Donauregulierung 1870-1876
Anlass dafür, der Donau ab 1870 zwischen Nußdorf und Albern ein in sehr flacher Kurve verlaufendes neues Bett mit einem begleitenden Überschwemmungsgebiet zu graben („Donaudurchstich“, Strom-Kilometer 1935-1919, Gesamtbreite ca. 759 Meter), waren die Aufsplitterung in zahlreiche Donauarme nordöstlich der Stadt und die immer wiederkehrenden Überschwemmungen, die weite Teile der den Donaukanal und die Donau säumenden Vorstädte und Ortsgemeinden in Mitleidenschaft zogen. Hinzu kamen wirtschaftliche Motive (Bau eines Donauhafens und Gewinnung von Bauarealen). Regulierungsversuche am Hauptstrom waren keineswegs neu, doch wurde im 19. Jahrhundert erstmals eine systematische Regulierung im großen Maßstab erwogen.
Vorgeschichte
1830, im Jahr einer katastrophalen Donauüberschwemmung (durch die neben Vorstädten und Gemeinden auch Teile des Marchfelds überflutet wurden), schlug der aus Udine berufene Oberingeneur Hermengild Francesconi die einheitliche Regulierung der Donau auf der Strecke bis Pressburg vor. Auch die zeitweise problematischen Fahrwasserverhältnisse in der Donau und der zunehmende Tiefgang der immer größer konstruierten Dampfschiffe (das erste verkehrte im Jahr 1830) heizten um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Regulierungsdiskussion an. Die katastrophalen Hochwässer 1849 und 1850 nahm der damalige Handelsminister Karl Ludwig Freiherr von Bruck zum Anlass, eine Kommission für die Donauregulierung einzusetzen. Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder sprach sich für ein Projekt aus, das – ähnlich wie schon jenes von Josef Schemerl Ritter von Leytenbach aus dem Jahr 1810 – eine Vereinigung aller Donauarme mit Ausnahme des Donaukanals und einen Durchstich vorsah. Die anderen Mitglieder, darunter der in der gesamten Monarchie für Wasser- und Straßenbau Verantwortliche, Florian Ritter von Pasetti, wollten hingegen nur den damaligen Hauptstrom regulieren und das Kaiserwasser in einen Hafen umwandeln. Es kam jedoch zu keinem Beschluss, da Minister Bruck vorzeitig zurückgetreten war. Und so setzte Pasetti zwischen 1850 und 1866 die Regulierung der Wiener Donau in seinem Sinne fort.
Die Donau war Mitte des 19. Jahrhunderts keineswegs mehr ein natürlicher, unregulierter Fluss. Im Jahr 1849 waren bereits 40 % der Ufer am Hauptstrom befestigt und bis 1869/70 wurden fast alle restlichen Uferabschnitte stabilisiert. Es gab allerdings aufgrund der großen Breite des Flussbetts noch einige Schotterbänke und Inseln, wie zum Beispiel den Gänsehaufen bei der Schiffsanlegestelle in Kaisermühlen. Im Kaiserwasser waren hingegen nur einige kürzere Uferabschnitte befestigt. Als 1862 ein neuerliches Eisstau-Hochwasser die tiefer gelegenen Vorstädte überflutete, war man darauf wasserbaulich denkbar schlecht vorbereitet. Wenn auch einzelne Dämme neu gebaut worden waren, so dienten die meisten Regulierungswerke primär der Schifffahrt. Als Konsequenz wurde 1864 eine weitere Donau-Regulierungs-Kommission eingesetzt, die erst 1867 ihre Arbeit wirklich aufnehmen konnte.
