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Das Margarethener Orpheum (auch Margarethner Orpheum, Margaretner Orpheum, Neues Wiener Operettentheater, Wiener Volksbühne) war ein Theater, das sich an der Adresse 5., Reinprechtsdorfer Straße 1 (teilweise auch: 3) / Matzleinsdorferplatz (andere Angabe: Siebenbrunnengasse) befand. Der Standort, an dem das Theater errichtet wurde und der sich auch in den ersten Unterlagen des Theaters findet, war der ehemalige "Heu- und Strohmarkt" auf dem Areal des heutigen Theodor-Körner-Hofs.
Gründung und bauliche Eigenheiten
Das Margarethener Orpheum bestand ab dem Jahr 1923, vorerst nur für Versammlungen und als "provisorisches Gebäude" von 16 Meter Länge. Es hatte laut Aufnahmeschrift des Wiener Magistrats anlässlich einer Kommissionierung zur Lizenz-Erneuerung im April 1924 einfache Sitz- und Klappsitzreihen in Form einer Arena, deren Umfassung aus "Eternit auf Dachpappe" bestand und innen "mit Kokolithplatten verkleidet" war. Im Vorraum war eine Zwischendecke eingezogen worden, am rückwärtigen Teil befanden sich die Umkleidekabinen, durch den Einzug der Zwischendecke war ein Abstellraum geschaffen worden.
1925 leiteten Robert Spatschek und Anton Wolf den Betrieb. Im Juni 1926 fand hier ein Gastspiel "notleidender Schauspieler" unter der Spielleitung von Regisseur Friedrich Deutsch statt. 1928 zeigte man hier unter anderen das Stück Es war in Wien vor hundert Jahren. Mittwochs und samstags wurden auch Nachmittagsvorstellungen, unter anderem die Märchenvorstellung Rotkäppchen, Unterhaltungsstücke wie der Schwank Die letzte Jungfrau sowie Nachtvorstellungen, für die immer wieder die Sperrstunde auf 1 bis 2 Uhr nachts verlegt wurde.
Neues Wiener Operetten-Theater
Im Oktober 1929 änderte der damalige Leiter Anton Wolf den Namen von "Margaretner Orpheum" in "Neues Wiener Operettentheater". Im Herbst 1929 und erneut im Winter 1930 präsentierte Wolf Stehbilder zu Reklamezwecken mittels eine "Skioptikons", für das es eine temporäre Konzession aufgrund des Wiener Kinogesetzes erhielt. 1932 gastierte hier die Exlbühne mit dem Stück Glaube und Heimat (Regie: Köck).
Im März 1929, August 1930, November 1931, Oktober 1932, August 1933 und 1934 und erneut im Juli 1935 erhielt Anton Wolf (3., Beatrixgasse 16) erneut die Konzession zur Bespielung des Neuen Wiener Operettentheaters für ein Jahr. Robert Spatschek (5., Margaretenstraße 22, ab: 1932: 5., Reinprechtsdorfer Straße 3/41), blieb weiterhin Wolfs Stellvertreter.
Ab September 1936 leitete Jakob Strauss das Theater als neuer Konzessionär. Wie aus dem damaligen Konzessionsakt hervorgeht, hatte Strauss an die 30 Punkte zu erfüllen, um den Betrieb sicherheitstechnisch korrekt zu erhalten, der Fassungsraum wurde damals mit 1.364 Plätzen festgelegt. Strauss selbst wohnte zu diesem Zeitpunkt nicht in Wien, sondern war im Hotel Sächsischer Hof (2., Taborstraße 46) gemeldet. Er blieb auch im folgenden Jahr im Hotel wohnhaft und verlängerte seine Konzession im März 1937 um ein weiteres Jahr.
Bereits im August 1937 hieß der neue Konzessionär jedoch Hans Ziegler (4., Karlsgasse 11). Im Oktober dieses Jahres reichte der neue Leiter um die Genehmigung einer Raubtiernummer im Rahmen eines Varietéprogramms ein, die daraus bestand, "dass in einem auf dem Podium aufgestellten, globusförmigen Käfig sich ein Motorradfahrer mit einem Löwen produziert".
Am 31. Jänner 1938 wurde Zieglers Konzession für den Zeitraum von 1. Februar bis 15. März 1938 verlängert. Mehrfache weitere je zweiwöchige Konzessionsverlängerungen garantierten einen Spielbetrieb Zieglers bis zuletzt 12. Mai 1938. Am 31. Mai 1938 erhielt die seit Jänner 1938 hier tätige neue Geschäftsführerin des Theaters, Camilla Folk-Weber (4., Karlsgasse 11), die Bewilligung, im nun wieder als "Margarethner Orpheum" bezeichneten Betrieb von 1. bis 15. Juni "ein Gastspiel des Bauerntheaters Florl Leitner und vom 16. bis 30. VI. eine Operette oder Singspiel veranstalten zu dürfen", im Mai legte Ziegler erneut sein Konzessionsansuchen vor, diesem wurde jedoch "keine Folge gegeben".
NS-Leitung des Betriebs als "Wiener Volksbühne"
Am 28. April 1938 wurde vom "kommissarischen Leiter des Ringes der österreichischen Bühnenkünstler" Robert Valberg Otto Glaser als neuer "kommissarischer und Betriebszellenleiter" des "Margarethner Orpheum" behördlich bekanntgegeben, das sich nun "Wiener Volksbühne" nannte.
Ab September 1938 hatte Bruno Kronawittleithner (= Florl Leithner, 5., Siebenbrunnengasse 12/23, ab 1942: 5., Castelligasse 7) die Konzession für den Betrieb inne, der ab nun "Wiener Volksbühne" hieß. Kronawittleithner hatte eine Reihe von bestehenden Mängel im Zuge einer Renovierung zu beheben und blieb auch in den folgenden zwei Jahren "Betriebsführer" des Theaters.
