Café Landtmann
48° 12' 41.56" N, 16° 21' 41.68" E zur Karte im Wien Kulturgut
Café Landtmann (1., Universitätsring 4 (1934 bis 2012 Dr.-Karl-Lueger-Ring 4, ursprünglich Franzensring 14), Löwelstraße 22, Oppolzergasse 6).
In dem 1872 von Carl Schumann für die Bauherrenfamilie Lieben-Auspitz errichteten historistischen Wohnhaus[1] mit der Adresse Oppolzergasse 6 (das dort steht, wo sich seinerzeit auf der Bastei das Palais von Fürst Lubomirski mit seiner bemerkenswerten Loggia befunden hatte) eröffnete Franz Landtmann am 1. Oktober 1873 ein Kaffeehaus, das 1881 Wilhelm Kerrl übernahm (Erweiterung des Lokals in Richtung Oppolzergasse).
1919 war ein gewisser Karl Kraus (bloße Namensgleichheit mit dem Herausgeber der „Fackel") Besitzer. Zu den Stammgästen gehörte damals Felix Salten.
Am 13. September 1926 übernahm Konrad Zauner das Café und ließ es 1929 nach Entwürfen Ernst Mellers neu gestalten. Der Ecksalon (mit Gipsfiguren als Wandreliefs) entspricht den Grundsätzen der Wiener Werkstätte (die Holzsäulen im Entree schuf Bildhauer Hans Scheibner).
1927 wurde das Gästebuch („Goldenes Buch") angelegt. Prominente Schauspieler, Sänger und Schriftsteller (Rosette Anday, Raoul Aslan, Ewald Balser, Hedwig Bleibtreu, Ferdinand Bruckner, Franz Theodor Csokor, Nora Gregor, Attila und Paul Hörbiger, Ernst Lothar, Hans Moser, Max Reinhardt, Felix Salten, Oskar Werner, Paula Wessely und so weiter), Künstler (Oskar Kokoschka), aber auch Julius Deutsch und Robert Danneberg sowie österreichische Bundeskanzler (unter ihnen Julius Raab), Wiener Bürgermeister (Karl Seitz) und ausländische Politiker verkehrten hier (beispielsweise Attlee und der Herzog von Windsor). Zu den durchreisenden Gästen zählten Gary Cooper, Marlene Dietrich, Thomas Mann und J. B. Priestley; hier traf Karl Goldmark Gustav Mahler. In den 1930er Jahren arbeitete im Café Landtmann Jura Soyfer.
Während der NS-Zeit spielte der Inhaber Konrad Zauner, der Schätzmeister der Kaffeesiederinnung, bei "Arisierungen" eine unrühmliche Rolle. Er ermittelte den Kaufpreis für Kaffeehäuser, deren jüdische Besitzer de facto enteignet wurden, auf Basis des Jahresumsatzes, wobei er je nach dem Anteil jüdischer Gäste Abschläge zwischen 30 und 50% berechnete. Dadurch kamen "Ariseure", häufig Oberkellner und/oder andere NS-Parteimitglieder ohne entsprechendes Kapital, sehr günstig zu den Kaffeehäusern.
Die Überschuldung vieler Wiener Kaffeehäuser vor 1938 erwies sich bei den Rückstellungsverfahren ab 1945 als nicht unerhebliches Hindernis, da sie bei der Verrechnung von Kaufpreis, getätigten Investitionen und Erträgnissen einen Abzugsposten darstellte, der die Restitution nicht unbedingt als attraktiv erscheinen ließ.[2]
Im Jahr 1949 übernahm Konrad Zauners Sohn Erwin die Leitung des Cafés Landtmann. 1976 ging es in den Besitz der Familie Querfeld über. Das Kaffeehaus wurde mit massivem finanziellen Aufwand in den Jahren 1982 sowie 2001 und 2002 rundum erneuert. 2006/2007 wurde die Terrasse generalsaniert und das Café um den Wintergarten erweitert. Am 1. Oktober 1998, zum 125. Jahrestag, gab es ein großes Fest, zu dem unzählige Prominente aus Politik und Kultur sowie viele Stammgäste kamen, um den Geburtstag des legendären Kaffeehauses zu feiern.
Die Querfeld-Website erinnert an Robert Böck (geb. 1942), im Dienst nur Herr Robert genannt, 28 Jahre als Kellner im Café Landtmann tätig. An seinem letzten Arbeitstag am 23. Dezember 2003 erschien zahlreiche Prominenz zu seinem Abschied. Bürgermeister Michael Häupl servierte Herrn Robert, der ihn so oft bedient hatte, einen „kleinen Braunen“. Dazu überreichte er ihm den „Goldenen Rathausmann“ für den „berühmtesten, diskretesten und zuvorkommendsten Kellner Wiens“.[3]
Am 26. März 2009 eröffnete das Café Landtmann in Tokio einen Betrieb.[4]
Ein Teil des Kaffeehauses dient auch als Bühne. 1936 gründete Hans Schlesinger für seine Frau, die Tänzerin Cilli Wang, das Kabarett Fröhlicher Landtmann, da er sich gegenüber dem Burgtheater besseren Erfolg versprach als im "Lieben Augustin" unter dem Café Prückel. Heute befindet sich im Souterrain des Cafés Landtmann das Theater Die Tribüne.
Videos
- Das Wiener Kaffeehaus (1981), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 493 (Ausschnitt: 00:00)
- Café Wien (1969), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 299 (Ausschnitt: 14.10)
Literatur
- Hans Veigl: Wiener Kaffeehausführer. 1989, S. 62 ff.
- Thomas Martinek: Kaffeehäuser in Wien. 1990, S. 68 ff.
- Bartel F. Sinhuber: Zu Gast im alten Wien. 1989, S. 58 f.
- Berthold Unfried: "Arisierung" und Restitution Wiener Cafés. In: Ulrike Felber [u.a.]: Ökonomie der Arisierung. Teil 2: Wirtschaftssektoren, Branchen, Falldarstellungen. Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich Bd. 10/2. Wien-München: Oldenbourg Verlag 2004, S. 865-889.
- Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. 11 Bände. Wiesbaden: Steiner 1969-1981. Band 4, S. 403
- Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer. Band 3/1: Wien. 1.-12. Bezirk. Salzburg: Residenz-Verlag 1990, S. 77
Weblink
Referenzen
- ↑ Palais Lieben-Auspitz in Wikipedia
- ↑ Berthold Unfried: "Arisierung" und Restitution Wiener Cafés. In: Ulrike Felber [u.a.]: Ökonomie der Arisierung. Teil 2: Wirtschaftssektoren, Branchen, Falldarstellungen. Wien-München: Oldenbourg Verlag 2004, S. 869 f.
- ↑ Aus: Die Kaffeehäuser der Familie Querfeld erzählen ihre Geschichten, Website
- ↑ http://www.landtmann.at/damals-und-heute/historisches-zum-cafe-landtmann/seit-1976familie-querfeld.html