Allein schon die Zusammensetzung der großen Kommission lässt das Konfliktpotenzial erahnen. Neben Vertretern der öffentlichen Verwaltung waren unter anderem auch Interessenvertreter der niederösterreichischen Handelskammer, der DDSG und der Bahngesellschaften involviert. Weil Ritter von Pasetti an seinem alten Projekt, dem Ausbau des bestehenden Hauptstroms, festhielt, die Mehrheit der Kommission jedoch für ein Näherrücken des Stroms an die Stadt mithilfe eines Durchstichs votierte, wurden noch vier ausländische Experten hinzugezogen. Da sich zwei für und zwei gegen den Durchstich aussprachen, führte auch dies nicht zur erhofften Entscheidung. Bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1867 setzte sich Pasetti weiterhin für die von ihm bereits 1850 präferierte Regulierungsvariante ein, die mehr Rücksicht auf bereits bestehende Wasserbauten nahm. Da bis dahin bereits immense finanzielle Mittel in die Stabilisierung des damaligen Donaubetts geflossen waren, erscheint Pasettis Widerstand gegen eine neue, mittels Durchstichen begradigte Regulierungstrasse nachvollziehbar. Tatsächlich wurden mit der Regulierung viele dieser Wasserbauten überflüssig oder mussten sogar aufwändig entfernt werden.
Nachdem Pasetti 1867 pensioniert worden war, wurden die Gutachten der ausländischen Experten von einem eigenen Gremium, dem auch der spätere Bauleiter Gustav Ritter von Wex angehörte, neuerlich geprüft. Daraus ging schließlich die letztlich umgesetzte Durchstichvariante als Sieger hervor – nicht nur aus wasserbaulicher Sicht, sondern auch deshalb, weil die damit realisierbare lange stadtseitige Schifffahrtslände (Handelskai) auch den Interessen des Handels und der Transportwirtschaft entgegenkam. Dass es bei dem Großprojekt nicht nur um Hochwasserschutz, sondern um eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes und die Erschließung ausgedehnter Stadterweiterungsflächen ging machte die Kommission deutlich. Es galt ihr, die „Donau bei Wien durch Schaffung grosser Landungs-, Lade- und Magazinsplätze für den allgemeinen Verkehr dienstbar (…) und zum Hauptumschlagsorte des Donaugebietes zu machen (…) und durch Gewinnung ausgedehnter, vor Ueberfluthung gesicherter Gründe am künftigen rechten Donau-Ufer die naturgemässe Ausbreitung der Bevölkerung und die Anlegung eines Industriebezirks am künftigen Hauptstrome zu ermöglichen.“[1]
Vom Gemeinderat war die große Donauregulierung schon 1866 grundsätzlich beschlossen worden. In der Schwimmschulallee wurden zwei Administrationsgebäude errichtet, in denen zwölf Ingenieure Planungsarbeit leisteten. Im administrativen Bereich setzte sich für die Donauregulierung vor allem Bürgermeister Cajetan Felder, auf dem wissenschaftlichen Sektor unter anderem der Geologe Eduard Suess ein, wogegen Bürgermeister Dr. Andreas Zelinka in der Vorplanung der 1860er Jahre eher eine zurückhaltende Position eingenommen hatte.
Umsetzung
Die 1868 beschlossene Trasse für den neuen Hauptarm der Donau musste sich an drei vorgegebenen Fixpunkten orientieren: an einem Felsvorsprung bei Nußdorf, am mittlerweile errichteten Pfeiler der Stadlauer Ostbahnbrücke und am Lobauer Leitwerk, dessen Bau zwischen 1848 und 1865 über eine Million Gulden gekostet hatte. Gegen Ende des Jahres 1869 wurde die französische Firma „Castor, Couvreux et Hersent“, die bis dahin beim Bau des Suezkanal beschäftigt gewesen war, mit der Umsetzung des Projekts beauftragt. Am 14. Mai 1870 erfolgte durch Kaiser Franz Joseph I. der erste Spatenstich am Ende der Schwimmschulallee. Zwischen 1870 und 1875 wurden für die damalige Zeit kaum vorstellbare Materialmengen bewegt, um die beiden geplanten Durchstiche mit 6.640 m und 2.550 m Länge auszuheben und parallel dazu ein 475 m breites Inundationsgebiet zur Verbesserung des Hochwasserabflusses zu schaffen. Dafür mussten 16,4 Mio. m³ Bodenmaterial abgetragen werden, welches großteils zur Aufschüttung der Stadterweiterungsgebiete in der Brigittenau und in der Leopoldstadt verwendet wurde. Erstmals wurden dazu in Österreich dampfbetriebene Maschinen und Transportmittel im großen Maßstab eingesetzt, etwa große Schaufelmaschinen („Excavateure“ aus Paris und „Draques“ vom Suezkanal). Der Aushub wurde auf 200 Cabs und 1.200 „Lowries“ (Kippwagen auf Schienen) verladen und auf der Großbaustelle umverteilt. Während der untere Durchstich am Weidenhaufen bei der Freudenau hergestellt wurde, indem zuerst eine 114 bis 170 m breite Künette ausgehoben wurde, in die man die Donau einleitete und auf diese Weise das restliche projektierte Flussbett ausschürfen ließ, wurde der obere, stadtnahe Durchstich zur Gänze ausgebaggert. Darin spiegelt sich der Wandel von traditionellen Bauweisen der präfossilen Ära, in der man die Kräfte der Natur zu nutzen wissen musste, zum neuen Industriezeitalter wider. Ohne den Einsatz fossiler Energieträger hätte man das Projekt in dieser Form nicht innerhalb von wenigen Jahren bewerkstelligen können.
