Im Mittelalter traten Glasmacher bereits im 13. Jahrhundert auf (Ottokars „Reimchronik"). Man unterschied zwischen Glasern und Spiegelmachern (aus gelblich-grünen „Waldglas", weil die Glashütten in den Alpenforsten standen); viele Grundherren unterhielten im Mittelalter Glasbläsereien. Eine 1316 in Waidhofen an der Ybbs bekannte Glasfabrikation musste später Eisenwerken weichen; in Tirol unternahm man im 16. Jahrhundert Versuche, venezianisches Glas zu imitieren, was 1535 in Hall auch gelang.
1354 wurde in Wien durch den Rat verfügt, dass Waldglas (überwiegend wohl aus Böhmen stammend) überall, Venediger Ware jedoch nur auf dem Hohen Markt verkauft werden dürfe (dort gab es Glastische). Der Zolltarif von Enns nennt 1386 bereits Glastruhen; Johanna von Durazzo, die Braut Herzog Wilhelms, zog 1403 in einer verglasten Kutsche in Wien ein. Auch die Herstellung von Glasschreinen für Reliquien ist bekannt. Die Verwendung von Fensterglas in Häusern war noch im 15. Jahrhundert selten, wie aus der Beschreibung des Enea Silvio Piccolomini von 1438 hervorgeht (die Fenster wurden überwiegend mit dem „sliem", einer dünn gegerbten Haut, verschlossen). Hingegen waren verglaste Kirchenfenster durchaus üblich; der Stephansdom, Maria am Gestade, das (alte) Rathaus unter anderem Gebäude erhielten im 14. und 15. Jahrhundert „reiche Fensterverzierung" venezianischer Herkunft (Glasmalerei). Voraussetzung für die Fensterverglasung war die Erfindung der Verbleiung (Butzenscheiben); die ältesten Belege stammen aus den Jahren 1429 (Leinwandhaus), 1444 (Pilgrimhaus) und 1457 (Rathaus: neuer Saal, Ratsstube, Altan).
Im 15. Jahrhundert ließen sich italienische Glaserzeuger in Wien nieder (unter anderem Nicolaus Wach, dessen Glashütte im Prater stand; „Venedigerau"); anfänglich, zumindest aber bis 1607, bildeten die Glaser gemeinsam mit den Perlheftern und Aufdruckern eine Bruderschaft. 1486 wurde mit Ermächtigung des Rats eine Glashütte errichtet. Rudolf II. hatte eine Vorliebe für Kristallglas, weshalb er Italiener an den Hof kommen ließ (1602 schuf Giovanni Giranni ein „bildt von glasswerch"). 1676-1679 ist ein von Leopold I. nach Wien geholter Venezianer Glasmacher und Maler Bernhard Marinelli nachweisbar, der eine Glashütte am Tabor betrieb. Nach dem Ende des 17. Jahrhunderts die Qualität des venezianischen Glases gesunken war (die Blütezeit der venezianischen Glasbläser), entstanden neue Zentren in Nürnberg (Glasschnitt, beginnend im 17. Jahrhundert) und Böhmen (Gablonzer Glaswaren). Glashütten entstanden überall dort, wo genug Holz für die Öfen und Pottasche für die Glasmasse zur Verfügung stand. Im Biedermeier besaß die Glasindustrie außerordentliche Bedeutung und hatte auch große Exporterfolge. Das angestrebte Ideal, das „weiße" Glas mit der Durchsicht des Bergkristalls (von der Antike bis ins 17. Jahrhundert hatte Glas immer eine leichte Färbung), wurde mit der englischen Erfindung des Bleikristalls erreicht (reines „Krystallglas"). Zur Zeit Maria Theresias entstand in Wien aufgrund der Erfindung Joseph Strassers eine Spezialindustrie zur Erzeugung von Kunstedelsteinen aus Glasfluss („pierre de straß").
Das Biedermeier mit seinem Hang zur Natürlichkeit entdeckte jedoch wieder den Reiz der Farbe und erzielte mit einer aus Frankreich stammenden neuen Methode zarte Zwischentöne mit opalisierendem Schimmer, Trübungen in Gold- oder Rauchtönen sowie Färbungen mit Hilfe von verschiedenen Metalloxyden; in Wien entwickelte sich die Translucidmalerei (Anton Kothgasser). 1804 gab es in der Monarchie 66 Glasfabriken. Ende der 20er Jahre des 19. Jahrhunderts wurde entfärbtes und färbiges Glas gegenseitig „überfangen"; auf diesen „piatierten" („doublierten") Gläsern erzielten traditionelle Schnitt- und Schlifftechniken neue mehrfarbige Effekte. Auch Oberflächenveränderungen durch Metallbeizen zählten zu den Veredelungstechniken. Eine Sondergruppe innerhalb der Biedermeier-Farbengläser bilden die „Steingläser" (durch bestimmte Behandlung Erzielen des Effekts von Edel- oder Halbedelsteinen). Die Hohlglasindustrie mit ihren zahlreichen Formen von Trinkgläsern, Flaschen, Vasen, Pokalen, Krügen, Bechern, Flakons und Dosen bediente sich immer mehr des Schliffs und Schnitts, um den Gläsern ein „besseres Aussehen" zu verleihen. Schnitt und Schliff besorgten die Glasschleifer und Glasschneider, die in Wien 1775 eine eigene Handwerksordnung besaßen (typisch klassizistische Form des Brillant- oder Steinschliffs). Das Biedermeier verfeinerte den Geschmack und die technische Herstellung; die Glasveredlung machte rasche Fortschritte. Die Glasmacherkunst erfuhr damals ihre größte und eigenständigste Entfaltung. Neben Trinkgläsern wurden Ziergläser und Freundschaftsbecher produziert; die bedeutendsten Künstler in Wien waren Gottlob Samuel Mohn (1811 von Dresden nach Wien gekommen; † 1827) und Anton Kothgasser (Maler der Porzellanmanufaktur Augarten; † 1851), der Meister der Schmelzfarbenmalerei.
