Zwangsarbeiterlager Geiereckstraße
48° 10' 35.91" N, 16° 23' 58.29" E zur Karte im Wien Kulturgut
In 11., Geiereckstraße befand sich von 1943 bis 1945 das INHA-Lager 11 der Industrie- und Handwerksförderungsgesellschaft m.b.H. für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter der nationalsozialistischen Zeit.
"Wien XI/79, Geiereckgasse, Inhalager 11" war die Postadresse eines französischen Zwangsarbeiters, der von März 1943 bis März 1945 hier untergebracht war und bei "J. Petravic & Co., Fabrik für Feinmechanik, Wien 107 Hernals, Schadinagasse 6-8" arbeitete (79 und 107 betreffen die kleinräumigen postalischen Bereiche der nationalsozialistischen Zeit). Von ihm hat sich auch der Lagerausweis erhalten (Nr. 809, mit Stempel "WL", vermutlich Wohnlager). "Wien XI. Geiereckgasse - Lager Bar[acke] 4" war laut Schreiben der Verwaltung des "Robert-Koch-Krankenhauses" (10., Kundratstraße 3) mit Zusatzstempel "Infektions-Abteilung II" im Jänner 1944 die Wohnadresse eines ebenfalls französischen Zwangsarbeiters, der von März 1943 bis Ende November 1943 von jenem Lager aus für die Firma Eumig in 10., Buchengasse 11-13 arbeitete.
Standort jenes Lagers war möglichweise das in Lehmanns Adressbuch 1938 ohne Hausnummer an der Geiereckstraße neben dem Sportplatz Nordstern angeführte "unbebaute Gelände". Im entsprechenden Verzeichnis des Handbuchs des Reichsgaues Wien 1944 gibt es jedenfalls nur eine Geiereckstraße, und keine Geiereckgasse.
Gelegentlich scheint dieses Lager in Meldedaten auch als "Geiereckgasse Lg.Nr. 872" auf. Im "InhaLAGER XI, Wien XI Geiereckgasse" gab es auch einen eigenen französischen "Vertrauensmann" ("Französische Verbindungsstelle bei der Gauverwaltung Niederdonau der DAF").
Von täglicher Folter und auch psychischen Erniedrigungen im Lager berichtet ein serbischer Zwangsarbeiter, der dort ab Mai 1943 war, dann von Jänner 1945 bis Kriegsende noch im "Lager 7" Blechturmgasse.
Weiters nennt eine Liste des Wilhelminenspitals[1] das Lager 11., Geiereckgasse für russische, spanische und italienische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.
Diese Liste des Wilhelminenspitals verzeichnet die dort zwischen 1942 und 1945 behandelten Ausländerinnen und Ausländer. Die Liste enthält Aufnahmezahl, Vor- und Zuname, Geburtsdatum, Geburtsort (Land), Eintritt, Austritt, "Bestimmungsort" mit Firma und Wohnadresse (mit den zeitgenössischen Straßennamen).[2]
Weiters finden sich im Bestand Landesgericht für Strafsachen im Wiener Stadt- und Landesarchiv mehrere Strafakten[3] mit Bezügen zu Lagern für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Flüchtlinge, Ausländer und Internierte in den Jahren 1944/1945.
In den Strafakten LG I Vr 1950/1944[4] und LG I Vr 2071/1944 wird das Lager 11., Geiereckstraße ebenfalls als "Inha-Lager" genannt.
Siehe auch: Zwangsarbeit, Zwangsarbeiterlager, Lager in Wien
Quellen
- Hermann Rafetseder: Aus Versöhnungsfonds-Anträgen gesammeltes Material (Kopien)
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt.209 - Wilhelminenspital, A1 – Direktionsakten: Mappe 47: "Suchaktion Ausländer"
- Brigitte Rigele: Bearbeitung der Liste des Wilhelminenspitals (1999)
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Landesgericht für Strafsachen, A11 - Vr-Strafakten
Literatur
- Stefan August Lütgenau: Zwangsarbeit im "Reichsgau" Wien 1938-1945. In: Studien zur Wiener Geschichte. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 59 (2003), S. 167-186
- Hermann Rafetseder: Lager und lagerartige Unterkünfte der NS-Zeit in Wien für das Online-Lexikon "Wien Geschichte Wiki", auf Basis von Material des Österreichischen Versöhnungsfonds. 108 Lager-Artikel und vier "Bonus-Tracks", erstellt im Auftrag des Wiener Stadt- und Landesarchivs. Linz: Eigenverlag 2017
- Hermann Rafetseder: NS-Zwangsarbeits-Schicksale. Erkenntnisse zu Erscheinungsformen der Oppression und zum NS-Lagersystem aus der Arbeit des Österreichischen Versöhnungsfonds. Bremen: Wiener Verlag für Sozialforschung in EHV Academicpress GmbH 2014, S. 248, 458
Einzelnachweise
- ↑ Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt.209 - Wilhelminenspital, A1 – Direktionsakten: Mappe 47: "Suchaktion Ausländer".
- ↑ Irrtümer bei den Bezirken und Hausnummern sind nicht ausgeschlossen. In die Bearbeitung aufgenommen wurden nur jene Adressen, bei denen "Lager" angegeben war, beziehungsweise nur jene Firmenlager, die als solche bezeichnet wurden.
- ↑ Wiener Stadt- und Landesarchiv, Landesgericht für Strafsachen, A11 - Vr-Strafakten.
- ↑ Der Akt wurde skartiert.