1939 gastierte hier die "Wiener Revue 'Venus auf Reisen'", dessen künstlerischer Direktor der ehemalige Direktor des Theaters an der Wien Hans Knappl war. Man zeigte die Revue Himmel auf Erden.
Auch 1940, 1941 und 1942 blieb Kronawittleithner (Leithner) der vom Präsidenten der Reichstheaterkammer bestellte "Betriebsführer" der Bühne.
Die Spielzeit 1942/1943 begann mit Tip auf Amalia, einem "Volksstück in 4 Akten von Fritz Gottwald. Musik von Hans Bohdjalian", das am 1. September Premiere hatte. Im September zeigte man hier weiters "die große Varieté Revue. Ein bunter Reigen artistischer Höchstleistungen mit viel Humor, Gesang und Tanz", ein Programm, das bereits davor im Colosseum in der Schanzstraße gezeigt worden war; im Oktober folgte "das lustige Varieté-Programm" Für jeden etwas, das man ebenfalls aus dem Colosseum übernahm. Am 17. Oktober hatte die Operette Drei Wochen Sonne von Bruno Hart-Warden mit der Musik von August Pepök Premiere, im November brachte man eine Wiederaufnahme von Vater werden ist nicht schwer!, "eine lustige Begebenheit in 3 Akten von Karl Meise und Leo Förster. Musik von Hans Bohdjalian", sowie Alles für sie, "ein bunter humorvoller Reigen mit 10 Attraktionen", den man erneut vom Colosseum übernahm; am 17. Dezember hatte das musikalische Lustspiel in drei Akten X für ein U von H. G. Kernmayr Premiere. Im Jänner 1943 stand "ein bunter Reigen mit Gesang-Artistik-Humor und Tanz" unter dem Titel Parade des Humors auf dem Programm, im Februar s’Glück in der Vorstadt, eine "Wiener Posse mit Gesang in 3 Akten von Josef Faas-Hartmann. Musik von Dr. August Diglas". Im März folgte die Varieté-Schau, "ein bunter artistischer Reigen mit 12 Attraktionen". Im April zeigte man Der Ehestreik, "eine lustige Begebenheit von Julius Pohl", ehe man die Spielzeit am 31. Mai beendete.
Wie aus einem Bescheid von 4. Juni 1943 hervorgeht, hatte die Wiener Volksbühne zu diesem Zeitpunkt einen maximalen Fassungsraum von 1.300 Personen. Im November folgte Das Mädchen für alles, ein "heiteres Stück in drei Akten von Ig. Brantner und Willy Dunkl".
Letzte Jahre
Bereits im Juli 1943 wurde im Zuge der jährlichen Kommissionierung bekanntgegeben, dass der zu diesem Zeitpunkt 21 Jahre alte Holzbau an den Fundamenten gänzlich "abgefault" sei, "sodass, wenn ein Sturm geht, das ganze Haus schwankt und Einsturzgefahr droht; es sind daher hunderte Menschenleben gefährdet. Der Zimmermeister von Ihrer Kommission [des Stadtbauamtes]", hieß es im Schreiben "von Fachleuten" an das Wiener Stadtbauamt, "wurde in den letzten Jahren schon bestochen, damit er alles durchgehen lässt und nichts beanstandet. Auch ist in diesem Haus keine Kanalisierung, daher bei den Aborten alles gegen die heutigen Vorschriften."
Dennoch wurde erneut am 1. September 1943 eröffnet. Man spielte Reisebekanntschaft von Fritz Gottwald mit Musik und Gesangstexten von Oskar Chloupek. Von 1. bis 31. Oktober folgte die Wiederaufnahme von Im Hotel zur blauen Blunz’n des Leiters Florl Leithner mit der Musik von Hans Bohdjalian. Noch im Frühjahr 1944 leitete Leithner den Betrieb und brachte im März Der weibscheue Hof von Albert Martens und im Mai das Gastspiel Tanzende Welt von Jansen-Jacobs heraus.
Der letzte erhaltene Akt vor Ende des Zweiten Weltkriegs zum nun "Wiener Volksbühne" genannten Margaretener Großtheater im Wiener Stadt- und Landesarchiv stammt aus dem Jänner 1945 und betrifft die Überprüfung des Theater-Hydranten. Noch in diesem Schreiben wird Florl Leithner als Betriebsführer genannt.
Kurz danach wurde der stark abgenutzte Theaterbau abgetragen.
Schauspielerinnen und Schauspieler
Im Wien Geschichte Wiki gibt es 4 Einträge von Personen, die im Margarethener Orpheum engagiert waren.
BildName des Bildes | Name | BerufBeruf | GeburtsdatumDatum der Geburt | SterbedatumSterbedatum |
---|---|---|---|---|
Lilly Karoly | Schauspielerin | 8 September 1885 | 12 Juli 1971 | |
Karl Kyser | Schauspieler Maler | 4 Dezember 1891 | 9 April 1951 | |
Hermann Laforet | Regisseur Schauspieler | 3 Dezember 1902 | 20 März 1979 | |
Auguste Pünkösdy | Schauspielerin | 28 August 1890 | 1 Oktober 1967 |
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 104, A8: 26 - Margarethener Orpheum
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 104, A8: 26.1 - Margaretner Orpheum
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 104, A8: 26.2 - Neues Wiener Operettentheater
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 104, A8: 26.3 - Wiener Volksbühne
Literatur
- Wolfgang Mayer: Margareten – sechs Vorstädte – ein Bezirk. Anläßlich 130 Jahre Margareten, 5. Wiener Gemeindebezirk. Wien: Museumsverein 1992, S. 62