Beim Aushub des neuen Flussbetts nahe Nußdorf erlebten die Regulierer eine böse Überraschung: Die Sohle war übersät mit Resten unzähliger Wasserbauten vergangener Jahrhunderte. Jahrelang versuchte man mit Dampfbaggern, diese Einbauten aus der Sohle zu entfernen. Die damaligen Bagger waren aber zu schwach, um alles auszuräumen. Insgesamt wurden rund 163.000 m³ alte Bauwerke entfernt. Dazu kamen Tausende Holzpiloten aus verschiedenen Jahrhunderten und 18.400 Laufmeter an diversen Holzschwellen. Erst nach erfolgreicher Beseitigung dieser historischen Altlasten konnte der Durchstich fertiggestellt werden. Neben der Schaffung des neuen Donaubetts wurden noch zahlreiche andere Baumaßnahmen gesetzt, beispielsweise die Errichtung von beiderseitigen Hochwasserschutzdämmen, die Austiefung und weitere Regulierung des Donaukanals oder der Bau von drei Eisenbahn- und zwei Straßenbrücken.
Am 15. April 1875, eineinhalb Monate vor der offiziellen Eröffnung, wurde der neue Donau-Durchstich unter der Leitung des Geologen Eduard Suess geflutet, indem der „Roller“, der Damm zwischen altem und neuem Flussbett, geöffnet wurde. So einfach, wie man es sich zuvor vorgestellt hatte, nahm die Donau ihr neues Bett jedoch nicht an. Suess erinnerte sich 40 Jahre später: „Sobald die Frühjahrshochwässer vorübergegangen waren, wurde der Abschluß des alten Stromes begonnen. (…) Je mehr der Strom eingeengt wurde, um so mächtiger wehrte er die Einbauten ab. Oft gelang es ihm sie zu zerstören. Die schweren, versenkten Steinschiffe schob er mit kaum glaublicher Kraft beiseite oder in ausgekolkte Höhlungen des Bettes. Endlich versuchte man die riesigen, mit Felsstücken beschwerten und mit Draht gebundenen Faschinen durch steilgestellte Eisenbahnschienen gleichsam festzunageln.“[2] Am 30. Mai 1875 fand die feierliche Eröffnung des Schiffsverkehrs im neuen Donaubett statt; die Festgäste fuhren im Beisein des Kaisers an Bord der „Ariadne" von der Kronprinz-Rudolf-Brücke nach Nußdorf. Die Kosten der Donauregulierung beliefen sich auf rund 25 Millionen Gulden, von denen je ein Drittel die Stadt Wien, das Land Niederösterreich und der Staat bezahlten.
