Deutschnationale Bewegung

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Deutschnationale Kundgebung vor der Karlskirche (1926)
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BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Deutschnationale Kundgebung vor der Karlskirche (1926)

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Deutschnationale Bewegung.

Der Ende des 18. Jahrhundert bei verschiedenen europäischen Völkern erwachende Nationalismus fand in den deutschsprachigen habsburgischen Territorien, die bis 1806 zum Heiligen Römischen Reich und ab 1804 zum Kaisertum Österreich gehörten, erstmals während der Napoleonischen Kriege Auftrieb. Der 1815 geschaffene Deutsche Bund, eine Liga souveräner Staaten, in welcher Österreich die wichtigste Rolle zukam, hielt die Erinnerung an das 1806 erloschene Reich wach. Für seine Wiederherstellung auf konstitutioneller Basis bildete im Revolutionsjahr 1848 die Deutsche Nationalversammlung in Frankfurt, die Erzherzog Johann von Österreich zum Reichsverweser wählte, eine Vorstufe, doch scheiterte das Projekt nicht zuletzt deshalb, weil dem geplanten Deutschen Reich nur deutschsprachige Territorien angehören sollten und dies zum Zerfall des habsburgischen Vielvölkerstaats geführt hätte. Nach der Niederlage gegen Preußen in der Schlacht bei Königgrätz (1866) musste Österreich aus dem Deutschen Bund ausscheiden; der deutsche Nationalstaat wurde 1871 unter Preußens Führung mit Ausschluss Österreichs verwirklicht und bildete fortan für jene deutschsprachigen Bewohner der Habsburgermonarchie, die dem alten Reichsgedanken anhingen und sich von den nichtdeutschen (vor allem slawischen) Völkern der Monarchie majorisiert fühlten, einen Anziehungspunkt. So entstand in Österreich (und Wien) das "deutschnationale Lager" mit unterschiedlichen politischen Zielsetzungen und einer Organisation in verschiedenen Gruppen und Parteien (unter anderem Verfassungspartei, Unabhängige, Landbund, Vereinigte Linke); Kornblume, Eichenlaub und die Farben Schwarz-Rot-Gold dienten als Abzeichen.

Die Revolution 1848 verstärkte die bereits im Vormärz erkennbaren Ziele. Die Studenten- und die Turnerschaft entwickelten sich zu Keimzellen der Bewegung; die politische Wirksamkeit begann mit der Wahl Georg Schönerers ins Abgeordnetenhaus und seinem radikalen Kampf gegen den übernationalen Österreichischen Staat (1882 Gründung des Deutschnationalen Vereins, Linzer Programm); die Einführung des Arierparagraphen (1885) zwang die jüdischen Mitglieder zum Austritt (Adler, Friedjung, Herzl, Mahler). Zentren der radikalisierten deutschnationalen Bewegung wurden der Deutsche Leseverein in Wien und der Deutsche Schulverein. Eine gemäßigte Gruppe, welche die Monarchie und die Eigenstaatlichkeit anerkannte, bildete 1885 im Abgeordnetenhaus den "Deutschen Klub"; als sich 1887 die Deutschnationale Vereinigung abspaltete, vereinigten sich die restlichen Mitglieder 1888 mit dem Deutsch-österreichischen Klub zur Vereinigten Deutschen Linken. 1891 entstand die Deutsche Nationalpartei, aus der 1896 die Deutsche Volkspartei hervorging, wogegen sich die Anhänger Schönerers nach der Wahl von 1901 zur Alldeutschen Vereinigung (Alldeutsche) zusammenschlossen, bis sich schließlich 1910 der Deutsche Nationalverband bildete. Am 11. Dezember 1897 fand in Wien der "Deutsche Volkstag" statt. Der Deutsche Nationalverband zog 1911 mit 104 Abgeordneten in den Reichsrat ein, zerfiel jedoch 1917/1918 in 17 Splitterparteien, aus denen sich am 7./8. August 1920 die Großdeutsche Volkspartei bildete, die den "Anschluss" an Deutschland propagierte.

