Kinderarbeit

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Kinderarbeit. Der Zusammenbruch der alten Handels- und Kommunikationsverbindungen sowie der Verlust wichtiger Exportmärkte während des Dreißigjährigen Kriegs (von dem Österreich militärisch im wesentlichen verschont blieb) führten zu einer ökonomischen Stagnation und zum Überschuss an Arbeitskräften. Bis zur Zweiten Türkenbelagerung (1683) bestand daher in Wien lediglich bei den Luxusgewerben, die den wachsenden Ansprüchen der gehobenen Bevölkerungsschichten häufig nicht nachkommen konnten, Arbeitskräftebedarf.

Wirtschaftspolitische Reformvorschläge, die ab dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts von Österreichs Kameralisten und Merkantilisten gemacht wurden, gingen daher vom Vorhandensein einer breiten Lohnarbeiterschicht aus, die man gegebenenfalls aus dem Reservoir der Bettler, Vagabunden, verwahrlosten Jugendlichen, Armen- und Waisenkinder ergänzen wollte. Johann Joachim Becher trat bereits 1671 für die Einrichtung eines Werk- und Zuchthauses in Wien ein, in dem er (neben der Arbeitserziehung der Bettler) die Ausbildung von Armenkindern für das aufkommende Manufakturwesen schaffen wollte (eine solche Anstalt wurde 1673 in der Leopoldstadt gegründet). Betteln und "Müßiggang", die jahrelang zumindest geduldet worden waren, wurden nun als sozialer Missstand, wenn nicht sogar als strafwürdige Handlung empfunden.

Der Ausbau der Manufakturen, aber auch die Expansion bei Handel und Gewerbe führten dazu, dass billige Arbeitskräfte in größerer Zahl gesucht wurden, weshalb man neben den Insassen von Zucht- und Zwangsarbeitshäusern auch auf Waisen- und andere Erziehungsanstalten zurückgriff. Was für die Manufakturbesitzer eine Frage billiger Produktion war, wurde für den Staat eine wünschenswerte Entwicklung zur Isolation und Korrektion (Besserung) gesellschaftlicher Randgruppen, die als Bedrohung empfunden wurden, und für die Städte zur Möglichkeit der Entlastung ihrer Fürsorgeverpflichtungen. Die Kinderarbeit war jedenfalls ein wesentlicher Bestandteil merkantilistischer Arbeitspolitik. Im Sinne des sich verstärkenden Absolutismus wurde der Standpunkt vertreten, alle Menschen hätten dem Staat durch Fleiß und Arbeit nützlich zu sein. Diese Entwicklung kam in verschiedener Hinsicht, von den Pädagogen tatkräftig unterstützt, den Wünschen der Manufakturbesitzer entgegen, die sich damit legitimiert sahen, in Arbeits- und Waisenhäusern billige Arbeitskräfte zu rekrutieren; parallel dazu kam es zum Bedeutungsverlust von Haushalt und Familie als Produktionseinheit.

Bereits unter Leopold I. gewann die Frauen- und Kinderarbeit für verschiedene Kreise allmählich an Attraktivität. Karl VI. wollte im Rahmen einer den staatlichen Interessen dienenden Wirtschaftspolitik die Errichtung von "Waisen-, Manufaktur- und Arbeit-Häusern" gefördert wissen; mit Hilfe der aus diesen gewonnenen billigen Arbeitskräfte sollten kostspielige Importe aus westlichen Manufakturzentren vermieden werden. Ein Dekret von 1724 legte fest, dass Insassen von Waisenhäusern den Manufakturen gegen billigen Lohn zur Verfügung gestellt werden sollten (erst im 19. Jahrhundert ging man in Wien von dieser Praxis ab). Die Maßnahmen für verwaiste und verwahrloste Kinder beschränkten sich in Wien unter Karl VI. auf polizeiliche Eingriffe im Rahmen des Armenwesens und Strafrechts, doch rückten die von den Kameralisten des 18. Jahrhunderts vorgeschlagenen "Erziehungsmaßnahmen" stärker in den Vordergrund, durch die dem Staat durch die Bereitstellung billiger brauchbarer Arbeitskräfte für seine Manufakturen Nutzen erwachsen sollte. Die ökonomische Bedeutung der organisierten Waisenarbeit für die frühkapitalistische Entwicklung in Wien ist unbestritten.

