Die Steinzeit ist der älteste Abschnitt der Menschheitsgeschichte und erhielt ihren Namen nach den dafür charakteristischen Steinwerkzeugen, die damals in Verwendung waren.
Alt- und Mittelsteinzeit
Die Altsteinzeit (Paläolithikum) ist in Österreich ab 300.000 bis circa 10.000 vor Christus nachgewiesen und ist durch eiszeitliche Wildbeuterkulturen gekennzeichnet. Die Mittelsteinzeit (Mesolithikum, circa 10.000 – 5.500 v. Chr.) ist eine Art Übergangsperiode, in der die Menschen in nacheiszeitlichen, völlig veränderten Umweltbedingungen noch weiterhin als mobile Jäger- und Sammlergesellschaften lebten.
Im heutigen Wiener Stadtgebiet gibt es zum Beispiel am Laaerberg und am Bisamberg echte Lössböden, die sich während der letzten Eiszeiten aus hier abgelagerten Windsedimenten bildeten, umgelagerte Lösslehme finden sich zudem auch in innerstädtischen Bereichen. In den Lehmabbaugruben zur Ziegelherstellung oder allgemein bei verschiedenen Bauvorhaben wurden deshalb bereits seit dem Mittelalter immer wieder eiszeitliche Faunenreste wie etwa Mammut(stoß)zähne, Rentier- oder Wollnashornknochen gefunden; aus der kalkalpinen Wienerwaldzone in Kalksburg ist auch ein Fund eines Höhlenbären bekannt geworden. Gesicherte zusätzliche Funde von Stein- und Knochenartefakten, die Hinweise auf saisonale Lagerplätze altsteinzeitlicher Jäger- und Sammlergruppen darstellen, wurden aber bislang noch nicht gefunden. Lediglich aus der Titlgasse in Lainz ist ein verlagertes Fundkonvolut von Steinwerkzeugen und Resten eines Mammutstoßzahnes bekannt geworden, für das ein jungpaläolithisches Alter in Frage kommt. Die Anwesenheit von Menschen in dieser Zeit wird auch durch einen Altfund eines Wildpferdknochens aus Nußdorf belegt. Sein Alter wurde mittels Radiokarbonmethode auf circa 38.000 Jahre bestimmt, und auf seiner Oberfläche konnten eindeutig artifizielle Schnittspuren identifiziert werden, wie sie bei der Fellablösung entstehen.
Einen seltenen Nachweis für mittelsteinzeitliche Funde gibt es vom nördlichen Bereich des Bisamberges am Veitsberg, knapp außerhalb der Stadtgrenze.
Jungsteinzeit
Die Jungsteinzeit (Neolithikum) von 5.500 bis 2.200 vor Christus wird durch die "neolithische Revolution" eingeläutet. Die Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht ermöglichte neue Lebensformen und begünstigte die Entwicklung neuer Technologien. Die Jungsteinzeit lässt sich in mehrere Epochen untergliedern.
Frühneolithikum
Seit dem Frühneolithikum (circa 5.500 v. Chr. – 4.700 v. Chr.) wurden im Wiener Raum ortsfeste bäuerliche Siedlungen angelegt, deren Bewohner Ackerbau und Viehzucht betrieben. Im Rahmen einer eher kleinräumig organisierten Subsistenzwirtschaft wurden für den Bau der Siedlungen hauptsächlich fruchtbare Löss- und Braunerdeböden in flach-hügeligen Landschaften mit Gewässernähe ausgewählt. Aufgrund der charakteristischen Verzierung ihrer Keramikgefäße wird diese erste bäuerliche Kultur „Linearbandkeramische Kultur“ genannt.
Eine der ältesten „Pioniersiedlungen“ in Mitteleuropa wurde nur knapp außerhalb der Wiener Stadtgrenze in Brunn am Gebirge entdeckt und besser erforscht. Aus Wien selbst gibt es eine Reihe von keramischen Streufunden, die auf Siedlungen dieser Kultur schließen lassen, etwa aus Atzgersdorf-Liesing, vom Schönbrunner Berg, vom Wertheimsteinpark in Döbling oder aus Leopoldau. Noch häufiger sind aus verschiedensten Teilen des Stadtgebietes einzelne Steinbeile, Steinäxte oder Pfeilspitzen zu finden, die zunächst aber nur Hinweise auf Begehung und Nutzung dieser Gebiete darstellen, etwa zur Holzgewinnung oder um zu jagen oder zu sammeln.
