Alfred Polgar

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Alfred Polgar (1951)
Daten zur Person
PersonennameName der Person im Format Nachname, Vorname Polgar, Alfred
Abweichende NamensformAlternative Formen des Namens wie z.B. Pseudonyme oder Mädchennamen im Format Nachname, Vorname Polak, Alfred, Terne L. A.
TitelAkademische Titel (abgekürzt), Amtstitel, Adelstitel
Geschlecht männlich
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  15987
GNDGemeindsame Normdatei 118595474
Wikidata Q45287
GeburtsdatumDatum der Geburt 17. Oktober 1873
GeburtsortOrt der Geburt Wien 4066009-6
SterbedatumSterbedatum 24. April 1955
SterbeortSterbeort Zürich 4068038-1
BerufBeruf Schriftsteller, Essayist, Dramatiker, Journalist, Übersetzer
ParteizugehörigkeitAngabe der Partei (bei PolitikerInnen)
EreignisEreignis, mit dem die Person in Verbindung gebracht wird
Nachlass/Vorlass
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki  Zwischenkriegszeit, Karl Kraus (Portal)
RessourceUrsprüngliche Ressource  Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Letzte Änderung am 4.10.2024 durch WIEN1.lanm09fri
BestattungsdatumDatum der Bestattung 
FriedhofFriedhof, auf dem eine Person begraben wurde Zürich, Friedhof Sihlfeld
Grabstelle
BildnameName des Bildes Alfred Polgar 5111603.jpg
BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Alfred Polgar (1951)
  • 2., Untere Donaustraße 33 (Geburtsadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Preis der Stadt Wien für Publizistik (Verleihung: 1951)

Alfred Polgar (eigentlich Polak), * 17. Oktober 1873 Wien, † 24. April 1955 Zürich, Schriftsteller, Journalist, Theaterkritiker.

Biografie

Alfred Polgar wurde als drittes Kind des Klavierschulinhabers Josef Polak und dessen Frau Henriette, geborene Steiner, in der Leopoldstadt geboren. Sein Vater stammte aus Ungvar, die Mutter aus Pest, beide waren jüdischen Glaubens. Polgar besuchte nach der Volksschule in der Holzhausergasse die Unterstufe des Gymnasiums in der Zirkusgasse 48 und war 1883/1884 – zehn Jahre, nachdem Sigmund Freud an dieser Anstalt maturiert hatte – Schüler des Leopoldstädter Communal-Real- und Obergymnasiums. Danach dürfte er die Handelsschule Karl Porges besucht haben, wobei von einem offiziellen Abschluss der Schulkarriere nichts bekannt ist.

Der junge Polgar gehörte dem Kreis um Peter Altenberg und Karl Kraus im Café Griensteidl an, wobei speziell die Beziehung zu Kraus eher angespannt und in Folge distanziert blieb. Um 1895 trat er in die Redaktion der "Wiener Allgemeinen Zeitung" ein, für die er neben dem renommierteren Felix Salten und Richard Specht Theaterkritiken schrieb. 1902 wurde Alfred Polgar Burgtheaterreferent der "Wiener Sonn- und Montagszeitung" und zeichnete seine Texte mit dem bereits bestehenden Pseudonym "L. A. Terne", das zuvor Robert Hirschfeld verwendet hatte. Ziele seiner theaterkritischen Angriffe waren Arthur Schnitzler und besonders Alfred von Berger in dessen Funktion als Burgtheaterdirektor und -regisseur.

Als eifriger Besucher, Beobachter und Kritiker des (jüdischen) Kabaretts in Wien schrieb er mit seinem Freund Egon Friedell Sketches für das Kabarett Fledermaus, darunter die berühmte Szene "Goethe", die im Jänner 1908 zum ersten Mal aufgeführt wurde. Die Arbeiten von Polgar und Friedell beherrschten 1908 bis 1910 die Kabarettprogramme Wiens. Da es oft schwierig war, die Anteile der beiden Autoren auseinanderzuhalten, firmierte das Autorenduo bei den Kritikern unter dem Label "Polfried AG". 1912 lieferte Polgar seinen letztlich einflussreichsten Beitrag für die Theaterliteratur mit der deutschen Bearbeitung von Ferenc Molnárs "Liliom", die die andauernde internationale Rezeption des Stücks initiierte. Mit dem Stück "Die Defraudanten", zusammen mit Franz Theodor Csokor geschrieben und 1931 an der Berliner Volksbühne uraufgeführt, kam er an diesen Erfolg nicht heran.