Maria Theresia ergänzte die bestehenden Anstalten (Unterbringung von Findlingen und Waisenkindern beispielsweise im Bürgerspital, in dessen Zweiganstalt bei St. Clara, im Hofspital und im Invalidenhaus sowie im Chaosschen Stiftungshaus, das jedoch gehobenen Schichten diente) durch das Waisenhaus am Rennweg. Wenn die Regierungszeit Maria Theresias mit dem Beginn der "Jugendfürsorge" gleichgesetzt wird, so ist dies im Sinn der damaligen Zeit zu verstehen und weitgehend mit der Einrichtung von Arbeitshäusern gleichzusetzen; bereits am Beginn ihrer Regierung betonte sie die Notwendigkeit frühzeitiger Arbeitsgewöhnung der Kinder, insbesondere der in staatlicher Obhut befindlichen Soldaten- und Waisenkinder. Die Förderung der Wirtschaft stand stets im Vordergrund ("Industriepädagogik"); so wurde beispielsweise das Waisenhaus am Rennweg 1742 durch den Domherrn Anton Marxer über Ersuchen des Fabrikanten Johann Michael von Kienmayer neben dessen Fabrik errichtet.

Als nach dem Siebenjährigen Krieg wirtschafts- und handelspolitische Maßnahmen zur Belebung der Wirtschaft erforderlich wurden, verstanden es die Fabrikanten geschickt, sich die staatlichen Grundsätze zunutze zu machen, und bewarben sich (von staatlicher Seite in dieser Absicht unterstützt [beispielsweise Erlass 1764, demzufolge unter anderem in Waisenhäusern die Manufakturarbeit eingeführt werden sollte, aber auch unter ähnlichen Aspekten Gründung eines selbständigen Findelhauses 1764]) um Armen-, Waisen- oder Soldatenkinder als Arbeitskräfte (allerdings nur aus niederen gesellschaftlichen Schichten). Die Gründung und der Betrieb von Manufakturen waren häufig geradezu vom Bestehen der Arbeits- und Waisenhäuser abhängig. Im Sinn der "Erziehung zur Arbeit" wurde eine lange Arbeitszeit durchgesetzt; die (bewusst) minimale Entlohnung der Männer zwang diese, zur Deckung des Existenzminimums auch Frauen und Kinder in die Arbeit zu schicken. Von staatlicher Seite wurde diese Vorgangsweise gedeckt, weil man auf diese Weise der "Faulheit" der unteren Bevölkerungsschichten begegnen und auf dem Weg über lange Arbeitszeiten politischen Engagements entgegenwirken wollte.

Der Exjesuit Ignaz Parhamer (der das inzwischen verstaatlichte Waisenhaus 1759-1785 leitete und als "Kindergeneral" berühmt wurde), und Bischof Ferdinand Kindermann (der mit der Theresianischen Schulreform von 1775 eng verbunden ist; Einführung des sogenannten Industrial-Unterrichts) förderten grundsätzlich die Beschäftigung der Kinder im Rahmen der Manufakturen, insbesondere der Textilproduktion. Wenn gleichzeitig die "Constitutio Criminalis Theresiana" (1768) für die Behandlung Jugendlicher gegenüber dem geltenden Strafrecht einen Rückschritt bedeutete, so erkannte die Monarchin andererseits auch die Notwendigkeit, im Sinn der wirtschaftlichen Entwicklung den Jugendlichen eine bessere geistige Ausbildung angedeihen zu lassen. Unter Joseph II. wurde 1786 die Kinderarbeit in den Fabriken gesetzlich gestattet (keine Fixierung einer Altersgrenze, Kinder durften zu diesem Zweck dem regelmäßigen Schulbesuch fernbleiben, die Verwendung von Kindern unter neun Jahren war über Ansuchen der Eltern gestattet). Flankierende Kinderschutzmaßnahmen dürften an der Praxis wenig geändert haben; die Verpflichtung der Fabrikherren, für den Abendunterricht der Kinder (nach acht- bis zehnstündiger Arbeitszeit) aufzukommen, ließ sich kaum durchsetzen.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in der Zeit des Biedermeier, stieg der Bedarf nach ungelernten Arbeitskräften durch die Einführung von Maschinen in den Gewerbebetrieben stark an. Frauen, Jugendliche und Kinder arbeiteten als billige Arbeitskräfte an den Geräten. Die Betriebe wurden größer, mit ihnen stieg auch die Zahl der Fabrikkinder. Ihr Arbeitstag dauerte acht bis sechzehn Stunden. Kinderarbeit erhöhte die Rentabilität der Unternehmen. Die Löhne waren sehr niedrig. Erst eine große Zahl an mitverdienenden Kindern ermöglichte einer Arbeiterfamilie das Überleben.

