Chirurgie aufgehoben werden. Zu dieser Zeit gab es auch eine chirurgische Klinik an der Universität Wien. Eine zweite solche Klinik wurde erst 1841 gegründet.

Im Zuge der Unterrichtsreform durch Andreas Joseph Stifft wurde 1807 an der Universitätsklinik ein eigenes Operateurinstitut geschaffen, dessen Statuten nach dem Vorbild des Josephinums gestaltet waren. Dieses wurde zur Stammschule der begabtesten österreichischen Chirurgen (neue Statuten 1870). Hochqualifizierte Einzelpersönlichkeiten noch im 18. Jahrhundert waren der Protochirurg und erste Direktor des Josephinums Giovanni Alessandro Brambilla, Simon Zeller von Zellenberg, Franz Xaver Rudtorffer, Johann Nepomuk Humezovsky und einige Militärchirurgen.

An der Universität Wien folgte auf Vinzenz Kern, den ersten Vorstand des Operateurinstituts, der sich vor allem um den Blasensteinschnitt verdient gemacht hatte, Joseph Wattmann. 1810 wurde Johann Nepomuk Rust Primarchirurg am Allgemeinen Krankenhaus (er beantragte bereits im selben Jahr eine Augenklinik!), konnte sich aber nicht durchsetzen.

Mitte der 20er Jahre des 19. Jahrhunderts fand eine große personelle Veränderung statt; die nächstfolgende Führungsschicht bestand aus Michael Hager und Joseph Wattmann, wobei letzterer eigene Wege zu gehen bemüht war (Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Verfahren, Einführung der physikalischen Diagnostik in den 1830er Jahren); er hat der Chirurgie allerdings nicht den Weg zur pathologischen Anatomie gewiesen.

Von der Medizin zur Chirurgie ist Franz Schuh (1804-1865) gekommen: unter ihm wurde die Chirurgie in Österreich zur Wissenschaft. Er brachte Auenbruggers Perkussion an die Klinik (Joseph Skoda sicherte später der physikalische Diagnostik [Perkussion, Auskultation] die allgemeine Anerkennung) und führte erstmals eine Herzbeutelpunktion durch.

Die impulsgebenden Richtungen von Rokitansky und Skoda wurden von einem Kreis von Mitstreitern (darunter Schuh und Hebra) unterstützt. Neben Schuh wirkte an der Klinik erfolgreich Johann Heinrich Freiherr von Dumreicher (1815-1880), der sowohl als Universitätslehrer wie auch als Operateur Bedeutung erlangte (er betrachtete die Hochschule als Ausbildungsstätte von Praktikern, wogegen Theodor Billroth ihre Hauptaufgabe in der Erziehung von Forscherpersönlichkeiten sah); er wirkte in einer Zeit, in der Narkose und Antiseptik sich durchsetzten.

In der Frühzeit Schuhs und Dumreichers wurde die Orthopädie vom Mutterfach Chirurgie gelöst. Nach Dumreichers Tod begann die eigentliche Ära Billroth, der die Universitätschirurgie vertrat, während zur selben Zeit an der militärärztlichen Akademie Franz von Pitha (1810-1875) wirkte. Seit Billroth 1867 nach Wien berufen worden war, entwickelte sich die (II.) Wiener Medizinische Schule zum Großexporteur von Chirurgen und chirurgischen Ideen; mit Billroth ist die Blüte der Wiener Chirurgie im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts verbunden, seine bahnbrechenden Operationstechniken wurden richtungweisend. 1882 eröffnete er das Rudolfinerhaus (die erste Ausbildungsstätte Wiens, der Krankenpflegerinnen aus dem Laienstand zur Verfügung standen) und übergab die Leitung seinem Freund Robert Gersuny (1844-1924), 1893 das Haus des Gesellschaft der Ärzte in der Frankgasse (Ärztehaus).

Impulse gingen von Billroth und seinen Schülern auf die Chirurgie der Schilddrüse (Anton Wölfler, Anton von Eiselsberg), die Urologie (Karl Pawlik, Brenner, Anton Frisch, Moriz Schustler), die Gynäkologie (Czerny, Rudolf Chrobak, Alfons Rosthorn) und die plastische Chirurgie (Robert Gersuny, Alexander Fraenkel, Viktor von Hacker, Anton Eiselsberg, Konrad Büdinger) aus; philanthropisch verband er sich mit Jaromir Mundy, dem Begründer der Wiener Freiwilligen Rettungs-Gesellschaft, Nachfolger Billroths an der II. Chirurgischen Klinik wurde 1894 sein Schüler Karl Gussenbauer (1842-1903); ihm folgte Julius von Hochenegg (1859-1940), der die Tradition der Albert-Schule als Chef der Billroth-Klinik fortsetzte; das geistige Erbe und die Lehrtradition hingegen gingen auf Anton von Eiselsberg (1860-1939) über.

Die I. Chirurgische Klinik übernahm 1881 Eduard Albert (1841-1900), ein Dumreicher-Schüler, als Billroths „Nachbar" eine schwierige Situation, da Billroth gegen seine Ernennung Einwände vorgebracht hatte. Mit seinen Beiträgen zur Extremitätenchirurgie ebnete Albert den Boden für die große Ära der Wiener Orthopädie unter Adolf Lorenz und Hans Spitzy. Aus der Albert-Klinik ging eine weitverzweigte junge Chirurgengeneration hervor, der Carl Meydl (1853-1903), Julius Schnitzler (1896 Chirurgischer Primarius am Kaiser-Franz-Joseph-Spital), Rudolf Frank (1862-1913; 1896 Primarius am Rudolfspital, 1900 am Allgemeinen Krankenhaus) und Friedrich Friedländer (1867-1926; 1902 Primararzt am Wilhelminenspital) angehörte. Zu den Hochenegg-Schülern zählte Hans Finsterer.

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Literatur

  • Erna Lesky: Die Wiener medizinische Schule im 19. Jahrhundert. Wien [u.a.]: Böhlau 1965 (Studien zur Geschichte der Universität Wien, 6), Reg.
  • H. Wyklicky: Das Josephinum. 1985
  • Th. Billroth: Ueber das Lehren und Lernen der medizinischen Wissenschaften ... 1876, S. 175 ff.
  • H. Möller: Personalbibliographie von Professoren und Dozenten der Chirurgie an der

Medizinischen Fakultät der Universität Wien ... 1790-1878. Med. Diss. Erlangen 1972

  • A. M. Zahran: Personalbibliographie von Professoren und Dozenten der I. Chirurgischen Klinik der Universität Wien ... 1939-1969. Med. Diss. Erlangen 1968
  • A. Schweinitz, Personalbibliographie von Professoren und Dozenten der II. Chirurgischen Klinik der Universität Wien ... 1880-1930. Med. Diss. Erlangen 1973