Als das alte Flussbett – die heutige Alte Donau – endlich abgedämmt war, fiel es trocken und riesige Kiesflächen kamen zum Vorschein. Später wurde die Sohle der Alten Donau ausgeschürft, um bessere Bademöglichkeiten zu schaffen. Durch die Donauregulierung wurde nicht nur neues Bauland, wie z.B. im Bereich des zugeschütteten Kaiserwassers, geschaffen, es wurden auch bestehende, tief liegende Siedlungsgebiete entlang des Donaukanals aufgewertet. Durch die Regulierungsmaßnahmen war eine Absenkung des Grundwasserspiegels um rund 1,3 m zu erwarten. Damit wurde die Bebauung der Flächen entlang des Donaukanals bis zum Erdberger Mais wesentlich billiger, weil weniger Terrain aufgeschüttet werden musste.
Auch wenn der Durchstich bereits eröffnet war, so war das Regulierungsprojekt Ende des Jahres 1875 noch keineswegs vollendet. Den Ausschreibungsunterlagen für die Bauarbeiten zufolge waren die Wasserbauer abschnittsweise ein bis zwei Jahre in Verzug. Flussab der Stadlauer Ostbahnbrücke waren bis dahin nur die notwendigsten Arbeiten erledigt, sodass zumindest der Schiffsverkehr auf der Donau nicht beeinträchtigt wurde. Aber auch oberhalb der Stadlauer Brücke fehlten noch Ufersicherungen. Die Arbeiten am linksufrige Inundationsdamm waren ebenfalls nicht abgeschlossen. Von der Ausmündung der Alten Donau bis weit flussab der Stadlauer Brücke wurde der Damm auf einer Länge von rund 3 km erst 1876 fertiggestellt. Eine weitere rund 240 m lange Lücke im Damm befand sich ungefähr auf Höhe des heutigen Donaukraftwerks Freudenau. Im Bereich des unteren Donaudurchstichs (Weidenhaufen-Durchstich) mussten Anfang 1876 zudem umfangreiche Nacharbeiten zur Entfernung ungeplanter Ablagerungen (vermutlich Ausschwemmung aus dem oberen Durchstich) durchgeführt werden. Nach 1876 wurden die Baumaßnahmen ausgehend vom Wiener Abschnitt flussauf- und flussabwärts vorangetrieben, wozu für die niederösterreichische Donau im Jahr 1882 ein neues Bauprogramm gestartet wurde, das bis 1898 dauern sollte. Dabei kam der Verlängerung des linksufrigen Wiener Inundationsdammes flussaufwärts (neuer Hubertusdamm) und flussabwärts (Marchfeldschutzdamm) besondere Bedeutung zu. Letzterer erreichte um 1890 Orth an der Donau, 1898 Stopfenreuth und wurde schließlich 1904 bei der Mündung der March fertiggestellt. 1899 wurde ein weiteres Bauprogramm für den Zeitraum bis 1912 genehmigt, das die Mittelwasserregulierung und den Hochwasserschutz an der niederösterreichischen Donau zum Abschluss bringen sollte.
Angesichts der hier beschriebenen, oft nicht antizipierten Bauzustände kann das Projekt der Wiener Donauregulierung keinesfalls im Jahr 1875 als abgeschlossen betrachtet werden, da auch 1876 noch umfangreiche und wesentliche Arbeiten vorgenommen werden mussten. 6 Mio. Gulden Extrakosten mussten von den drei beteiligten Körperschaften aufgebracht werden, die ursprünglich beschlossene Errichtung des Winterhafens in der Freudenau zwischen Hauptarm und Donaukanal wurde aufgeschoben. Die Analyse der direkt mit dem Regulierungsprojekt in Zusammenhang stehenden Wasserbauten zeigt, dass sich die Nacharbeiten in Wien sogar noch bis 1881 hinzogen und sich teils mit Reparaturarbeiten nach Hochwässern überlagerten.[3] Seitens der Donau-Regulierungs-Kommission wurde das gesamte Bauprogramm zwischen Kahlenbergerdorf und Fischamend offiziell erst im Jahr 1884 als vollständig abgeschlossen betrachtet.
