Charlotte Gelb
Charlotte Gelb, * 24. Februar 1913 Wien, † 17. Juni 2006 Wien, Hilfsarbeiterin, Widerstandskämpferin, Hausfrau.
Biografie
Als Charlotte Stieg 1913 geboren, wuchs Charlotte Gelb in Favoriten auf. Ihre Eltern waren Josefine (1887–1943) und der gelernte Kellner Othmar Josef Stieg (1881–1947). Sie hatte zwei Schwestern, Hermine (1909–1942) und Hilde. Während ihr Vater im Ersten Weltkrieg als Soldat kämpfte versorgte die Mutter alleine die Familie. Aufgrund der gesundheitsschädlichen Wohnbedingungen wurde Charlotte Gelb in der Zwischenkriegszeit von der Fürsorge für drei Monate auf Kur in eine Lungenheilanstalt gesendet. Wie ihre Mutter war Gelb religiös. Aus Geldnot trat sie jedoch wegen der Kirchensteuer aus der katholischen Kirche aus.
Charlotte Gelb besuchte die Volks- und Hauptschule und absolvierte anschließend eine kaufmännische Lehre. Sie war engagiertes Mitglied in einem Singverein, der im Volksbildungshaus Stöbergasse probte und auch für andere Freizeitunternehmungen zusammenkam. Nach ihrer Schulbildung arbeitete Charlotte Gelb in der 6., Mollardgasse als Hilfsarbeiterin. Die Fabrik erzeugte Hosenträger und wurde während der NS-Zeit „arisiert“. Nebenbei stellte Gelb Puppen her, womit sie zusätzliches Geld verdiente.
Als ihre ältere Schwester Hermine im Mai 1939 einen Sohn zur Welt brachte, zog Charlotte Gelb zu ihr in die 5., Spengergasse, um sie zu unterstützen. Da der Vater von Peter Otmar Stieg (1939–2012) nach den Nürnberger Rassengesetzen als Jude galt organisierte Hermine Stieg einen anderen Mann, der die Vaterschaft offiziell übernahm. Die sexuelle Gegenleistung, die dieser von Hermine Stieg verlangte, führte zu einer weiteren Schwangerschaft. Die vorgenommene Abtreibung endete für Charlotte Gelbs Schwester tödlich. Daraufhin erhielt Gelb das Sorgerecht für ihren Neffen. Als die Lage für Peters Vater Alexander Gelb (1986–unbekannt) immer gefährlicher wurde, versteckte ihn Charlotte Gelb als sogenanntes U-Boot in der gemeinsamen Wohnung. Die Denunziation der Hausmeisterin führte jedoch zur Verhaftung von Alexander Gelb durch die Gestapo und dessen Deportation. Auch Charlotte Gelb wurde nach mehreren Verhören zunächst in der Roßauer Lände, danach in Gefängnissen in Brünn und Mährisch-Ostrau inhaftiert. 1943 erfolgt ihre Deportation in das Konzentrationslager Ravensbrück. Dort musste Charlotte Gelb zunächst Zwangsarbeit in der Schreibstube und dann in der Produktion von Siemens & Halske leisten. Am 28. November 1943 wurde sie nach rund 6 Monaten KZ-Haft überraschend freigelassen und konnte nach Wien zurückkehren.
In Wien angekommen erhielt Charlotte Gelb erneut das Sorgerecht für ihren Neffen Peter, der während ihrer Abwesenheit zum Teil von ihrer jüngeren Schwester Hilde und zum Teil in der Hermann-Stiftung betreut worden war. Im Mai 1945 kehrte Alexander Gelb aus dem Konzentrationslager zurück und wohnte erneut bei Charlotte und Peter. Um ihrem Neffen weitere Benachteiligungen zu ersparen ging sie schließlich eine Vernunftehe mit Alexander Gelb ein. In der Nachkriegszeit war Charlotte Gelb Hausfrau und verdiente weiterhin mit der Herstellung von Puppen Geld.
Charlotte Gelb war aktives Mitglied der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen. Im März 2001 wurde ihr gemeinsam mit anderen KZ-Überlebenden – darunter etwa Lotte Brainin, Antonia Bruha, Regine Chum und Irma Trksak – das Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien verliehen.
Charlotte Gelb verstarb 2006 mit 93 Jahren in Wien und wurde am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.
Quellen
- ANNO: Stadt Wien ehrt die Ravensbrückerinnen. In: Der Neue Mahnruf, März 2001
- Wienbibliothek Digital: Chronik der Stadt Wien 2001 – Auszeichnungen, 8. März. In: Handbuch der Stadt Wien. Wien: Verlag für Jugend und Volk 2002
Literatur
- Charlotte Gelb. In: Mitteilungsblatt der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück, Jänner 2007, S. 25 f.
- Charlotte Gelb: "Andere haben es noch schwerer gehabt" In: Helga Amesberger / Brigitte Halbmayr [Hg.]: Vom Leben und Überleben – Wege nach Ravensbrück. Das Frauenkonzentrationslager in der Erinnerung. Band 2 – Lebensgeschichten. Wien: Promedia 2001, S. 58–62