In der Zeit des Ersten Weltkriegs war Polgar im Kriegspressequartier von Mai 1915 bis März 1917 Teil der von Franz Karl Ginzkey geleiteten "Literarischen Gruppe", der unter anderen auch Franz Theodor Csokor, Rainer Maria Rilke, Felix Salten oder Stefan Zweig angehörten. Alfred Polgar, der der militärischen Führung durch pazifistische Texte aufgefallen war, wurde im April 1917 vom Kriegspressequartier abgezogen, entging dem Frontdienst aber und konnte bereits ab August als Parlamentsberichterstatter der "Wiener Allgemeinen Zeitung" arbeiten. Ab Anfang 1918 war Polgar Feuilletonchef der Zeitschrift "Der Friede", im Jahr darauf leitete er den literarischen Teil der Tageszeitung "Der Neue Tag". Joseph Roth, der sein journalistisches Debüt in "Der Neue Tag" gab, galt als Schüler Polgars.

Alfred Polgar, der "Meister der kleinen Form", entfaltete als Theaterkritiker und Feuilletonist über Jahrzehnte hinweg große Wirkung im deutschsprachigen Raum. Er war Mitarbeiter mehrerer Periodika, darunter die humoristische Wiener Wochenzeitschrift "Die Muskete" und besonders die berühmten deutschen Zeitschriften "Tage-Buch" und "Weltbühne", für die er Besprechungen Wiener Theateraufführungen lieferte. Dieses Referat entfiel, nachdem Polgar 1925 seinen Wohnsitz nach Berlin verlegte.

Waren es in Wien die Kaffeehäuser Central, Herrenhof oder das Café Museum, in denen Polgar als Stammgast anzutreffen war, so gehörte er in Berlin zu einem mondänen Kreis um Erich Maria Remarque und Franz Molnàr, der in der Bar des Hotel Eden zusammenfand. Zu dieser Gesellschaft zählte auch Marlene Dietrich, die Polgar seit ihrem Auftritt in den Wiener Kammerspielen im Jahr 1927 verehrte und in dem 1938 entstandenen Text "Marlene. Bild einer berühmten Zeitgenossin" liebevoll porträtierte.

Von Berthold Viertel gewarnt, floh Polgar mit seiner Frau Elise Loewy, die er 1929 geheiratet hatte, im März 1933 aus Berlin nach Prag, dann nach Wien, wo er bis 1938 lebte. Zum Zeitpunkt des "Anschlusses" Österreichs an das Deutsche Reich hielt sich Polgar in Zürich auf und floh von dort weiter nach Paris. Am 11. Mai 1939 wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. Elise und Alfred Polgar überquerten im Oktober 1940 den Atlantik auf der "Nea Hellas", auf der sich auch Heinrich Mann, Alma Mahler-Werfel und Franz Werfel befanden. Polgar lebte dann in Hollywood, wo er in der Filmbranche arbeitete, und in New York und wurde US-amerikanischer Staatsbürger. 1949 machte er seine erste Europa-Reise nach der Emigration, auf der er auch Wien besuchte. Ab 1951 hatte Polgar seinen Wohnsitz überwiegend in der Schweiz; während seiner Wien-Aufenthalte stieg er in Hotels ab. In der Spielzeit 1954/1955 war er literarischer Berater des Theaters in der Josefstadt. Polgar starb 1955 in Zürich.

Alfred Polgars Texte erschienen – nach ihrem Erstdruck in verschiedenen Periodika – von 1919 an in zahlreichen Sammelbänden, darunter "An den Rand geschrieben" (1926), "Hinterland" (1929) oder die vierbändigen "Schriften eines Kritikers" unter dem Sammeltitel "Ja und Nein" (1926–1927). Friedrich Torberg nannte Polgar, der 1951 den Preis der Stadt Wien für Publizistik erhielt, den letzten großen Repräsentanten des Wiener Feuilletons.

