Buch- und Kunstdruckerei Steyrermühl

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Daten zur Organisation
Art der OrganisationArt der Organisation Verlag
Datum vonDatum (oder Jahr) von 1872
Datum bisDatum (oder Jahr) bis
Benannt nach
Prominente Personen Rudolf Sieghart
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  44036
GNDGemeindsame Normdatei 2094805-0
WikidataIDID von Wikidata
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki  Verlagsgeschichte
RessourceUrsprüngliche Ressource  Murray G. Hall: Österr. Verlagsgeschichte
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Letzte Änderung am 19.10.2023 durch WIEN1.lanm09fri
  • 1., Fleischmarkt 5

Frühere Adressierung
  • Verlag der "Tagblatt-Bibliothek"

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48° 12' 38.95" N, 16° 22' 35.32" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Die Papierfabriks- und Verlags-Gesellschaft Steyrermühl war das bedeutendste und erfolgreichste österreichische Unternehmen des Zeitungswesens und der Papierindustrie. Die Aktiengesellschaft wurde 1872 mit Sitz Fleischmarkt 5) gegründet. Dem Verwaltungsrat gehörte u.a. der Eigentümer des Neuen Wiener Tagblatts an. Das Blatt wurde in die Gesellschaft eingebracht und avancierte zu ihrem einträglichsten Medium. Der Gesellschaft gehörte außerdem die 1869 im öberösterreichischen Traun errichtete Papierfabrik Steyrermühl. 1881 wurde typographisches Institut und Verlag von Ludwig Carl Zamarski in der Gumpendorfer Straße 40-44 erworben und als “Buch- und Kunstdruck Steyrermühl“ weitergeführt, die vor allem durch Aufträge der Staatsbahnen und der Tabakregie ausgelastet war. Der Konzern wies damit einen geschlossenen vertikalen Aufbau aus.

Das Unternehmen entwickelte sich äußerst erfolgreich. 1912 belief sich die Eigenkapitalquote bei einer Bilanzsumme von 14,4 Millionen Kronen auf fast 84 Prozent. Zwischen 1901 und 1912 schüttete die AG 9,5 bis 12,5 Prozent des nominellen Grundkapitals als Dividende aus. Spätestens ab 1914 gewann Rudolf Sieghart dominierenden Einfluss in der Steyrermühl-Konzern. Angeblich kontrollierte das von ihm angeführte Syndikat 90 Prozent des Aktienkapitals, 1923 war es eine Zweidrittelmehrheit. Während des Ersten Weltkriegs und in der Inflationszeit geriet das Unternehmen unter engeren Bankeneinfluss, vorab der Verkehrsbank und nach entsprechenden Fusionen unter den der Bodencreditanstalt sowie 1929 unter den der Creditanstalt. Diese verfügte 1938 mit einem 25,7-prozentigen Anteil über eines der größten Aktienpakete, während sich die Aktienmehrheit in Streubesitz befand. Das Syndikat war 1936 aufgelöst worden.

Die "Tagblatt-Bibliothek"

1918/19 wurden im Steyrerhof (Sitz von Zeitungsdruckerei und Zeitungsverlag) sämtliche Druckmaschinen erneuert. Weitere Investitionen sicherten dem Betrieb den Rang als größte und modernste Zeitungsdruckerei Österreichs. Auch das publizistische Angebot wurde durch neue Zeitschriften und Zeitungen erweitert. Modernisiert und ausgebaut wurde außerdem die Buch- und Kunstdruckerei, deren im Februar 1923 ins Leben gerufene "Tagblatt-Bibliothek" Belletristik und Sachbücher auf den Markt brachte. Die Gründungsintention dieser Reihe war, rechtliche Materien einem breiteren Publikum leichter zugänglich zu machen. So erschienen in der Bibliothek unter anderem Werke wie das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, ein Kommentar zur österreichischen Bundesverfassung oder Werke zum Ehe- und Arbeitsrecht. Als besonderer Kundendienst erwarben die Käufer dieser juristischen Literatur den Anspruch auf kostenlosen Bezug von Nachträgen bei Gesetzesänderungen oder anderen wichtigen Neuerungen.

