Georg Knepler
Georg Knepler, * 21. Dezember 1905 Wien, † 14. Jänner 2003 Berlin, Pianist, Dirigent, Musikwissenschaftler.
Biografie
Georg Knepler, der ältere von zwei Söhnen von Elise (geborene Kohn) und Paul Knepler, Opernlibrettist und Musikverleger, wuchs in Wien in einer bürgerlichen Familie auf und erhielt früh Musikunterricht. Von 1918 bis 1925 besuchte er das Wiener Akademische Gymnasium. Von 1926 an studierte er Klavierspiel bei Eduard Steuermann, außerdem Komposition und Dirigieren bei Hans Gál und Musikwissenschaft bei Guido Adler sowie Egon Joseph Wellesz. Seine Dissertation schrieb er über "Die Form in den Instrumentalwerken Johannes Brahms'".
Knepler war mit Oskar Samek befreundet, durch den er 1928 Karl Kraus kennenlernte, nachdem er bereits als Gymnasiast dessen Zeitschrift "Die Fackel" gelesen und immer wieder Vorlesungen von Kraus besucht hatte. Dass Kraus einen Gegenentwurf zur "Bürgerwelt" vertrat, faszinierte den jungen Knepler, der sich unter anderem durch die "Fackel"-Lektüre beeinflusst der Linken zuwandte. Samek, der sich bei seinen Amateur-Liederabenden öfters von Knepler begleiten ließ, machte ihn mit Kraus bekannt, weil dieser einen neuen Klavierbegleiter für seine Offenbach-Vorlesungen suchte. Kneplers Buch "Karl Kraus liest Offenbach" (1984) beruht auf den Erinnerungen an diese Tätigkeit, die er zwischen 1928 und 1931 ausübte.
Knepler und Kraus hatten ein gutes Verhältnis, Kraus sei "die Freundlichkeit selbst", väterlich und liebenswürdig dem circa 30 Jahre Jüngeren gegenüber gewesen.[1] Als der Musikkritiker Paul Amadeus Pisk Knepler in der Arbeiterzeitung "holperiges Spiel" attestierte, ergriff Kraus in der "Fackel" Partei für ihn; auch gegenüber Sidonie Nádherný, die sich in einem Brief abfällig geäußert hatte, verteidigte er ihn.
1932 ging Knepler nach Berlin, wo er unter anderem mit Hanns Eisler, Bertolt Brecht und Helene Weigel arbeitete. In Berlin entging er 1933, als Jude und Kommunist antisemitisch und politisch verfolgt, der Verhaftung durch die Gestapo und floh – unmittelbar nach dem Tag des "Judenboykotts" am 1. April – zurück nach Wien.
Als Mitglied der vom austrofaschistischen Regime verbotenen KPÖ wurde er dort einige Wochen vor den Februarkämpfen 1934 verhaftet, weil Exemplare der verbotenen kommunistischen Zeitung "Die rote Fahne" bei ihm gefunden wurden. Nachdem sein von den Eltern bezahlter Anwalt die Freilassung erwirkt hatte, emigrierte Knepler nach London, wo die Aussichten auf Engagements wesentlich besser waren als in Österreich. In London, wo er Käte Förstner heiratete, wurde er Kultursekretär des "Austrian Centre" und spielte Klavier bei Aufführungen in dessen Theater "Laterndl". Außerdem arbeitete er bei der BBC.
1946 ging Knepler mit seiner zweiten Ehefrau Florence Wiles zurück nach Wien, wo ihr Sohn John geboren wurde. In Wien war Knepler Kulturreferent der KPÖ. 1949 folgte er der Berufung in die DDR zur Reorganisation der Deutschen Hochschule für Musik in Ostberlin, die er bis 1959 leitete. Von 1959 bis 1970 hatte er den Lehrstuhl für Musikgeschichte an der Humboldt-Universität inne. Daneben war Knepler bis 1989 Chefredakteur der "Beiträge zur Musikwissenschaft".
Georg Knepler war einer der bedeutendsten Musikwissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Zu seinen wichtigsten Publikationen gehören die zweibändige "Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts" (1961), "Geschichte als Weg zum Musikverständnis. Zur Theorie und Methode der Musikgeschichtsschreibung" (1977), die Aufsatzsammlung "Gedanken über Musik" (1980) und eines der wichtigsten Bücher zum Mozartjahr 1991, die Monografie "Wolfgang Amadé Mozart".
Georg Knepler starb am 14. Jänner 2003 im Alter von 96 Jahren in Berlin. Die Wienbibliothek im Rathaus verwahrt eine kleine Sammlung Georg Knepler, bestehend aus Lebensdokumenten.
Quellen
- Gerhard Scheit: "Also Raunzen können die Engländer überhaupt nicht." Aus einem Interview mit Georg Knepler über Widerstand, Antisemitismus und Exil. In: Zwischenwelt Jg. 19, H. 4. Wien: Theodor-Kramer-Gesellschaft 2003, S. 28–35
- Georg Knepler: Karl Kraus liest Offenbach. Erinnerungen – Kommentare – Dokumentationen. Wien: Löcker Verlag 1984
- Karl Kraus: Briefe an Sidonie Nádherný von Borutin 1913–1936. 1. Bd. Hg. v. Heinrich Fischer und Michael Lazarus. München: Kösel-Verlag 1974, S. 608–610
- Wienbibliothek im Rathaus: Sammlung Georg Knepler
Literatur
- Gerd Rienäcker / Peter Petersen: Georg Knepler. In: Claudia Maurer Zenck / Peter Petersen / Sophie Fetthauer (Hg.): Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit. Hamburg: Universität Hamburg 2017 [Stand: 25.03.2024]
- Gerhard Oberkofler / Manfred Mugrauer: Georg Knepler. Musikwissenschaftler und marxistischer Denker aus Wien. Innsbruck / Wien / Bozen: StudienVerlag 2014
- Renate Göllner / Gerhard Scheit: "… bestünde Lieb' und Bruderbund" – Georg Knepler zum Gedächtnis. Ein Nachruf. In: Zwischenwelt Jg. 19, H. 4. Wien: Theodor-Kramer-Gesellschaft 2003, S. 27–28
Georg Knepler im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.
Weblinks
- Wienbibliothek Digital: Georg Knepler
- Österreichische Mediathek: Interview mit Georg Knepler, 03.12.1984 [Stand: 28.03.2024]
- Wikipedia: Georg Knepler [Stand: 28.03.2024]
- Die Fackel Nr. 811–819 (1929), S. 89 [Stand: 28.03.2024]