Verein Jüdisches Realgymnasium
Vereinsgeschichte
Der Verein „Jüdisches Realgymnasium“, zunächst mit dem Sitz in 2., Castellezgasse 35 und zuletzt 1938 mit dem Sitz in Wien 20., Staudingergasse 6 wurde 1924 in Wien gegründet und bestand bis zum Jahr 1938. Die Proponenten Josef Kofler, Gymnasialdirektor, 1924 wohnhaft in 3., Löwengasse 42/6 und Viktor Keller, der langjährige Direktor dieser renommierten jüdischen Schule, 20., Wallensteinstraße 14/8, reichten die Statuten im November 1924 bei der Vereinsbehörde ein. Der Vereinszweck lautete „die materielle Förderung des Jüdischen Realgymnasiums in Wien“ (Statut 1924, § 2). Der Verein war somit die oberste Kontrollinstanz über sämtliche Belange des Jüdischen Realgymnasiums. Es gab Stifter, Gründer, ordentliche, unterstützende Mitglieder und Ehrenmitglieder. „Ordentliches Mitglied“ konnte jede Person werden, die einen Jahresbeitrag von 60.000 Kronen leistete (§ 4). Die Vereinsleitung bestand zunächst aus einem von der Generalversammlung gebildeten „Ausschuss“, bestehend aus fünf Mitgliedern, dem jeweiligen Direktor der Schule, Personen des Lehrkörpers und der Elternvertreter (§ 7 und § 8). Im Jahr 1926 wurde der Verein anlässlich einer am 21. April 1926 stattgefundenen Jahresversammlung umgebildet. Die Vereinsgeschäfte wurden ab diesem Zeitpunkt von einem „Kuratorium“ geleitet, das aus folgenden Personen bestand: Dem jeweiligen Direktor der Schule, dem amtierenden Oberrabbiner von Wien und zwei Personen des Lehrerkollegiums (Statut 1926, § 8). Im Jahr 1927 änderte die Schule ihren Namen in Chajesrealgymnasium, benannt nach dem Oberrabbiner Wiens und überzeugten Zionisten Hirsch Perez Chajes. Im Jahr 1931 wurde der Verein anlässlich einer am 29. Oktober 1931 stattgefundenen Jahresversammlung abermals umgebildet. Der Vereinszweck lautete nun „Erhaltung des Chajesrealgymnasiums“ (§ 2). Die Zusammensetzung des Kuratoriums hatte sich auch angesichts des Erstarkens der Zionistischen Bewegung geändert: Der Direktor des Gymnasiums gehörte dem Kuratorium an. Die Generalversammlung wählte weiters fünf Mitglieder, die Elternvereinigung wählte drei Mitglieder, der Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde drei bis höchstens fünf Mitglieder, das Zionistische Landeskomitee drei Mitglieder, der Lehrkörper konnte zwei bis drei Mitglieder in das Kuratorium entsenden und das Kuratorium selbst konnte „(…) physische Personen und Vertreter von Korporationen, welche die Vereinszwecke dauernd fördern, bis zur Höchstzahl von sieben weiteren Mitgliedern kooptieren“ (§ 8). [1] Der Verein wurde nach 1945 nicht wieder begründet.
Arisierung und Vereinsauflösung 1938
Die Auflösung des „Vereins „Jüdisches Realgymnasium“ und die Aufhebung seiner Rechtspersönlichkeit erfolgten aufgrund eines Bescheides des Stillhaltekommissars für Vereine, Organisationen und Verbände im Verlauf des Jahres 1938. Der Verein hatte im Jahr 1938 eine Liegenschaft in 2., Herminengasse 16 in seinem Eigentum, diese wurde vom Stillhaltekommissar eingezogen, das restliche bewegliche Vermögen in die Israelitische Kultusgemeinde unter der Bedingung, dass diese die Schulden des Vereins begleiche, eingewiesen[2]
Eigentumsverhältnisse: Arisierung und Restitution der Liegenschaft 2., Herminengasse 16
Das Haus 2., Herminengasse 16, KG Leopoldstadt, EZ 718, befand sich zwischen 1932 und 1938 zur Gänze im Eigentum des Vereins „Jüdisches Realgymnasium“, jedoch war ab 1932 auf der Liegenschaft ein Pfandrecht zugunsten der Vereine „Keren Kajemeth Lejisrael, Ltd in Jerusalem“ und des „Vereines Frauenhilfsaktion für Kranke und Wöchnerinnen in Wien“ einverleibt. Im Falle des Verkaufs des Hauses waren diese beiden Vereine berechtigt, von dem Kaufpreis jeweils 1500 Schilling zu erhalten. Zudem war eine Forderung zugunsten der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien in der Höhe von 2000 Schilling einverleibt. Der Zustand des dreistöckigen Hauses wurde von der Liegenschaftsabteilung der Behörde Stillhaltekommissar als in „gutem Zustande“ und mit einem Verkehrswert von 15.300 Reichsmark bewertet. Die „7 Mittelwohnungen mit doppelflügeligen Türen“ und WCs in den Wohnungen seien im Jänner 1939 „durchwegs von Juden bewohnt“[3] Der Stillhaltekommissar ließ die grundbücherlichen Einverleibungen zugunsten der beiden Vereine „Keren Kajemeth Lejisrael, Ltd in Jerusalem“ und „Verein Frauenhilfsaktion für Kranke und Wöchnerinnen in Wien“ im Jahr 1939 löschen[4] Die Liegenschaft hatte laut „Vermögenssteuerbescheid“ im Jahr 1939 einen Wert von 22.500 Reichsmark. Am 13. April 1939 verkaufte der Stillhaltekommissar diese Liegenschaft an Josef Dupal, Schneider, 1939 wohnhaft in 15., Johnstraße 