Aus dem Bereich Rochusmarkt in Wien-Landstraße kennen wir seit kurzem auch erste Siedlungsbefunde, die dem jüngeren Abschnitt der Linearbandkeramischen Kultur zugeordnet werden können. Hier konnte der Grundriss eines für diese Zeit charakteristischen Langhauses in Pfostenbauweise erfasst werden, aber auch zugehörige Siedlungs- bzw. Arbeitsgruben sowie eingestürzte Reste eines Backofens.
Mittelneolithikum
Aus der Zeit des Mittelneolithikums (circa 4.700 v. Chr. – 3.900 v. Chr.) sind aus Wien nur spärliche Siedlungsfunde der sogenannten „Bemaltkeramischen Kultur“ (Lengyel-Kultur) zu Tage getreten, so zum Beispiel in Heiligenstadt, in der Rudolfinergasse in Oberdöbling oder in der Horneckgasse in Hernals.
Von besonderer Bedeutung ist das Radiolaritbergwerk auf der Antonshöhe in Wien-Mauer. Radiolarit (Hornstein) ist wie Feuerstein (Silex) ein hartes kieselsäurehältiges Gestein, das sich durch seine Spalteigenschaften mit muschelig-scharfkantigem Bruch gut zur Geräteherstellung eignete. Es steht hier innerhalb der jura- bis kreidezeitlichen Kalkklippen in rötlichbraunen, grünlich- bis bläulichgrauen Farbvarietäten an und wurde in bis über sechs Meter tiefen Schächten, die auch horizontale Vortriebe aufwiesen, abgebaut. In den aufgelassenen und verfüllten Abbaugruben wurden nicht nur Bergmannsgeräte aus Hirschgeweih oder Schlag- und Klopfsteine gefunden, sondern auch Gräber mit Keramikbeigaben. Dadurch lässt sich dieser Untertagebau in die ausgehende Lengyelkultur bzw. in die 2. Hälfte des 5. Jahrtausends v. Chr. datieren. Von den sieben Bestatteten, zwei Männer, drei Frauen und zwei Kinder, kann man annehmen, dass es sich um Bergleute und ihre Angehörigen handelt.
Neueste Forschungen zeigen, dass es nicht nur auf der Antonshöhe in Mauer oder am Flohberg in Lainz jungsteinzeitlichen Radiolaritabbau gab, sondern auch am Gemeindeberg in Ober St.Veit. Zudem lassen sich Hornsteine im gesamten Bereich der sogenannten St. Veiter Klippenzone, die sich von der Antonshöhe über den Lainzer Tiergarten bis hin zum Roten Berg erstreckt, des Öfteren bereits an der Erdoberfläche finden. Charakteristische Funde und Aufschlüsse innerhalb dieser geologischen Zone verdichten sich immer deutlicher zu einer regelrechten „prähistorischen Bergbaulandschaft“. Der Steinrohstoff Radiolarit wurde hier so gut wie überall genutzt und lässt sich auch im weiteren regionalen Umfeld nachweisen, und zwar von der Altsteinzeit bis mindestens bis zum Beginn der Bronzezeit.
Spätneolithikum (Kupferzeit)
Das Spätneolithikum wird auch als Kupferzeit (circa 3.900 v. Chr. – 2.200 v. Chr.) bezeichnet und kann als eigene Epoche angesehen werden, in welcher sich komplexere gesellschaftliche Strukturen herauszubilden begannen. In Mitteleuropa sind verschiedene, mitunter schwer abzugrenzende kulturelle Einheiten und Strömungen fassbar. Im Wiener Stadtgebiet sind für diesen verhältnismäßig wenig erforschten Zeitabschnitt erstaunlich viele Siedlungsbelege bekannt geworden. Bedeutend ist der Nachweis von frühen metallurgischen Tätigkeiten durch den Fund eines Gusslöffels mit Kupferspuren innerhalb einer Siedlung in Bisamberg (NÖ). Ebenfalls in die frühe Kupferzeit zu stellen sind Siedlungsfunde vom Donaufeld in Leopoldau, wobei furchenstichverzierte Keramik sowie Kupferschmuck in Form einer Hakenspirale hervorzuheben sind.