Folgen
Durch die zwischen 1870 und 1876 erfolgte große Donauregulierung fand die dynamische Entwicklung der Wiener Donau mit wiederkehrenden Erosions-und Ablagerungsprozessen ein abruptes Ende. Über Jahrtausende hinweg war die Ausformung großer Flussbögen, gefolgt von einer natürlichen „Begradigung“ des Laufs, wenn der Bogen zu weitläufig geworden war, eine der Wiener Donau-Flusslandschaft innewohnende Determinante. Diese zwischen 100 und 130 Jahre andauernden „Pulsschläge“ der Donau beschränkten oder begünstigten bestimmte menschliche Nutzungsmöglichkeiten der Donaulandschaft. Spätestens nachdem der Marchfeldschutzdamm bei Wien vollendet war, traten die Donau-Auen in eine völlig neuartige Phase ein. Ab nun dominierten Verlandungsprozesse die Augewässer, neue Gewässer und Pionierstandorte konnten nicht mehr entstehen. Nur die einstigen Augewässer im Inundationsgebiet waren noch direkt dem Hochwasser ausgesetzt, wie zum Beispiel das aus dem sogenannten „Rollerwasser“ hervorgegangene Zinkerbachl beim oberen Ende der Alten Donau. Während die meisten Augewässer bis zur Regulierung permanent oder zumindest zeitweise mit dem Hauptstrom verbunden und durchströmt waren, war dies nach 1875 nicht mehr der Fall. Damit kam auch der für das Auen-Ökosystem wichtige Austausch von Wasser, Nährstoffen und Organismen zum Erliegen. Zudem wurde auch die Wanderung einiger Donaufischarten zu ihren Habitaten im Augebiet unterbunden.
Die Hoffnung war groß, dass die Stadt Wien nach Abschluss der Regulierung für immer vor Hochwässern geschützt sei. Die erste Bewährungsprobe kam allerdings schneller als erwartet. Im Februar 1876 war die gesamte Donau von Tulln bis flussab von Budapest auf einer Länge von 380 km mit Eis „ausgeschoben“ und „verschoppt“. Der Eisstoß war durchaus mit jenem von 1830 vergleichbar. Unterhalb der Stadlauer Brücke, wo die Donau noch nicht reguliert worden war, staute sich das Eis und wurde durch den noch nicht geschlossenen Inundationsdamm in die untere Alte Donau hineingeschoben. Der erst im selben Winter fertiggestellte Abschlussdamm bei der oberen Abzweigung der Alten Donau hielt dem Druck im neuen Flussbett nicht mehr stand und das aufgestaute Wasser floss durch das alte Strombett ab. Zudem wurden 33 Schiffe der Regulierungsfirma „Castor, Couvreux et Hersent“ aus dem Altarm im Bereich des späteren Hafens Freudenau in die Donau hinausgetrieben, wo sie nach dem Hochwasser beschädigt nahe Fischamend auf einer Wiese liegen blieben. Gegner des Projekts nahmen dies zum Anlass für neuerliche heftige Kritik. Um für den nächsten Eisstoß besser gerüstet zu sein, trieben die verantwortlichen Ingenieure die Arbeiten im Jahr 1876 energisch voran. Beim Abgang des Eisstoßes 1880/81 drangen jedoch so große Eismassen in den Freudenauer Altarm ein, dass abermals an die 30 Schiffe beschädigt oder zur Gänze zerquetscht wurden.
Es sollte noch bis zum Jahr 1884 dauern, das gesamte Bauprogramm der Wiener Donauregulierung zwischen Kuchelau und Fischamend fertigzustellen. Die Donauregulierung bewirkte, dass die tiefgelegenen Stadtteile von der Bedrohung durch die Donau weitgehend befreit wurden und viele Sandbänke, aber auch ehemalige Augebiete als Baugründe nutzbar gemacht werden konnten (z.B. die Stuwerau oder die sogeannten Donauregulierungsgründe in der Brigittenau und Kaisermühlen). Eine Erhaltung von Augebieten im Sinn eines Naturschutzes kam nicht zum Tragen, jedoch wurde die Alte Donau, das durch die Donauregulierung vom Hauptstrom getrennte ehemalige Hauptbett des Stroms, sukzessive zu einem wichtigen Erholungsgebiet (Gänsehäufel und andere Bäder, Ansiedlung von Rudervereinen etc.).