Der große Erfolg dieser populären Publikationen führten zur Fortsetzung der Reihe, deren buchtechnische Ausstattung sukzessive verbessert wurde. Von besonderer Bedeutung war aber auch der Preis nach dem Motto "Für alle verständlich. Für jeden erschwinglich". Der Absatzmarkt, der sich ursprünglich auf Wien und das rechtliche Österreich konzentrierte, konnte nach und nach auf alle deutschsprachigen Ländern ausgedehnt werden. Manche Werke fanden sogar als Unterrichtsbücher an amerikanischen Universitäten Verwendung. Die Tagblatt-Bibliothek wurde oft als österreichisches Pendant zu Reclam betrachtet, waren aber etwas billiger als die Reclam-Bändchen (52 statt 70 Groschen pro Nummer) und umfassten ein viel breiteres Spektrum. Bis 1933 erschienen 412 Werke, auf insgesamt 965 Nummern aufgeteilt. Die thematische Palette der Tagblatt-Bibliothek in reichte von musikalischen Werken über Kinder- und Jugendbücher, Rätselbücher und Spielregeln, Technik und Landwirtschaft, Rechtsmaterien, Geschichte und Kunstgeschichte sowie Reisebeschreibungen bis hin zu Novellen, Romane, Erzählungen und Dramen. Nach dem Selbstverständnis des Verlags wollte man "Bücher des praktischen Lebens" produzieren.

Als Leiter der Tagblatt-Bibliothek fungierte ab März 1931 der Verleger Ernst Pisko, der nach dem "Anschluss" im April 1938 ohne Anerkennung des gesetzlichen Abfertigungsanspruchs von Steyrermühl als Jude fristlos entlassen wurde. Er konnte nach Großbritannien flüchten, wo sich sein weiterer Lebensweg verliert. Unter seiner Ägide setzte der Verlag einen Schwerpunkt auf belletristische Werke. Neben deutschsprachigen "Klassikern" wie Goethe, Grillparzer, Nestroy, Pötzl, Raimund, Rosegger, Schiller oder Stifter sowie fremdsprachigen Werken etwa von Balzac, Barbusse, de Maupassant, Poe, Tschechow oder Wilde erschienen besonders "moderne" Werke oft österreichische Autorinnen und Autoren, etwa von Rudolf Hans Bartsch, Gisela Berger, Marco Brociner, Paul Busson, Felix Dörmann, Rudolf Hawel, Frank Heller, Hella Hofmann, Robert Hohlbaum, Rudolf Jeremias Kreutz, Franz Molnár, Karl Schönherr, Maria Stona, Fritz Stüber-Gunther, Rudolf Stürzer oder Erwin Weill. Bei den fremdsprachigen Publikationen stießen neben Lehr- und Wörterbüchern sogenannte "Zwei-Sprachen-Bücher" auf Interesse, darunter auch Esperanto – Deutsch. Bis 1938 erschienen über 1.200 Nummern der Tagblatt-Bibliothek.

In der Weltwirtschaftskrise bewahrte das Unternehmen eine solide Finanzierungs- und Kapitalstruktur. Waren 1926 im gesamten Unternehmen 2.800 Personen beschäftigt, konnte die Beschäftigtenzahl ab 1934 bei rund 2.000 gehalten werden. Mit Stand 1938 beschäftigte die Zeitungsdruckerei ca. 285 Mitarbeiter, die Buchdruckerei ca. 300. Nach dem "Anschluss" unter kommissarische Verwaltung gestellt, wurde die Zeitungsproduktion vom Konzern abgetrennt und an die eigens gegründete Ostmärkische Zeitungsverlag GmbH (später KG im Besitz des Herold-Verlags Berlin) verkauft. Sie kam damit wie die Druckereibetriebe mehr oder weniger direkt unter die Kontrolle des NSDAP-Zentralverlags Franz Eher Nachf. München. Die Papierfabrikwurde mit einem Papiererzeuger bei Krumau fusioniert.

