Zur goldenen Birne
48° 12' 14.16" N, 16° 23' 21.81" E zur Karte im Wien Kulturgut
Zur goldenen Birne (3., Landstraßer Hauptstraße 31; Gedenktafel am Neubau), Hausname nach dem Schild eines der beliebtesten Einkehrwirtshäuser auf der Landstraße, das bereits 1701 bestand, jedoch in der Biedermeierzeit seine Glanzzeit erlebte.
1797 und 1825 erfolgten Umbauten, 1833 wurde das Haus neu errichtet. Damals wurde ein Gartensalon neu eröffnet. Der im selben Jahr geschaffene Tanzsaal wurde in das Nachbarhaus hineingebaut (er erhielt, weil hier das Namensfest der Wiener Annen besonders gefeiert wurde, sehr bald den Namen „Wiener Annentempel"). Im Vormärz (besonders unter Kapellmeister Michael Pamer, bei dem auch der zwölfjährige Josef Lanner Violine spielte, und später unter Philipp Fahrbach, dessen „Grazienbälle" berühmt waren) erlebte das Lokal eine besondere Blütezeit. Nach dem Brand seines Palais (31. Dezember 1814) wohnte in der „Goldenen Birne" auch Fürst Rasumofsky einige Tage. Im Hinterhaus des Gasthofs wohnte Adalbert Stifter. 1823/1824 zählte Ludwig van Beethoven, der damals in der Ungargasse wohnte, zu den berühmtesten Gästen der „Goldenen Birne" Am 31. Jänner 1828 starb hier der griechische Freiheitsheld Alexander Fürst Ypsilanti, am 24. November 1832 beendete Charles Thirion, der Gatte Lulu von Thürheims, hier sein Leben durch Selbstmord. Eine Gedenktafel erinnert weiters an den Aufenthalt von Honoré de Balzac (1799-1850), der am 16. Mai 1835 in Wien ankam und sich hier einquartierte, um in der Nähe seiner Geliebten, der Madame Eveline Hanska, einer geborenen Gräfin Rzewuska, zu sein, die in der Salmgasse 6 wohnte. 1839 besuchte Hoffmann von Fallersleben mit Lenau die „Goldene Birne".
Mitte des 19. Jahrhunderts war das Lokal wegen der in Garten und Saal stattfindenden Musikproduktionen sehr beliebt. Der Betrieb ist mit den Namen der Familien Setteli und Stipperger aufs engste verknüpft. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trug die Konkurrenz durch das Etablissement Dreher, das 1865 in der Nähe errichtet wurde, viel dazu bei, dass die „Goldene Birne" nach und nach als Volksbelustigungsstätte an Popularität verlor und sich mehr als Hotel entwickelte. Ab 1870 wurde der Tanzsaal nicht mehr benützt, 1879 wurde er abgerissen. Als Robert Musil 1920-1922 im Haus 3, Ungargasse 17 wohnte, schrieb er die Novelle „Der Vorstadtgasthof", der sich auf die „Goldene Birne" bezieht.
1935 erfolgte ein Neubau innerhalb des Wiener Assanierungsfonds nach einem Entwurf von Karl Wilhelm Schmidt.
Quellen
Literatur
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