Seidenindustrie in Wien

Frauen- und Kinderarbeit war in allen Industriesparten anzutreffen. Am weitesten verbreitet war sie allerdings in der Textilindustrie. In Wien blühte die Seidenindustrie. Seidenstoffe und Seidenbänder wurden vor allem im "Brillantengrund" erzeugt. Dieser befand sich in den Vorstädten Neubau und Schottenfeld (heute 7. Bezirk). Straßennamen wie Seidengasse, Bandgasse oder Webgasse erinnern heute noch daran. Der im Volkslied besungene Vater als "Hausherr und Seidenfabrikant" geht darauf zurück. In diesen Betrieben wurden sehr viele Kinder und Jugendliche eingesetzt, denn die kleinen Kinderhände waren für die Arbeit an Textilmaschinen besonders gut geeignet.

Harte Arbeitsbedingungen

Über das schwere Leben, das viele Kinder und Jugendliche damals führen mussten, sei exemplarisch ein "Tabellarischer Ausweis über die Pflege und Erziehung der Kinder" in der Seidenzeugfabrik der Josepha Reckenschuss im Haus Schottenfeld 424 (heute Kaiserstraße 71 im 7. Bezirk) aus dem Jahr 1821 genannt. In diesem Betrieb wurden drei Kinder beschäftigt, die beiden dreizehnjährigen Josef Rapony und Franz Gschweidl sowie der vierzehnjährige Leopold Glaubinger.

Es wurde festgestellt, dass für jedes Kind ein eigenes Bett zur Verfügung stand. Die Bettwäsche wurde nur bei großer Verschmutzung gewechselt. Die Unterkunft wurde als "gut" bezeichnet. Einmal pro Woche erhielten die Kinder frische Kleidung und dreimal am Tag eine Mahlzeit. Dreimal am Tag wurde auch gebetet. Die Arbeitszeit betrug zehn Stunden am Tag, an Sonn- und Feiertagen bekamen die Kinder in der Kirche Unterricht. In die Kirche wurden sie von der Fabriksinhaberin selbst geführt. Bestätigt wurden die Angaben von einem Vertreter der Ortsobrigkeit, dem Pfarrer und der Fabriksbesitzerin selbst. Die Unterschrift des Bezirksarztes fehlt. Dieser hatte die Kinder schon länger nicht gesehen.

Das Leben der drei Buben war geprägt von harter Arbeit und Gebet. Es ist anzunehmen, dass die angegebenen zehn Stunden Arbeit immer wieder überschritten wurden. Erst 1842 wurde die Maximalarbeitszeit für Neun- bis Zwölfjährige mit zehn Stunden und für Zwölf- bis Sechzehnjährige mit zwölf Stunden gesetzlich festgelegt. Wie Unterkunft und Essen beschaffen waren, wird nur mit den wenig aussagekräftigen Worten "gut" und "wohl" beschrieben. Freizeit blieb den Kindern keine, ihr Leben wurde selbst an Sonn- und Feiertagen reglementiert. Da sie keinen Unterricht erhielten - der Unterricht in der Kirche war vor allem Religionsunterricht -, blieben sie ungelernte Arbeiter ohne Aussicht auf Aufstiegsmöglichkeiten.

1842 kam es erstmals zum Arbeitsverbot für Kinder, die Gewerbeordnung von 1859 schränkte auch die Beschäftigung von Jugendlichen ein (Verschärfung der Vorschriften 1885, Verbot der Nachtarbeit für Jugendliche). Nach dem Zweiten Weltkrieg regelte 1948 das Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz den Arbeitsschutz von Kindern und Jugendlichen. Ausnahmen für die Kinderarbeit (unter 14 Jahren) gelten (abgesehen von gelegentlichen Dienstleistungen) nur in der Landwirtschaft (Beschäftigung ab dem zehnten Lebensjahr gestattet) und der Forstwirtschaft (ab dem zwölften Lebensjahr).

Quelle

  • Wiener Stadt- und Landesarchiv, Hauptarchivs-Akten - Reihe B; Varia, A1: 1336

Literatur

  • Gustav Strakosch-Graßmann: Geschichte des österreichischen Unterrichtswesens. Wien: Pichler 1905, S. 119 f.
  • Peter Feldbauer: Kinderelend in Wien. Von der Armenpflege zur Jugendfürsorge. Wien: Verl. für Gesellschaftskritik 1980, S. 24 ff., 36 ff., 67 ff.