Nach 1945 pachtete die KPÖ die Druckereien für ihren Globus-Buchverlag, in dessen Programm auch die “Tagblatt-Bibliothek“ überging. Im Globus-Verlag wurde die Tagblatt-Bibliothek eine Zeitlang fortgesetzt. In den 1950er Jahren trat Fritz Molden als Pächter auf. Der Konzern kam in den Folgejahren nach wechselnden Beteiligungen zu 90 Prozent in den Besitz der BAWAG, die 1996 ihre Mehrheitsbeteiligung verkaufte. Das Gebäude in der Gumpendorfer Straße war 1975 abgerissen worden.

Steyrermühl heute als Papiermuseum

Das Papiermuseum befindet sich in der ehemaligen Papierfabrik Ausfahrt Laakirchen West (früher Steyrermühl). Dort wo von 1868 bis 1988 Papier und Zellstoff erzeugt wurden befinden sich heute auf einer Fläche von über 4.000 m2 das Österreichische Papiermachermuseum, ein Druckereimuseum, ein Feuerwehrmuseum, eine Handschöpferei, eine integrative Malschule, eine Kunstgalerie, sowie ein modernes Veranstaltungszentrum.

Träger dieser Einrichtungen ist der Verein Österreichisches Papiermachermuseum, der im Jahr 1993 gegründet wurde. Am 1. Juni 1997 wurde nach jahrelangen Gestaltungsarbeiten im Bereich der ehemaligen Papiermaschinen 4 und 5 und der Zellstoffbleicherei das Österreichische Papiermachermuseum eröffnet. 2000 folgte die Eröffnung des Druckereimuseums. Die Eröffnung des völlig neu adaptierten Veranstaltungszentrums fand 2003 statt, außerdem gab es eine Teilnahme an der Landesausstellung 2008 im Salzkammergut, bei welcher der gesamte Museumsbereich des Papiermachermuseum völlig neu gestaltet wurde. Weiters wurde im Rahmen der Landesausstellung eine Brücke über die Traun errichtet. Finanziert wird das Museum aus Museumseintritten, der Vermietung der Veranstaltungsräumlichkeiten, aus Mitgliedsbeiträgen privater Mitglieder und Firmenmitglieder, sowie aus Sponsorengeldern. Auch Privatpersonen haben die Möglichkeit, die Museums - und Kulturarbeit mit einem jährlichen Beitrag zu unterstützen. Sie erhalten als Gegenleistung freien Museumseintritt sowie 20% Ermäßigung bei den Kulturveranstaltungen des Museums.

Literatur

  • Peter Eigner/Andreas Resch: Steyrermühl und Vernay: Die zwei größten Wiener Zeitungskonzerne der Zwischenkriegszeit. In: Herbert Matis/Andreas Resch/Dieter Stiefel [Hg.]: Unternehmertum im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft. Wien: LIT-Verlag 2010
  • Anton Durstmüller: 500 Jahre Druck in Österreich. Die österreichischen graphischen Gewerbe zwischen 1918 und 1982, Bd. 3. Wien: Hauptverband der graphischen Unternehmungen Österreichs 1988
  • Peter Melichar: Arisierungen und Liquidierungen im Papier- und Holzsektor. In: Ulrike Felber [u.a.]: Ökonomie der Arisierung, Teil 2: Wirtschaftssektoren, Branchen, Falldarstellungen. Zwangsverkauf, Liquidierung und Restitution von Unternehmen in Österreich 1938 bis 1960. Wien/München: Oldenbourg 2004 (Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission 10/2)
  • Christina Köstner: “Wie das Salz in der Suppe“. Zur Geschichte eines kommunistischen Verlags – Der Globus Verlag. Diplomarbeit, Univ. Wien 2001
  • Franz Mathis: Big Business in Österreich. Wien: Verlag für Geschichte & Politik 1990
  • Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945, Bd. 3: Deutsches Reich und Protektorat September 1939-September 1941. München: Oldenbourg 2002
  • Bawag verkauft Mehrheitsbeteiligung am Papierkonzern Steyrermühl. In: Wirtschaftsblatt, 27.07.1996

Weblinks