Trotz Sanierung und nachträglicher Verstärkung der Inundationsdämme nährten die großen Hochwässer von 1897 und 1899 die Sorge, dass der Wiener Hochwasserschutz doch nicht ausreichen würde. Als Glücksfall erwies sich, dass bereits zwischen 1894 und 1898 im Donaukanal bei Nußdorf ein stabiles Sperrwerk bestehend aus Wehr und Kammerschleuse eingebaut worden war. Zur Verbesserung des mangelhaften Hochwasserschutzes legte die Donau-Regulierungs-Kommission 1912 ein Projekt vor, das die Tieferlegung des Inundationsgebiets und eine zusätzliche Erhöhung der Dämme beiderseits der Donau vorsah. Durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs kam diese „Regulierung der Regulierung“ nicht mehr zur Ausführung. Im Zuge des Baus der Reichsbrücke wurde eine Erhöhung und Verstärkung der Hochwasserschutzdämme für Wien und Niederösterreich in Angriff genommen, die 1935 abgeschlossen werden konnte.
Nach dem Hochwasser 1954 intensivierten sich abermals die Diskussionen um einen systematisch verbesserten Hochwasserschutz für Wien. 1969 wurde schließlich die „Zweite Donauregulierung“ beschlossen: diese Umfasste ein im Überschwemmungsgebiet zu schaffendens Entlastungsgerinne und den Bau einer künstlichen Donauinsel. Das Projekt wurde am 1. März 1972 in Angriff genommen (Abschluss der Baggerarbeiten am 13. Oktober 1987, Teilfreigaben der Donauinsel für Erholungszwecke seit 1981).
Siehe auch
Videos
Quelle
Literatur
- Bericht und Anträge des von der Commission für die Donauregulirung bei Wien ernannten Comités. Vorgetragen in der Plenarversammlung am 27. Juli 1868 und von derselben einstimmig angenommen. Wien: Hof- und Staatsdruckerei 1868
- Sándor Békési: Zwischen Hochwasserschutz und Stadtpolitik: Zur Entstehung des Donau-Durchstichs bei Wien. In: Máté Tamáska / Csaba Szabó (Hg.): Donau-Stadt-Landschaften: Budapest–Wien. Danube-City-Landscapes: Budapest–Vienna. HistoricalGeography 3, Berlin: LIT 2016, S. 229–244
- Beschreibung der Arbeiten der Donau-Regulierung bei Wien. Hg. aus Anlaß der ... Eröffnung der Schiffahrt im neuen Strombette am 30. Mai 1875 von der Donau-Regulirungs-Commission in Wien. Wien: Hof- und Staatsdruck 1875
- Donau-Regulirungs-Commission: Regulierung der Donau bei Wien in der Strecke vom Roller bis unterhalb der Stadelauer Eisenbahnbrücke. 1. Allgemeine Bestimmungen 2. Baubeschreibung. 3. Vorausmaße. Wien 1869
- Donau-Regulirungs-Commission: Bericht der Donau-Regulirungs-Commission in Wien über ihre Tätigkeit vom Zeitpunkte ihrer Constituierung (17. März 1869) bis zum Schlusse des Jahres 1869. Wien 1870
- Donau-Regulirungs-Commission: Regulirung der Donau bei Wien in der Strecke vom linken Ufer des jetzigen Donaulaufes am Steinspornhaufen, Todtengrund und Weidenhaufen unterhalb der Stadlauer Eisenbahnbrücke bis Albern. Wien 1871
- Donau-Regulirungs-Commission: Beschreibung der Arbeiten der Donau-Regulirung bei Wien. Herausgegeben aus Anlass der feierlichen Eröffnung der Schiffahrt im neuen Strombette am 30. Mai 1875. Wien 1875
- Donau-Regulirungs-Commission: Regulirung der Donau bei Wien. Wien 1876
- Donau-Regulirungs-Commission: Berichte der Donau-Regulierungs-Kommission in Wien über die Vollendung der Donau-Regulierung bei Wien von Nußdorf bis Fischamend. Wien 1885
- Donau-Regulirungs-Commission: Special-Katalog der Ausstellung der Donau-Regulirungs-Commission in Wien. Wien 1898
- Cajetan Felder: Erinnerungen eines Wiener Bürgermeisters. Hg. von Felix Czeike. Wien: Forum-Verlag 21984, S. 337 ff.