Quellen

Wienbibliothek im Rathaus, Tagblattarchiv, TP-038830

Werke (Auswahl)

  • Egon Friedell / Alfred Polgar: Goethe. Eine Szene. Wien: Stern 1908
  • Alfred Polgar / Egon Friedell: Der Petroleumkönig oder Donauzauber. Musik von Sch. Konrad. Wien: Eigenverlag des Theater und Kabarett "Fledermaus" 1908
  • Alfred Polgar: Der Quell des Übels und andere Geschichten. München: Langen 1908 (Kleine Bibliothek Langen, 90)
  • Alfred Polgar: Bewegung ist alles. Novellen und Skizzen. Frankfurt/Main: Rütten & Löning 1909
  • Alfred Polgar: Brahms Ibsen. Berlin: Reiss [1910]
  • Alfred Polgar / Egon Friedell: Soldatenleben im Frieden. Ein zensurgerechtes Militärstück, in das jede Offizierstochter ihren Vater ohne Bedenken führen kann. Wien: Heller & Cie 1910
  • Alfred Polgar: Hiob. Ein Novellenband. München: Langen 1912
  • Alfred Polgar: Kleine Zeit. Berlin: Gurlitt 1919
  • Alfred Polgar: Max Pallenberg. Berlin: Reiß [1921] (Der Schauspieler, 9)
  • Alfred Polgar: Gestern und heute. Dresden: Kaemmerer 1922
  • Alfred Polgar: An den Rand geschrieben. Berlin: Rowohlt 1926
  • Alfred Polgar: Orchester von oben. Berlin: Rowohlt 1926
  • Alfred Polgar: Ja und nein. Schriften des Kritikers. Berlin: Rowohlt, Bd. 1: Kritisches Lesebuch 1926, Bd. 2: Stücke und Spieler 1926, Bd. 3: Noch allerlei Theater 1926, Bd. 4: Stichproben 1927
  • Alfred Polgar: Ich bin Zeuge. Berlin: Rowohlt 1927
  • Alfred Polgar: Schwarz auf Weiß. Berlin: Rowohlt 1929
  • Alfred Polgar: Hinterland. Berlin: Rowohlt 1929
  • Alfred Polgar: Bei dieser Gelegenheit. Berlin: Rowohlt 1930
  • Alfred Polgar: Die Defraudanten. Nach Motiven aus dem gleichnamigen Roman V. Katajews. Komödie in drei Akten. Berlin: Rowohlt 1931
  • Alfred Polgar: Sekundenzeiger. Zürich: Humanitas Verlag [1937]
  • Alfred Polgar: Anderseits: Erzählungen und Erwägungen. Amsterdam: Querido 1948
  • Alfred Polgar: Begegnung im Zwielicht. Berlin: Blanvalet 1951
  • Alfred Polgar: Marlene. Bild einer berühmten Zeitgenossin. Hg. und mit einem Nachwort von Ulrich Weinzierl. Wien: Zsolnay 2015
  • Franz Molnár: Liliom. Vorstadtlegende in 7 Bildern und einem szenischen Prolog. Für die deutsche Bühne bearbeitet von Alfred Polgar. Wien: Deutsch-österreichischer Verlag 1912

Literatur

  • Roland Innerhofer: Die Polfried AG. Satirisches Kabarett von Egon Friedell und Alfred Polgar. In: Wendelin Schmidt-Dengler / Johann Sonnleitner / Klaus Zeyringer [Hg.]: Komik in der österreichischen Literatur. Berlin: Erich Schmidt Verlag 1996 (Philologische Studien und Quellen, 142), S. 179–188
  • Harry Zohn: "...ich bin ein Sohn der deutschen Sprache nur...". Jüdisches Erbe in der österreichischen Literatur. Wien [u. a.]: Amalthea-Verlag 1986, S. 167 ff.
  • Ulrich Weinzierl: Alfred Polgar. Eine Biographie. Wien [u. a.]: Löcker 1985
  • Milan Dubrovic: Veruntreute Geschichte. Die Wiener Salons und Literatencafés. Wien [u. a.]: Zsolnay 1985
  • Ulrich Weinzierl: Er war Zeuge. Alfred Polgar. Ein Leben zwischen Publizistik und Literatur. Wien: Löcker und Wögenstein 197
  • Gerhard Fritsche: Die Kritiken Alfred Polgars in der "Weltbühne" als Spiegel des Wiener Theaters 1906–1929. Diss. Univ. Wien. Wien 1964
  • Herbert Kirnig: Alfred Kerr – Alfred Polgar. Ein Vergleich. Phil. Diss. Univ. Wien. Wien 1950


Alfred Polgar im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.


Weblinks