Ballsäle
Ballsäle. Im Mittelalter wurden Tanzveranstaltungen offiziellen Charakters zu Teilen in den Häusern vermögender Bürger abgehalten (Regensburger Hof, Haus des Niklas Teschler und andere). Die Bürger selbst vergnügten sich teils in den Wohnungen, teils in Extrazimmern von Wirtshäusern. Erst langsam nahmen die Veranstaltungen an Größe zu. Bei den Veranstaltungen am Kaiserhof unterscheidet man zwischen dem Ball bei Hof, der lediglich der Hocharistokratie zugänglich war, und dem (weniger elitären) Hofball, zu dem auch nobilitierte Bürgerliche Zutritt hatten (Redoutensäle). Für den Adel und das gehobene Bürgertum stand die Mehlgrube zur Verfügung, deren „Ahnenbälle" Berühmtheit erlangten. Größere Popularität fanden Tanzveranstaltungen erst, als Joseph II. 1786 die Gründung von Tanzschulen gestattete, durch die das Erlernen der Gesellschaftstänze für das Bürgertum erschwinglich wurde, und der sich aus dem Ländler entwickelnde Walzer das bis dahin das Tanzparkett beherrschende Menuett verdrängte. Ab Anfang 19. Jahrhundert, vor allem aber in den Jahrzehnten des Vormärz und der nachfolgenden Gründerzeit entstanden große Etablissements, die ausschließlich dem Tanzvergnügen vorbehalten waren; zwar bildeten die Wochen des Faschings Höhepunkte, aber die Lokalitäten füllten sich auch in den übrigen Zeiten des Jahres. Begünstigt wurden die Neugründungen durch das gleichzeitige Entstehen von Kapellen, die unter der Leitung bekannter und selbst komponierender Kapellmeister standen (im Vormärz unter anderem Johann Strauß (Vater), Josef Lanner, Johann Alois Drahanek und Angehörige der Familie Fahrbach, in der Gründerzeit unter anderem Johann Strauß (Sohn), Josef Strauß und Eduard Strauß und Carl Michael Ziehrer).
Die ältesten großen Ballsäle entstanden (solange es keine preisgünstigeren Beförderungsmöglichkeiten gab) im 1, 2. und 7. Bezirk. Der immer stärker werdende Konkurrenzdruck zwang die Lokalbesitzer nicht nur, beliebte und bekannte Kapellen zu engagieren, sondern die Lokalitäten immer prunkvoller auszustatten und auch durch verschiedene Attraktionen das Publikum anzulocken. Bereits vor dem Wiener Kongress entstanden (wenn man von einigen Vorläufern, wie dem Lichtenbergischen Etablissement auf dem Schottenfeld [1794; „Zum Schaf") absieht in der Leopoldstadt der Sperl (1807), der durch Johann Strauß Vater berühmt wurde, und am Schottenfeld der Apollosaal (1808); beide standen während des Kongresses und lange Zeit danach qualitativ an der Spitze. Einen gewissen Bekanntheitsgrad hatte auch Zur neuen Welt sowie das Etablissement Neuling (1817). In den 1830er Jahren entstanden Daums Elysium (1833-1838), das vom Neuen Elysium (1840-1864) abgelöst wurde, aber (infolge der Verbesserung des Stellwagenverkehrs) auch große Etablissements in den Vororten: 1833 wurde Dommayers Casino (Hietzing), 1834 das Kolosseum (Universum) in der Brigittenau und Ende der 1830er Jahre Schwenders Kolosseum in Fünfhaus (15) eröffnet; alle erfreuten sich starker Frequenz.
Die 1840er Jahre brachten kurz nacheinander die Eröffnung von vier sehr bekannten Lokalen: 1842 des Dianasaals (Dianabad), 1845 des Kettenbrückensaals (im Schoellerhof) und des Odeons, alle in der Leopoldstadt gelegen, sowie 1848 der Sophiensäle (Sophienbad) in der Marxergasse (3). Der Dianasaal und der Sophiensaal brachten einen neuen Tanzsaaltypus: im Winter für Veranstaltungen umfunktionierte gedeckte Schwimmhallen. Der Bekanntheitsgrad vieler Etablissements wurde noch dadurch erhöht, dass die Kapellmeister ihnen eigene Kompositionen widmeten (so Johann Strauß Vater die Sperlpolka und den Sperlwalzer, Johann Strauß Sohn den Kettenbrückenwalzer usw.). Abgesehen von den parallel zu den großen Vergnügungsstätten florierenden Volkssänger- und Praterlokalen, in denen sich besonders das einfache Volk zusammenfand, entstanden Singspielhallen und Casinos, die allerdings beide primär nicht dem Tanzvergnügen dienten (etwa 1860 Elterleins Casino). Anfang der 1860er Jahre wurde als letztes großes Etablissement die Neue Welt in Hietzing eröffnet. Der Bau der Ringstraßenzone schuf die Möglichkeit, in repräsentativen Neubauten Tanzveranstaltungen verschiedener Größenordnung abzuhalten (etwa in den Blumensälen des Gartenbaugebäudes, im Künstlerhaus [das durch seine G'schnasfeste berühmt wurde] oder im Kursalon, später auch in der Hofoper [ Opernball ], im Rathaus [ Ball der Stadt Wien, Concordiaball ], Musikvereinsgebäude und Konzerthaus); die Hofburg sowie Adelspalais öffneten sich erst in der Republik dem Tanzvergnügen und nahmen vorwiegend Nobelbälle auf.