Kuffner (Familie)
Herkunft
Die Familie Kuffner stammte aus Lundenburg (heute Břeclav) in Mähren (heute ein Teil von Tschechien) 90 km nördlich von Wien. Viele ihrer Mitglieder lebten zwischen 1850 und 1938 in Wien und waren vor allem im Brau- und Hefegeschäft tätig. 1938 wurde sie durch die Nationalsozialisten vertrieben und kehrte nach 1945 nicht mehr zurück. In Wien erinnern noch die Kuffner-Sternwarte und das Palais Kuffner in Ottakring an diese vor allem für die Vororte Ottakring, Hernals und Ober-Döbling bedeutende Familie. Die Wurzeln der jüdischen Familie gehen zwar ins 17. Jahrhundert zurück, namentlich ist als erster Kuffner ein Koppel († 1775) bekannt, dessen Enkel Wolf (ca.1758-1826) als erster den Familiennamen führte. Wolfs Enkel Ignaz (*22. April 1822 Lundenburg † 23. März 1882 Ottakring) und Jacob (*20. März 1817 Lundenburg † 8. Mai 1891 Wien) kamen 1850 nach Wien und nutzten die kurze judenfreundliche Zeit nach der Revolution 1848 aus, um die Ottakringer Brauerei zu erwerben. Später kam auch ihr Bruder Simon (8. Februar 1798 Lundenburg † 15. September 1869 Wien Leopoldstadt) in die Reichshauptstadt.
Die Familie von Ignaz Kuffner
Gemeinsam mit seinem Cousin Jacob erwarb Ignaz Kuffner 1850 die 1836 gegründete Ottakringer Brauerei. Sie bauten sie rasch zu einem Großbetrieb um, so dass sie 1858 an fünfter Stelle in Wien rangierte. Ignaz Kuffner profitierte von der Erfindung der industriell produzierbaren Kunsthefe durch Adolf Ignaz Mautner und errichtete in Ottakring als zweites Standbein eine Hefe- und Spiritusfabrik. Ignaz Kuffner war mehr als nur ein Großindustrieller. Er war ein sozial denkender Unternehmer, der seinen Arbeitern die besten humanen Bedingungen aller Brauereien bot (Werksküche, Förderung eines Arbeiter-Bildungsverein) und engagierte sich ab 1865 in seiner noch selbständigen Gemeinde für viele soziale Anliegen. Er gab der Gemeinde zinsenfreie Darlehen und wurde 1869 zum Bürgermeister gewählt. In dieser Funktion baute er die Infrastruktur des Wiener Vorortes (Postamt, Feuerwehr, Polizeikommissariat, Schulen, Kinderbewahranstalten) aus.[1] 1878 wurde er von Kaiser Franz Joseph I. als „Edler von“ in den österreichischen Adelsstand erhoben. Ignaz von Kuffner heiratete, nach einer Scheidung von seiner Cousine Fanny Kuffner, Rosalie Spitzer (ca. 1826 † 21. Dezember 1899 Wien).[2]
Ihr gemeinsamer Sohn Moriz von Kuffner (* 30. Jänner 1854 in Ottakring; † 5. März 1939 in Zürich) führte die Brauerei erfolgreich weiter und vereinigte alle Familienunternehmen 1905 in der „Ign. & Jac. Kuffner A.G.“, in der er die Aktienmehrheit besaß. Er engagierte sich wegen des zunehmenden Antisemitismus nicht mehr in der Politik, war wie sein Vater ein sozial denkender Arbeitgeber und schloss mit seinen Arbeitern den ersten Kollektivvertrag in einer österreichischen Brauerei ab. Er war 1900 bis 1903 Präsident des Brauherrenverbandes für Wien und Umgebung. Moriz von Kuffner galt als "Philosoph", "Philanthrop", Experte der englischen und französischen Literatur sowie Nationalökonom und war ein hervorragender Bergsteiger. Außerdem beschäftigte er sich mit der Astronomie und gründete die heute noch bestehende Kuffner-Sternwarte in Wien. [3]
1938 wurde er nach dem „Anschluss“ von den Nationalsozialisten aus Österreich vertrieben. Er konnte zwar gerade noch seine Brauerei an die Familie Harmer verkaufen, verlor aber fast den gesamten sonstigen Besitz, der nur teilweise nach 1945 seinen Söhnen Johann (*9. Jänner 1894 Wien † 25. Februar 1973 Lausanne) und Stephan (*9. Jänner 1894 Wien † 1. November 1976) rückerstattet wurde. [4]
Die Familie von Jacob Kuffner
Jacob leitete ab 1850 die Ottakringer Brauerei mit seinem Cousin Ignaz, erwarb aber 1856 die kleine Brauerei in Ober-Döbling, die nach seinem Tod sein erster Sohn Wilhelm (* 4. April 1846 in Lundenburg; † 14. April 1923 in Wien) bis 1907 weiterführte. Dann wurde der Braubetrieb eingestellt, weil die beiden anderen Familienbrauereien in Ottakring und Hernals genügend Kapazitäten besaßen. Seine Gattin Camilla von Kuhner (* 28. April 1857 Wien; † 21. März 1954 Beaulieu) musste 1938 mit den Töchtern Marianne und Hedwig nach Frankreich fliehen, wo sie im Zuge der Judenvernichtung umkamen.