Einblicke in die Lebensumstände der mittleren Kupferzeit gibt eine Siedlung der klassischen Badener Kultur in Aspern, die zuletzt anlässlich von Bauvorhaben in der Seestadt näher untersucht werden konnte. Aus annähernd hundert Speicher- und Arbeitsgruben stammen zahlreiche Keramikreste, Artefakte aus Knochen, Geweih und Stein oder auch Lehmverputz der Flechtwerkwände von den nicht erhalten gebliebenen Häusern. Knochenfunde bezeugen die Haltung von vorwiegend Rindern, Schweinen und Schafen oder Ziegen, botanische Überreste hingegen den Anbau von Einkorn, Emmer, Hirse und Linse. Besonders hervorzuheben ist ein verkohlter Presskuchenrest von Leinsamen, der nahelegt, dass die altbekannte Kulturpflanze Flachs (Lein) nicht nur zur Herstellung von textilen Fasern, sondern in dieser Zeit bereits auch als Öllieferant geschätzt wurde. In einer aufgelassenen Speichergrube der Siedlung fand sich zudem die Bestattung eines jungen Mannes, allerdings fehlen bislang in Aspern Hinweise auf zeitgleiche reguläre Grabanlagen, wie ein solches beispielsweise nahe dem Kreuzungsbereich Simmeringer Hauptstraße/Csokorgasse aufgedeckt wurde.
Seit Beginn der Kupferzeit wurden erstmals auch Siedlungen auf verschiedenen Höhenkuppen des Wienerwaldes errichtet, etwa am Eichkogel bei Kalksburg, dem Satzberg in Hütteldorf oder dem Latisberg (Cobenzl) bei Grinzing. Dies mag einerseits mit der nun generell großflächigeren Erschließung aller Landschaftsteile zusammenhängen, wobei auch klimatische Faktoren eine Rolle gespielt haben könnten, andererseits wird auch oft ein gewisses Rückzugs- und Schutzbedürfnis der damaligen Bevölkerung angenommen. Auch der Aspekt einer erwünschten Kontroll- und Beobachtungsfunktion kann bei der Anlage mancher Höhensiedlungen im Vordergrund gestanden haben. Ein etwas besseres Bild haben wir, aufgrund der Grabungsaktivitäten in den 1920er Jahren, nur von der Ansiedlung am Gemeindeberg in Ober St. Veit. Auf dessen Nordhängen sind Überreste von Hütten mit Estrichböden, Herdstellen oder möglicherweise auch Tennen oder Darren gefunden worden. Durch die reichhaltigen Siedlungsfunde können zwei unterschiedliche Besiedlungsschwerpunkte erschlossen werden, nämlich in der frühen Badener Kultur sowie in der Jevišovice-Kultur. Für beide Siedlungsphasen waren sicherlich auch die lokal anstehenden Vorkommen von Radiolarit-Hornstein und Quarzsandstein von Bedeutung, die zur Herstellung verschiedener Werkzeuge und Geräte verwendet wurden.
Für den spätesten Abschnitt der Kupferzeit stehen zumeist nur Grabfunde als Quellengattung zur Verfügung, umso bemerkenswerter ist die Kenntnis mehrerer solcher Siedlungsstellen im Wiener Stadtgebiet. Der sog. Glockenbecherkultur sind Siedlungen aus Aspern, aus dem Bereich Csokorgasse in Simmering sowie vom Rennweg in Wien-Landstraße zuweisbar; zudem konnten diesbezügliche Funde aus nicht näher dokumentierten Gräbern in Aspern geborgen werden. Die Menschen, die sich hier niedergelassenen haben, waren scheinbar auf Pferdezucht bzw. Pferdehandel spezialisiert, wie es sonst nur von Siedlungen dieser Zeit im Gebiet um Budapest oder in den weiter östlich gelegenen pontisch-kaukasischen Steppengebieten belegt ist.