Beim Zerfall der Monarchie konstituierte sich am 12. November 1918 aus den deutschsprachigen Kronländern die "Republik Deutsch-Österreich"; der proklamierte Anschluss an das (noch demokratische) Deutsche Reich sowie die Führung der Bezeichnung "Deutsch-" wurden jedoch 1919 von den Siegermächten untersagt. In der "Republik Österreich" (dem "Staat, den keiner wollte" [Hellmut Andics]) geriet das deutschnationale Lager (getragen von der 1919 gebildeten Großdeutschen Volkspartei) ab 1932 endgültig in das Fahrwasser des Nationalsozialismus, wogegen andere Parteien sich nun zur Unabhängigkeit Österreichs von Deutschland bekannten (die Sozialdemokraten strichen auf ihrem letzten Parteitag 1933 den "Anschlussartikel" aus ihrem Programm (Anschlussbewegung), ebenso waren die Kommunisten gegen jede Annäherung). Bei der Gemeinderatswahl 1919 errangen die Deutschnationalen drei von 165 Mandaten, 1923 unter der Bezeichnung Großdeutsche Partei kein Mandat, 1927 auf dem Umweg über eine Einheitsliste (mit der Christlichsozialen Partei, einer mittelständischen Volkspartei und einer nationalsozialistischen Fraktion) zwei von 120 Mandaten. 1932 erhielten sie kein Mandat; der Großteil der Wähler dürfte bereits in das Lager der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei abgewandert sein, die 1932 erstmals in Wien kandidierte und 15 von 100 Mandaten errang. Durch das Auseinanderbrechen der Regierungskoalition mit den Christlichsozialen (1922-1932) und den Abschluss der großdeutschen-nationalsozialistischen Kampfgemeinschaft 1933 endete die selbständige Politik der Großdeutschen Partei.

Nach dem durch Adolf Hitler im März 1938 mit militärischen Machtmitteln vollzogenen "Anschluss" Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland führten die Maßnahmen der neuen Machthaber (Ersatz des Namens Österreich durch "Ostmark", später durch "Donau- und Alpenreichsgaue", Besetzung leitender Funktionen, selbst des Gauleiters, mit "Reichsdeutschen", Abwertung der österreichischen Tradition zugunsten der preußischen) bei vielen Angehörigen des einstigen "nationalen Lagers" zu Enttäuschung, trugen zur Ausprägung eines österreichischen Nationalbewusstseins auf breiter Basis bei und förderten den Widerstand. In der 1945 wiedererstandenen Republik erstarkte der Wille zur Selbständigkeit Österreichs; derzeit wird (soweit es sich um die Parteiprogramme handelt) die Unabhängigkeit von Deutschland von keiner im Nationalrat vertretenen politischen Partei in Frage gestellt.

Literatur

  • Adam Wandruszka: Das "nationale Lager". In: Heinrich Benedikt [Hg.]: Geschichte der Republik Österreich. Wien: Verlag für Geschichte und Politik 1954, S. 369 ff., 620 (Literatur)
  • Walter Goldinger: Geschichte der Republik Österreich. Wien: Verlag für Geschichte und Politik 1962, S. 202 ff., 225 ff., 251 ff.
  • Charles A. Gulick: Österreich von Habsburg zu Hitler. Wien: Forum 1976, S. 294 ff., 444 ff., 641 ff.
  • Paul Molisch: Geschichte der deutschnationalen Bewegung in Oesterreich von ihren Anfängen bis zum Zerfall der Monarchie. Jena: Fischer 1926
  • Karl Jung: 10 Jahre nationale Politik in Österreich. Wien: Verlag der Großdeutschen Volkspartei 1928
  • Karl Jung: Geschichte der Großdeutschen Volkspartei 1920-1934. Wien 1937
  • Günther Berka: 100 Jahre deutsche Burschenschaft in Österreich. 1859 - 1959. Die geistige Leistung ihrer bedeutenden Männer. Graz: Aula-Verlag 1959