14, am 29. Mai 1945 wohnhaft in 2., Herminengasse 16/6 um einen Kaufpreis von 18.500 Reichsmark. Der Käufer übernahm die Hypotheken. In seiner Anmeldung entzogenen Vermögens gab Josef Dupal an, dass das Haus „infolge Kriegseinwirkung beschädigt“ wurde und er sich mit Stand 8. November 1946 in Russischer Kriegsgefangenschaft befand. Im Jahr 1952 beschied die Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien in einem Teilerkenntnis die sofortige Rückstellung an die Antragstellerin Israelitische Kultusgemeinde (Landesgericht für Zivilrechtssachen 59 Rk 145/51, Originalakt nicht mehr existent). Es kam 1952 zu einem Vergleich über eine Rückkaufsumme durch die Israelitische Kultusgemeinde in der Höhe von 1894,58 Schilling und die Übergabe der Hausverwaltung an die Israelitische Kultusgemeinde Wien per 1. November 1952. [5] Im Jahr 1952 war eine der acht Mietparteien des Hauses der "Ariseur" Josef Dupal[6] Das Haus befand sich im Jahr 2000 noch im Besitz der Israelitischen Kultusgemeinde[7]
Vereinsvorstand 1926
- Schriftführer: Prof. J. Kästenbaum
Vereinsvorstand und Kuratorium 1931 bis 1938
- Präsident: Salomon Frankfurter, 9., Wasagasse 27
- Schriftführer (1931): Josef Kofler[8]
Die Zwi Perez Chajes Schule 1919 bis 1939 und 1980 bis in die Gegenwart
Am 1. Oktober 1919 wurde das „Jüdische Privatrealgymnasium“ eröffnet und befand sich in dieser Zeit in 1., Drahtgasse 4. In den Jahren 1935 /1936 übersiedelte die inzwischen in „Chajes-Gymnasium“ umbenannte nach Schule 2., Staudingergasse 6. Zu dieser Zeit wurde in einem Haus der von Adolf Pollak von Rudin gegründeten „A. M. Pollak Rudin’schen Kindergartenstiftung“ in 2., Castellezgasse 35 die Volksschule der Israelitischen Kultusgemeinde Wien eröffnet. Im Jahr 1939 wurden sowohl Volksschule als auch Gymnasium von den Nationalsozialisten geschlossen, ein sehr eingeschränkter Schulunterricht, sowie Vorbereitungskurse auf die Auswanderung konnten noch bis 1941 in der Schule Castellezgasse 35 stattfinden. 1941 und 1942 bestand das Sammellager Castellezgasse für Juden, die zur Deportation bestimmt waren. Nach 1945 wurde das Haus an den „KZ-Verband“ übergeben. Im Jahr 1983 wurde das Gebäude Castellezgasse wieder für Schulzwecke ausgebaut. 1984 eröffnete neben Schule und Kindergarten die erste AHS-Schulstufe, im Jahr 1988 folgten die anderen Oberstufenklassen[9] Seit dem Jahr 2008 befindet sich die Zwi Perez-Chajes Schule von der Krippe bis zu den Maturaklassen auf dem Campus in 2., Simon-Wiesenthal-Gasse 3[10]
Erinnern
Im Jahr 2015 wurde an den Gebäude 2., Castellezgasse 35 eine Gedenktafel für jüdisches Gymnasium und Kindergarten angebracht, auch an dem Haus Staudingergasse 6 befindet sich eine entsprechende Gedenktafel.
Quellen
- Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Hausstammliste, 3. Oktober 2000 (Signatur aus dem Jahr 2000)
- Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, B 3, B AD XXVI B, d, AD-GV Rückstellungen Wien II, Mappe: Herminengasse 16 (Signatur aus dem Jahr 2000).
- Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien: IV Ac 31 R 27, Karton 571.
- Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien: Referat König, Karton 975, Mappe 43.
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M. Abt. 119, A 32: 9786/1924.
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M. Abt 119, A 41: 2. Bezirk, Zahl 470.
Literatur
- Wir sind die Kinder. Wir sind die Zukunft. Zwei Perez Chajes Schule in Wien. Broschüre, Wien, undatiert (Privatarchiv Shoshana Duizend-Jensen
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Wiener Stadt- und Landesarchiv, M. Abt. 119, A 32: 9786/1924.
- ↑ Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien: IV Ac 31 R 27, Karton 571.
- ↑ Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien: IV Ac 31 R 27, Karton 571.
- ↑ Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien: Referat König, Karton 975, Mappe 43.
- ↑ Wiener Stadt- und Landesarchiv, M. Abt 119, A 41: 2. Bezirk, Zahl 470.
- ↑ Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde, B 3, B AD XXVI B, d, AD-GV Rückstellungen Wien II, Mappe: Herminengasse 16 (Signatur aus dem Jahr 2000). Handzettel der IKG, Technische Abteilung, gezeichnet Ing. Schneider an Israelitische Kultusgemeinde, Rechtsbüro vom 30.1.1952.
- ↑ Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Hausstammliste, 3. Oktober 2000 (Signatur aus dem Jahr 2000).
- ↑ Wiener Stadt- und Landesarchiv, M. Abt. 119, A 32: 9786/1924.
- ↑ Wir sind die Kinder. Wir sind die Zukunft. Zwi Perez Chajes Schule in Wien. Broschüre, Wien, undatiert (Privatarchiv Shoshana Duizend-Jensen).
- ↑ Zwi Perez Chajes Schule der Israelitischen Kultusgemeinde Wien.