Die Verbindung zwischen Kunst und Gewerbe wurde durch Ludwig Lobmeyr hergestellt, der der Edelarbeit aus Glas die Note der typisch wienerischen Geschmackskultur gab („Lobmeyrstil"); er hinterließ seinem Sohn Joseph die florierende Glashandlung „Zum Fürsten Metternich" (Kärntner Straße, Ecke Weihburggasse). Rudolf von Eitelbergers Reformbestrebungen führten zur Errichtung von Zeichen- und Modellier-Fachschulen für die Glasindustrie. Durch die Weltausstellung 1873 wurde der Ruf der Wiener Glasindustrie gefestigt. Für die künstlerische Gestaltung war die Zusammenarbeit mit dem neugegründet Museum für Kunst und Industrie von großer Bedeutung; später gab es starke Einflüsse durch Künstler des Jugendstils und der Wiener Werkstätte. 1987 wurde das Glasmuseum Lobmeyr eröffnet (1., Kärntner Straße 26), 1993 die Glasgalerie Michael Kovacek (1., Spiegelgasse 12).
Ein spezieller Zweig der Glasindustrie ist die optische Industrie, die sich in Wien einen festen Platz erkämpfte (unter anderem Petzval, Plöchl, Reichert, Voigtländer).
Wappen
1904 hat der Heraldiker Hugo Gerard Ströhl Wappen der Genossenschaften vorgelegt, die zur künstlerischen Innenausstattung der Versorgungsheimkirche dienten. Das Wappen der Glaser, Glashändler und Glasschleifer hat folgendes Aussehen:
In Silber die mit gelbem Rock und blauem Mantel bekleidete, golden nimbierte Halbfigur des heiligen Lukas, hinter dessen linker Schulter ein naturfarbiger Ochsenkopf, das Attribut des Evangelisten, hervorragt. In der Rechten hält der Heilige einen Pinsel, als Patron der Maler, in der Linken einen kleinen goldenen Schild, in dem sich einige Werkzeuge der Glaser, wie das Bleimesser, der Glaserdiamant u. s. w. kreuzen.
Siehe auch
Video
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Innungen und Handelsgremien: Glaser
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Innungen und Handelsgremien, U: Urkunden: Gesamtserie aller Innungen (enthält Urkunden der Glaserinnung)
Literatur
- Jakob Dont: Das Wiener Versorgungsheim. Eine Gedenkschrift zur Eröffnung. Wien: Verlag der Gemeinde Wien 1904, Taf. X
- Jakob Dont [Hg.]: Der heraldische Schmuck der Kirche des Wiener Versorgungsheims. Mit dem Anhang: Beschreibung der Siegel der ehemaligen Wiener Vorstädte und Vorort-Gemeinden. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. 22, Taf. X
- Der Wiener Kongreß. Ausstellung veranstaltet vom Bundesministerium für Unterricht gemeinsam mit dem Verein der Museumsfreunde, 1. Juni bis 15. Oktober 1965, Schauräume der Hofburg, Kaiserappartements, Wien. [150 Jahre Wiener Kongress]. Kataloggestaltung: Epi Schlüsselberger. Wien: Gistel & Cie 1965, S. 411 ff.
- Rupert Feuchtmüller / Wilhelm Mrazek: Biedermeier in Österreich. Wien: Forum-Verlag 1963, S. 91 ff.
- Fragile Schätze aus fünf Jahrhunderten. Eröffnung der neuen Glasgalerie Kovacek. In: Parnass 2 (1993), S. 48 ff.
- Harry Kühnel [Hg.]: Ausstellung Gotik in Österreich. 19. Mai bis 15. Oktober 1967, Minoritenkirche Krems-Stein, Niederösterreich. Krems a. d. Donau: Kulturverwaltung 1967, S. 297 ff.
- Gustav E. Pazaurek: Gläser der Empire- und Biedermeierzeit. Leipzig: Klinkhardt & Biermann 1923
- Rupert Maria Rennhofer: Vom Fortschritt der industriellen Kultur. In: Parnass 7-8 (1991), S. 26 ff.
- Gerlinde Sanford: Wörterbuch von Berufsbezeichnungen aus dem siebzehnten Jahrhundert. Gesammelt aus den Wiener Totenprotokollen der Jahre 1648-1668 und einigen weiteren Quellen. Bern / Frankfurt am Main: Lang 1975 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur, 136), S. 38
- Adolf Wolf: Alsergrund-Chronik. Von der Römerzeit bis zum Ende der Monarchie. Wien: Selbstverlag 1981, S. 29