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 104ff.
- Friedrich Hauer / Severin Hohensinner: Durchstich, Kai und Häusergerümpel. Die Donauregulierung 1870–1876 als landschafts- und städtebauliches Großprojekt. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 79 (2023), S. 171-221
- Severin Hohensinner / Friedrich Hauer: Neue Maßstäbe. Industrialisierung der Gewässerlandschaft 1830–1918. In: Wasser Stadt Wien. Eine Umweltgeschichte. Hg. vom Zentrum für Umweltgeschichte, Universität für Bodenkultur Wien. Wien: Holzhausen Druck 2019, S. 90-121
- Franz Kaiser: Zum Jubiläum der Donauregulierung und zum neuen Wiener Hochwasserschutzgebiet. in: Österreich in Geschichte und Literatur 15 (1971), S. 542 ff.
- Ferdinand Lettmayer [Hg.]: Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts - ein Querschnitt durch Landschaft, Geschichte, soziale und technische Einrichtungen, wirtschaftliche und politische Stellung und durch das kulturelle Leben. Wien: 1958, S. 69 ff., 79 ff. (Folgen)
- Maren Seliger / Karl Ucakar: Wien. Politische Geschichte 1896 - 1934. Wien: Jugend & Volk 1985 (Geschichte der Stadt Wien, 2), S. 553 ff.
- Viktor Thiel: Geschichte der älteren Donauregulierungssarbeiten bei Wien. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich 2 (1903), S. 117 ff. und 4/5 (1905/1906), S. 1 ff.
- Gustav Ritter von Wex: Donauregulierung bei Wien. In: ÖIAZ 23 (1871), S. 147–151, 157–164, 248
- Gustav Ritter von Wex: Über die Wasserabnahme in den Quellen, Flüssen und Strömen, bei gleichzeitiger Steigerung der Hochwässer in den Cultur-Ländern. In: Zeitschrift des Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereines 25 (1873), S. 23–30, 63–76, 101–119
- Gustav Ritter von Wex: Die Wiener Donauregulierung. Ein Vortrag, gehalten am 1. Dezember 1875. Schriftenreihe des Vereines zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse in Wien 16 (1876)
- Gustav Ritter von Wex: Ueber die Donau-Regulirung bei Wien. Vortrag gehalten am 18. März 1876. In: ÖIAZ 28 (1876), S. 77–88
- Gustav Ritter von Wex: Ueber die Fortschritte der Ausbildung des neuen regulirten Donau-Strombettes bei Wien und über die hierbei gemachten Erfahrungen. In: ÖIAZ 32/3 (1880), S. 37–43 u. 4 Kartenbeilagen
- Gustav Ritter von Wex: Ueber die Wirkungen der Donau-Regulirung bei Wien anlässlich des letzten strengen Winters und der Hochwässer im August d. J. In: Oesterreichische Eisenbahn-Zeitung II/48 (1880), S. 615–622
Weblinks
Referenzen
- ↑ Donau-Regulirungs-Commission (Hg.): Bericht der Donau-Regulirungs-Commission in Wien über ihre Thätigkeiten vom Zeitpunkte ihrer Constituierung (17. März 1869) bis zum Schlusse des Jahres 1869. Wien, 1870, S. 41
- ↑ Eduard Suess: Erinnerungen. Leipzig: Hirzel 1916, S. 265
- ↑ Friedrich Hauer / Severin Hohensinner: Durchstich, Kai und Häusergerümpel. Die Donauregulierung 1870–1876 als landschafts- und städtebauliches Großprojekt. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 79 (2023), S. 183-190