Der zweite Sohn Jacobs, Karl Kuffner (* 28. Juli 1847 in Lundenburg; † 12. Dezember 1924 in Wien), zog nach Ungarn und wurde Großgrundbesitzer und Großindustrieller in der Landwirtschaft. Er betrieb unter anderem eine Zuckerfabrik in Diószeg. Karl wurde von Franz Joseph I. als ungarischem König 1896 mit dem Prädikat „de Diószegh“ in den Adelsstand erhoben und 1904 die ungarische Baronie verliehen. Im selben Jahr heiratete er Maria Gräfin von und zu Firmian (*29. März 1856 Kronmetz † 28. Juli 1925 Diosek). Ihr Sohn Raoul Baron Kuffner de Diószegh (* 25. Juli 1886 in Wien; † 3. November 1961 auf einer Seereise) wurde ebenfalls ungarischer Industrieller. Seine zweite Frau, Tamara de Lempicka (* 16. Mai 1898 in Warschau als Tamara Gorska; † 16. März 1980 in Cuernavaca, Mexiko), war eine polnische Malerin des Art Déco.
Der dritte Sohn Hermann Kuffner (* 16. Juli 1822 in Lundenburg; † 30. September 1905 Lundenburg) blieb im Gegensatz zu seinen Vettern in Lundenburg, wurde dort Bürgermeister und 1904 von Kaiser Franz Joseph I. als „Edler von“ in den österreichischen Adelsstand erhoben. Er nannte sich nun Hermann Hirsch von Kuffner. Sein Sohn Ludwig übernahm 1903 von seinem Onkel Adolf die Hernalser Brauerei.
Die Familie von Simon Kuffner
Simon Kuffner, der dritte und jüngste Bruder, heiratete seine Cousine Josephine geb. Kuffner (4. August 1801 Lundenburg † 27. Mai 1879 Wien-Leopoldstadt), hatte drei Söhne, die Junggesellen blieben. Sein Sohn Adolf (18. März 1840 Lundenburg † 1903) pachtete 1878 und erwarb 1887 die Brauerei Hernals und gewann mit den verwandten Brüdern Dr. Hans und Kurt Redlich von Vezeg zwei neue Gesellschafter. Der Bruder von Adolf, Gottlieb, starb im Jahr des Kaufes der Brauerei. Nach seinem Tod führte sein Neffe Ludwig (*15. Oktober 1852 Lundenburg † 3. Mai 1937) bis knapp vor seinem Tod die Brauerei weiter.[5]
Literatur
- Georg Gaugusch: Die Familie Kuffner. In: Adler – Zeitschrift für Genealogie und Heraldik. Band 25 , Heft 8/ (XXXIV.) Band (1999–2000), S. 243-251
- Georg Gaugusch: Wer einmal war – Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800-1938. Amalthea Verlag Wien 2011, S. 1572-1574
- Ignaz Edler von Kuffner: Biografie. Druckschriftensammlung der Wien-Bibliothek o.J.
- Helmut Muzik: Das ehemalige Hernalser Brauhaus und seine heutige Umgebung. Ausstellungskatalog des Bezirksmuseums Hernals. Wien 2007
- Alfred Paleczny: Die Wiener Brauherren. Das goldene Bier-Jahrhundert. Löcker Verlag: Wien 2014, S.139-172
- Christian Springer / Alfred Paleczny / Wolfgang Ladenbauer: Wiener Bier-Geschichte. Böhlau Verlag: Wien-Köln-Weimar 2017, S. 115-145
- Katja Fischer: Jüdische Kunstsammlungen in Wien vor 1938 am Beispiel der Familie Kuffner. Dipl.-Arb. Univ. Wien. Wien 2008
Einzelnachweise:
- ↑ Karl Schneider: Geschichte der Gemeinde Ottakring. Selbstverlag der Gemeinde Ottakring: Wien-Ottakring 1892, S.444
- ↑ Ignaz Edler von Kuffner: Biografie. Druckschriftensammlung der Wien-Bibliothek o.J.
- ↑ Werner Weiss: Die Kuffner-Sternwarte. Wiener Bezirkskulturführer. Heft 24
- ↑ Michael Darthé: Ottakringer. Eine Unternehmensgeschichte unter besondere Berücksichtigung der Eigentumsverhältnisse. Lit-Verlag: Wien u.a. 2007
- ↑ Helmut Muzik: Das ehemalige Hernalser Brauhaus und seine heutige Umgebung. Ausstellungskatalog des Bezirksmuseums Hernals. Wien 2007