Ebenso hinterließ eine Kulturgruppe des Karpatenbeckens, die nach den slowakisch-ungarischen Fundorten Kosihy-Čaka-Makó benannt ist, in Wien ihre Spuren. Neben kleineren Aufschlüssen in Aspern oder in Simmering ist vor allem ein weitläufiges Siedlungsareal in Oberlaa hervorzuheben, wo neben Siedlungsgruben, Grubenhütten und Lehmabbaugruben auch (landwirtschaftliche) Rundbauten und rechteckige Hütten in Pfostenbauweise dokumentiert werden konnten. Neben Ackerbau und Textilherstellung im Rahmen einer Subsistenzwirtschaft dürfte auch die Rinderzucht eine große Rolle gespielt haben. Bei beiden letztgenannten Kulturgruppen ist nicht zuletzt aufgrund ihrer wirtschaftlichen Ausrichtung auf Pferde- bzw. Rinderhaltung ein gewisses Maß an Mobilität zu erkennen, sei es nur saisonal, oder eher wahrscheinlich, nur für bestimmte Teile der Gemeinschaft.
Literatur
- Kristina Adler-Wölfl, Martin Mosser: Archäologie am Rochusmarkt – Die Grabungen in Wien 3, Rasumofskygasse 29–31, Fundort Wien 18, 2015, 4-49.
- Daniela Kern, Martin Penz, Oliver Schmitsberger: Siedlungsplätze des späten Endneolithikums in Ostösterreich. In: H. Meller u.a. (Hg.), Siedlungsarchäologie des Endneolithikums und der frühen Bronzezeit, 11. Mitteldeutscher Archäologentag vom 18. bis 20. Oktober 2018 in Halle (Saale), Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle, Band 20/2, Halle (Saale) 2019, 717-732.
- Eva Lenneis, Christine Neugebauer-Maresch, Elisabeth Ruttkay und andere: Jungsteinzeit im Osten Österreichs. In: Wissenschaftliche Schriftenreihe Niederösterreich 102-105 und (Hg. Österreichische Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte), Forschungsberichte 17 (1995).
- Eva Lenneis (Hg.): Erste Bauerndörfer - älteste Kultbauten, Die frühe und mittlere Jungsteinzeit in Niederösterreich, Archäologie Niederösterreichs, Wien 2017.
- Christine Neugebauer-Maresch und andere: Altsteinzeit im Osten Österreichs. In: Wissenschaftliche Schriftenreihe Niederösterreich 1995-1997 und (Hg. Österreichische Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte), Forschungsberichte 15 (1993).
- Martin Penz: Eine Siedlungsgrube der späten Glockenbecherkultur aus Wien 3, Rennweg 16 (Vorbericht), Fundort Wien 13, 2010, 20-31.
- Martin Penz: (See-)Stadtarchäologie in Wien-Aspern, Ein neuer Stadtteil in Wien entsteht – unter archäologischer Begleitung, in: Netzwerk Geschichte Österreich Jg. 7, 2018, 34-43.
- Martin Penz, Marianne Kohler-Schneider, Ilona Szunyogh, Siegrid Czeika: Erste Forschungsergebnisse zur endneolithischen Siedlung in Wien-Oberlaa, Fundort Wien 22, 2019, 4–41.
- Oliver Schmitsberger, Michael Brandl, Martin Penz: Neu entdeckte Radiolaritabbaue in Wien, Bedeutung und Nutzung der St. Veiter Klippenzone im Neolithikum, Archaeologia Austriaca 103, 2019, 163-174.
- Oliver Schmitsberger und andere: Hunting horse at the Danube – A Late Pleistocene cannon bone with cut-marks from Vienna-Nussdorf and its (re)discovery, Berichte der Geologischen Bundesanstalt 132, 2019, 155 - 183.